Auf den Spuren des Evolutionsforschers
Pünktlich zum Darwin-Jahr 2009 begibt sich der Journalist Jürgen Neffe in seinem neuen Buch "Darwin - Das Abenteuer des Lebens" auf die Wege des Forschers und reist ihm hinterher. Mit dabei hat der Autor einen Notebook-Computer mit Darwins Tagebüchern und wissenschaftlichen Werken.
"Was für ein herrlicher Tag wird der 4. November für mich sein!" So euphorisch beginnt Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, sein Reisetagebuch. Man schreibt das Jahr 1831, und der 22-Jährige kann es kaum erwarten, an Bord der "Beagle" in See zu stechen und die Welt zu umsegeln.
Als der Kapitän - Wochen später, bei immer noch schwerem Seegang - endlich den Anker lichtet, verbringt der Naturforscher in spe seine Zeit erst einmal über dem Spucknapf. Die Seekrankheit wird zu seiner beständigen Begleiterin: So richtig fit fürs Leben, dessen Entwicklungsgeschichte er mit seiner bahnbrechenden Theorie enthüllte, ist Charles Darwin nie gewesen.
Pünktlich zum Darwin-Jahr 2009 begibt sich der renommierte Journalist Jürgen Neffe in seinem neuen Buch "Darwin - Das Abenteuer des Lebens" auf die Spuren des Forschers und reist ihm hinterher. Keine Kiste mit Büchern, wie der Meister selbst, sondern einen Notebook-Computer randvoll mit Darwins Tagebüchern und wissenschaftlichen Werken hat er dabei.
Auf Containerschiffen, Fischerkähnen und Luxuslinern logiert er, setzt sich in Pferdesättel und vertraut sich waghalsigen Busfahrern an. Quer über den Atlantik geht es, vorbei an den Kapverdischen Inseln bis nach Brasilien, hinunter nach Feuerland, rund ums Kap Hoorn, auf die Galápagos Inseln, bis nach Australien, Mauritius und Südafrika - eine Strecke, für die Darwin noch fünf Jahre brauchte. Der brach als jugendlicher Luftikus und angehender Theologe auf - und kehrte als scharf analysierender Naturforscher zurück, seine neue Theorie von der natürlichen Zuchtwahl durch Auslese im Gepäck, die das mythisch-religiöse Weltbild seiner Zeit aus den Angeln heben sollte und bis heute religiöse Gegenreaktionen hervorruft.
Schritt für Schritt nun folgt Neffe dem berühmten Forscher: Wo genau mag Darwin an Land gegangen sein? Wie erlebte der Engländer die Artenfülle der Tropen? An welcher Stelle beginnt er zu ahnen, wo zu erkunden, wann ist er seiner Sache sicher? Elegant lässt der Autor seine eigenen Beobachtungen mit den Reiseaufzeichnungen Darwins verschmelzen, beinahe nahtlos gehen die Empfindungen des modernen Reisenden über in die kursiv markierten Zitate Darwins.
Wie Darwin lernt auch Neffe Land und Leute kennen, plaudert mit Fischern, mit Viehtreibern, mit Naturkundlern, die den Weltreisenden damals wie heute mit offenen Armen empfangen. Dann wieder gibt es scharfe Brüche: Beschauliche Ortschaften sind zu gigantischen Molochen angewachsen, einstiger Naturreichtum hat sich in leer gefischte Meere und gerodete Brachen verwandelt.
Um den ganzen Darwin erzählen zu können - immerhin verbrachte der Forscher sein restliches Leben eingeigelt im Arbeitszimmer, weil er von einer Art andauernder Seekrankheit befallen war, über deren Natur sich die heutige Forschung nicht einig ist - muss Neffe Darwins Reiseroute gedanklich immer wieder verlassen und erzählen, was später geschah: Wie Darwin sich acht geschlagene Jahre in die Rankenfüßer vertiefte, bevor er seine Evolutionstheorie endlich zu Papier brachte. Wie er heiratete, Kinder zeugte und unter Tränen verlor. Wie er seine Grundidee ausbaute, berühmt wurde, Unterstützer fand und Widersacher.
Darwins Lebenslinien, sein komplexer werdendes Theoriegebäude, aktuelle Debatten wie jene um das "egoistische Gen" und die Freuden und Widrigkeiten seiner eigenen Reise vereint Neffe zu einem bunten und abwechslungsreichen Erzählstrom. Neffe philosophiert über Leben, Tod und Vergänglichkeit, Natur, Religion und die einfachen Leute. So anschaulich der Autor erzählen kann - streckenweise verblasst Darwin dabei. Und dann bleiben Aspekte an der Oberfläche, die sich genauer hätten beleuchten lassen: Soziobiologische und evolutionspsychologische Überinterpretationen der Evolutionslehre kritisiert Neffe - zu Recht, doch regt er sich mehr auf, als Argumente zu unterbreiten. An anderen Stellen huldigt der Autor dann selbst grabesschweren Gedanken vom ewigen Fressen und Gefressenwerden der Natur.
Da passt es, dass er Darwins "struggle for existence" noch immer mit "Kampf ums Überleben" übersetzt - dabei kritisierte schon Darwin selbst die martialische deutsche Wortwahl. Während Zitate und Quellen im Anhang aufgeführt sind, fehlt ein Sachregister - weshalb es ganz unmöglich ist, den Forscher Darwin mit Hilfe des Buches nachzubereiten. Im Buchtitel heißt es nicht von ungefähr "Abenteuer": Ein Buch mehr zum Genießen denn zum Studieren.
Rezensiert von Susanne Billig
Jürgen Neffe: Darwin - Das Abenteuer des Lebens
C. Bertelsmann Verlag, gebunden, 528 Seiten, 22,95 Euro
Als der Kapitän - Wochen später, bei immer noch schwerem Seegang - endlich den Anker lichtet, verbringt der Naturforscher in spe seine Zeit erst einmal über dem Spucknapf. Die Seekrankheit wird zu seiner beständigen Begleiterin: So richtig fit fürs Leben, dessen Entwicklungsgeschichte er mit seiner bahnbrechenden Theorie enthüllte, ist Charles Darwin nie gewesen.
Pünktlich zum Darwin-Jahr 2009 begibt sich der renommierte Journalist Jürgen Neffe in seinem neuen Buch "Darwin - Das Abenteuer des Lebens" auf die Spuren des Forschers und reist ihm hinterher. Keine Kiste mit Büchern, wie der Meister selbst, sondern einen Notebook-Computer randvoll mit Darwins Tagebüchern und wissenschaftlichen Werken hat er dabei.
Auf Containerschiffen, Fischerkähnen und Luxuslinern logiert er, setzt sich in Pferdesättel und vertraut sich waghalsigen Busfahrern an. Quer über den Atlantik geht es, vorbei an den Kapverdischen Inseln bis nach Brasilien, hinunter nach Feuerland, rund ums Kap Hoorn, auf die Galápagos Inseln, bis nach Australien, Mauritius und Südafrika - eine Strecke, für die Darwin noch fünf Jahre brauchte. Der brach als jugendlicher Luftikus und angehender Theologe auf - und kehrte als scharf analysierender Naturforscher zurück, seine neue Theorie von der natürlichen Zuchtwahl durch Auslese im Gepäck, die das mythisch-religiöse Weltbild seiner Zeit aus den Angeln heben sollte und bis heute religiöse Gegenreaktionen hervorruft.
Schritt für Schritt nun folgt Neffe dem berühmten Forscher: Wo genau mag Darwin an Land gegangen sein? Wie erlebte der Engländer die Artenfülle der Tropen? An welcher Stelle beginnt er zu ahnen, wo zu erkunden, wann ist er seiner Sache sicher? Elegant lässt der Autor seine eigenen Beobachtungen mit den Reiseaufzeichnungen Darwins verschmelzen, beinahe nahtlos gehen die Empfindungen des modernen Reisenden über in die kursiv markierten Zitate Darwins.
Wie Darwin lernt auch Neffe Land und Leute kennen, plaudert mit Fischern, mit Viehtreibern, mit Naturkundlern, die den Weltreisenden damals wie heute mit offenen Armen empfangen. Dann wieder gibt es scharfe Brüche: Beschauliche Ortschaften sind zu gigantischen Molochen angewachsen, einstiger Naturreichtum hat sich in leer gefischte Meere und gerodete Brachen verwandelt.
Um den ganzen Darwin erzählen zu können - immerhin verbrachte der Forscher sein restliches Leben eingeigelt im Arbeitszimmer, weil er von einer Art andauernder Seekrankheit befallen war, über deren Natur sich die heutige Forschung nicht einig ist - muss Neffe Darwins Reiseroute gedanklich immer wieder verlassen und erzählen, was später geschah: Wie Darwin sich acht geschlagene Jahre in die Rankenfüßer vertiefte, bevor er seine Evolutionstheorie endlich zu Papier brachte. Wie er heiratete, Kinder zeugte und unter Tränen verlor. Wie er seine Grundidee ausbaute, berühmt wurde, Unterstützer fand und Widersacher.
Darwins Lebenslinien, sein komplexer werdendes Theoriegebäude, aktuelle Debatten wie jene um das "egoistische Gen" und die Freuden und Widrigkeiten seiner eigenen Reise vereint Neffe zu einem bunten und abwechslungsreichen Erzählstrom. Neffe philosophiert über Leben, Tod und Vergänglichkeit, Natur, Religion und die einfachen Leute. So anschaulich der Autor erzählen kann - streckenweise verblasst Darwin dabei. Und dann bleiben Aspekte an der Oberfläche, die sich genauer hätten beleuchten lassen: Soziobiologische und evolutionspsychologische Überinterpretationen der Evolutionslehre kritisiert Neffe - zu Recht, doch regt er sich mehr auf, als Argumente zu unterbreiten. An anderen Stellen huldigt der Autor dann selbst grabesschweren Gedanken vom ewigen Fressen und Gefressenwerden der Natur.
Da passt es, dass er Darwins "struggle for existence" noch immer mit "Kampf ums Überleben" übersetzt - dabei kritisierte schon Darwin selbst die martialische deutsche Wortwahl. Während Zitate und Quellen im Anhang aufgeführt sind, fehlt ein Sachregister - weshalb es ganz unmöglich ist, den Forscher Darwin mit Hilfe des Buches nachzubereiten. Im Buchtitel heißt es nicht von ungefähr "Abenteuer": Ein Buch mehr zum Genießen denn zum Studieren.
Rezensiert von Susanne Billig
Jürgen Neffe: Darwin - Das Abenteuer des Lebens
C. Bertelsmann Verlag, gebunden, 528 Seiten, 22,95 Euro