Auf den Spuren der Meeressäuger

Von Peter Kaiser · 25.05.2013
Der Schweinswal ist die einzige Walart in der Ost- und Nordsee. Gefährdet werden die schwarz-weißen Säuger durch Fischernetze, Wasserverschmutzung und den Bau von Windkraftanlagen. Wie es den Tieren genau geht, haben Meeresbiologen jetzt mit einem großen Forschungsprojekt erkundet.
Verfuß: "Menschen können bis 20 Kilohertz hören, und Schweinswale produzieren Laute bei 130 Kilohertz. Also fast siebenmal so hoch wie das, was wir überhaupt hören können. Man muss sie hörbar machen, um sich vorstellen zu können, wie schnell diese Laute hintereinander kommen."

Der Schweinswal ist die einzige Walart in der Ost- und Nordsee, und wie seine großen Artgenossen ein Säugetier. Früher war der nur rund 1,80 große schwarze-weiße Kleinwal, der gerne Heringe und Makrelen frisst, weit verbreitet und zahlreich. Doch das ist schon 100 Jahre her. Wie es dem Schweinswal derzeit geht, wo er wandert und wie groß die Population ist, wollten Meeresbiologen der Ostseeanrainerstaaten genau wissen. Sie riefen daher vor zwei Jahren das Walforschungsprojekt SAMBAH ins Leben. Die Abkürzung steht für statisches akustisches Monitoring des Ostsee-Schweinswals.

Etwa 300 Unterwassermikrofone zeichneten die Klick-Laute der Tiere beim Vorbeischwimmen auf, und ermittelten so Daten zur Bestandsgröße und zu Wanderwegen. Jetzt geht das SAMBAH-Projekt in seine Schlussphase, erste Ergebnisse sind da. Jens Koblitz, Biologe am Deutschen Meeresmuseum in Stralsund und Mitarbeiter am SAMBAH-Projekt, sagt dazu:

"Jetzt, kurz vor Beendigung des SAMBAH-Projektes, können wir sagen, dass wir in der gesamten zentralen Ostsee, also östlich der Darßer Schwelle, das ist eine Linie nördlich vor Rostock, Schweinswale haben in dem ganzen Bereich. Das heißt, wir haben Registrierungen aus allen teilnehmenden Ländern, sogar in den ganzen nördlichen Gewässern von Finnland wurden Schweinswale registriert, wir haben Schweinswale vor Gotland, und wir haben Schweinswale, das war jetzt keine Überraschung, in deutschen Gewässern."

Vorher wusste man nicht genau, wo die Schweinswale sind, es gab nur Vermutungen. Ebenso wusste man auch wenig von den Wanderwegen der Tiere. Jetzt ist klar: Im Sommer wandern die Schweinswale aus der dänischen Ostsee, der Beltsee, in den gesamten Ostseeraum, im Winter schwimmen sie in die Beltsee zurück. Auch zum aktuellen Bestand gibt es neue Daten.

Koblitz: "In der zentralen Ostsee ist der Bestand sehr, sehr klein. Es wurden nur zwei Schweinswale gesichtet, nachdem viele 10.000 Kilometer geflogen worden sind. Es wurde daraufhin berechnet, dass in dem gesamten Gebiet, das untersucht wurde, etwa 93 Gruppen von Schweinswalen vorkommen. Man geht von etwa 180 bis 200 Tieren aus."
Eine zweite - weit größere - Gruppe von Scheinswalen wurde 2005 in der Beltsee gesichtet. Rund 11.000 bis 12.000 Tiere zählte man.

"Ein drastischer Rückgang um über 60 Prozent."
Die neuen Daten sind sowohl eine Grundlage für weitere Walforschungen, als auch Hintergrund für neu zu formulierende politische Entscheidungen. Denn es gibt sogenannte FFH-Gebiete in der Ostsee, abgekürzt bezeichnet das Fauna-Flora-Habitate...

"…die als sogenannte Schweinswal-Schutzgebiete auf dem Papier ausgewiesen worden sind. Das heißt, wir haben diese, wie sie blasphemisch heißen, sogenannte ‚Paper-Parks‘, also Naturschutzgebiete auf dem Papier, die auf der See aber noch keine greifende Umsetzung haben."

Diese Gebiete müssen tatsächlich und eben nicht nur auf dem Papier geschützt werden, forderte schon vor zwei Jahren Harald Benke, Walforscher und Geschäftsführer des Ozeaneums in Stralsund. Dabei sind vor allem jene Gebiete besonders schützenswert, in denen sich die Schweinswal-Muttertiere mit den Kälbern aufhalten. Vorbild dafür sind die Schutzgebiete in der Nordsee.

Benke: "”Vor Sylt ist ja das erste europäische Walschutzgebiet eingerichtet worden, das ist ein Schweinswalschutzgebiet. Und ähnliches wünschen wir uns für die Ostsee, wenn wir dann die sensiblen Gebiete kennen.""

Nun, nach zwei Jahren Monitoring, sind diese sensiblen Gebiete, nämlich in der dänischen Beltsee bekannt. Diese Kenntnis muss jetzt direkt vor Ort umgesetzt werden, etwa bei den Fischern, denn:

"Eine der größten Gefahren, nicht nur hier bei uns in der Ostsee, ist der Beifang in Stellnetzen."

Der Beifang, im Fachjargon Discard genannt, umschreibt recht verharmlosend das qualvolle Sterben der Schweinswale in den Stellnetzen der Fischer. Jens Koblitz vom Deutschen Meeresmuseum glaubt, dass die Stellnetzfischerei einer der Gründe ist für den Rückgang des Schweinswalbestandes seit 1943.

"Dass Schweinswale sich in den Fischernetzen verheddern, ertrinken, dann gibt es weitere anthropogene Einflüsse, wie Bau von Windenergieanlagen, verstärkten Schiffsverkehr, Wasserverschmutzung. Bis 1943 wurde in der Ostsee der Schweinswal sogar noch gejagt. Also bis dahin war sicherlich Jagd noch der Hauptreduktionsgrund."

Jetzt ist einerseits klar, wie viele Tiere es gibt, und wo sie wann sind. Andererseits ist damit aber auch klar, wie schützenswert dieser Walbestand ist.

Dass dieser Walschutz nicht umsonst ist, zeigt auch eine aktuelle Meldung, nach der sich Schweinswale in der letzten Zeit regelmäßig ins immer sauberer werdende Hamburger Hafenbecken verirren. Biologen interessieren sich jetzt dafür, wie die Tiere zwischen Containerschiffen und Touristenbooten leben.
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