Auf den Spuren Peter Høegs

Von Marc-Christoph Wagner |
Seit zehn Jahren hat sich der dänische Schriftsteller Peter Høeg, Autor des Welterfolgs "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Und so war es eine kleine Sensation, als die schwedische Boulevardzeitung "Expressen" vermeldete, Høeg habe einen neuen Roman geschrieben, an dem er jahrelang gearbeitet habe. Jetzt fragen sich alle, was wirklich dran ist an den Gerüchten.
Eine hagere Statur, blond, leger gekleidet – in einem hatte die schwedische Kulturjournalistin Natalia Kazmierska wirklich recht: Auf den ersten Blick besteht eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Peter Høeg und seinem Verleger Jakob Lambert. Noch vor kurzem hatte Kazmierska Lambert in seinem Büro in der Kopenhagener Købmagergade besucht und diesen nach dem Aufenthaltsort seines wohl berühmtesten Autors gefragt. In Zukunft aber dürfte es für Kazmierska schwer sein, einen solchen Termin im Rosinante-Verlag zu bekommen, denn Lambert traute seinen Augen nicht, als er Kazmierskas Geschichte in der Mittwochsausgabe des schwedischen Expressen las:

"Also ich wurde überrascht, insbesondere von der Geschichte. Also sie hat ja Peter Høeg ein Versprechen gegeben und das hat sie nicht eingehalten und deshalb wurde ich ja überrascht und persönlich enttäuscht – das hat er offenbar falsch beurteilt."

Kazmierska selbst stellt die Dinge anders dar. Sie habe Peter Høeg nach langer Suche in einem kleinen Ort in Jütland gefunden. Beeindruckt von ihrer Ausdauer und Willensstärke habe er, Høeg, sie hereingebeten, die beiden hätten sich daraufhin ausführlich unterhalten. Gewiss, ein offizielles Interview sei es nicht gewesen, aber:

"Ich habe ihm gesagt, ich wolle mich nicht aufdrängen und könne wieder gehen, wenn er das wolle – ich habe von Beginn an mit offenen Karten gespielt. Doch er wirkte gut gelaunt und ganz entspannt, ja er war sich durchaus bewußt, was für ein Image er hat und welch sensationelle Neuigkeit es sein würde, dass er ein neues Buch geschrieben hat. Ich war ganz verwundert, dass er mir das erzählte – die ganze Welt würde sich dafür interessieren, dass er nach zehn Jahren wieder ein Buch veröffentlichen würde."

Kazmierska selbst berichtet in ihrem auch von der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Artikel, Peter Høeg habe sie gebeten, nichts über ihr Gespräch zu schreiben. Statt dessen würde er ihr den Roman im Dezember zuschicken und ihr dann ein Exklusivinterview gewähren. Bis dahin aber wollte Kazmierska nicht warten:

"Ich hatte zwei Möglichkeiten – entweder würde ich so tun, als ob ich ihn nicht gefunden hätte und über alles schweigen. Oder ich konnte die Geschichte jetzt schreiben. Ich meine, als Journalist kann man Fakten nicht zurückhalten – man muss schreiben, was man weiß und seinen Lesern gegenüber loyal sein. Ich wußte, diese Geschichte würde nicht nur die Leser des Expressen, sondern auch die Fans Peter Høegs auf der ganzen Welt interessieren. Ich musste mich entscheiden, die Sache jetzt zu veröffentlichen oder bis zum Dezember zu warten, um dann ein Interview zu den Bedingungen Peter Høegs zu führen. Als Journalist aber kann man sich nicht kontrollieren lassen – weder von Politikern noch von Schriftstellern! Und deswegen habe ich die Geschichte jetzt geschrieben."

Eine Darstellung, die bei Høegs Verleger Jakob Lambert nur Kopfschütteln und ein müdes Lächeln hervorruft. Dass Kazmierska den öffentlichkeitsscheuen Schriftsteller gefunden habe, sei alles andere als eine Sensation. In kleinen Dänemark sei es ein offenes Geheimnis, wo Peter Høeg sich aufhalte, ja er selbst habe immer wieder Interviews zwischen Høeg und Journalisten vermittelt.

"Also wir hatten ja dauernd Kontakt mit Peter Høeg. Das Interesse an seiner Person hat ja nicht nachgelassen. Also mit seiner Schweigsamkeit ist ja eine Art Mythos gewachsen, nicht wahr? Viele Leute haben vielleicht eine Vorstellung, dass er Geheimnisse hat und also die einfache Wahrheit ist wohl, ich kann nicht für Peter Høeg sprechen, aber die einfache Wahrheit ist wohl, dass er nur in Frieden sein will, er will seine Ruhe schützen, er will seine Familie schützen."

Neu an Kazmierskas Artikel, so Lambert, sei allein die Tatsache, dass Høeg ein neues Buch geschrieben habe – zumindest für die breite Öffentlichkeit. Er selbst habe dies seit Wochen gewußt:

"Und dann hat er mir neulich geschrieben, er hat einen Roman geschrieben, aber es fehlen noch ein paar Dinge und dann kommt er zu mir wieder zurück, das wird vielleicht zwei bis drei, vier Monate dauern, das weiß ich nicht."

Und folglich kann Jakob Lambert auch nicht sagen, worum es in dem neuen Roman von Peter Høeg geht. Glaubt man der Darstellung Natalia Kazmierskas hat Høeg seit Jahren an dem Buch gearbeitet. Und hat sie eine Geste Høegs richtig gedeutet, soll das Buch dick sein wie ein Ziegelstein. Für Jakob Lambert aber sind dies alles Spekulationen:

"Also, das weiß ich nicht, aber ich erwarte einen guten Roman, aber ich mache mir keine Vorstellungen, ich weiß nicht worüber, ich weiß nicht, wie dick das Buch ist, ich weiß nichts."

Bleibt die Frage, ob Peter Høeg einfach naiv war mit einer dahergekommenen Boulevard-Journalistin zu plaudern, oder ob er sich ihrer vielleicht sogar ganz bewußt und im eigenen Interesse bediente. Nun jedenfalls ist die Nachricht von einem neuen Høeg-Buch in der Welt und im Verlag selbst stehen die Telefone nicht mehr still – insbesondere die ausländischen Verleger Peter Høegs möchten wissen, wann sie mit dem neuen Buch rechnen können. Und Høeg selbst? Er, so sein Verleger Jakob Lambert, hat den Streich, den ihm eine schwedische Kollegin gespielt hat, offenbar gut verwunden:

"Ich habe mit Peter Høeg gesprochen und er hat den Rummel in aller Gemütsruhe genommen."