Auf den Spuren der Landschaftsmaler

Von Suzanne Krause |
Der Wald von Fontainebleau, im Südosten von Paris gelegen, inspiriert Künstler aller Gattungen seit Jahrhunderten. Die in der Nähe gelegene Künstlerkolonie im Dorf Barbizon gilt als Wiege der naturalistischen französischen Landschaftsmalerei. Auf den Spuren der Künstler kann man nun im Departement Seine et Marne wandeln, zu dem der berühmte Wald gehört. So werden zahlreiche Ausstellungen und Themenausflüge in den Wald angeboten.
Im Atelier von Theodor Rousseau, einem der Hauptvertreter der so genannten Schule von Barbizon, herrscht Urwald-Atmosphäre. Die Wände der drei kleinen Ausstellungsräume zieren Fotos von Zauberwäldern. Naturalistische Blicke voller Intimität, die äußerst stimmungsvolle Details künstlerisch ins Bild bringen: hier ein kleiner Tümpel, dort eine Ansammlung knotig verwachsener Baumstämme, gegenüber eine Lichtung in kräftig-leuchtenden Herbstfarben, nebenan Impressionen aus einem dichten Unterholz. Nichts als unberührte Natur.

"Fotografien des ursprünglichen Waldes" hat Bernard Boisson seine poetische Ausstellung benannt. Seit 1990 spürt der Fotograf den letzten Urwäldern nach. Davon ist in Europa nur noch ein Rest zu finden, an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland. Aufnahmen von dort wie auch von dem Urwuchs überlassenen Waldstücken aus Fontainebleau, aus dem Jura und von Korsika bestücken nun die Ausstellung in Barbizon. Eines seiner Lieblingswerke, im Großformat auf eine Alu-Platte aufgezogen, entstand im Naturpark der Vogesen, schildert Bernard Boisson:

"Der Blick wird im Vordergrund angezogen von einem großen Baumstamm, der am Boden liegt. Der gefallene Riese ist über und über mit Schwämmen und buntem Moos bewachsen. Das zeigt schon, was einen ursprünglichen, natürlichen Wald ausmacht: die biologische Vielfalt des Lebens. Was für mich aber noch mehr zählt, ist die Stimmung, die ich eingefangen habe. Der umgefallene Baum im Vordergrund dient als Fluchtlinie für eine tiefer reichende Perspektive. Er lenkt den Blick auf den Rest des Waldes dahinter, der in Nebelschwaden verschwindet."

Bernard Boisson gelingt es, den Betrachter ganz in den Bann zu ziehen. Ihm das Gefühl zu vermitteln, das laut dem Künstler typisch ist für solche ursprünglichen Wälder:

"Man hat den Eindruck, an einem verwunschenen Ort zu sein. Auch wenn uns die Baumarten vertraut sind - in unseren von Menschenhand angelegten Wäldern sind wir es nicht mehr gewohnt, alle Etappen des natürlichen Lebenszyklus' nebeneinander zu sehen. Dies erweckt auch den Eindruck von etwas Geheimnisvollem. Nirgendwo lassen sich Spuren von menschlichem Leben entdecken. Die Welt, die man hier sieht, hat sich selbst erschaffen. Überall sonst hat der Mensch der Natur seinen Stempel aufgedrückt. In diesen ursprünglichen Wäldern hingegen wird der Betrachter wirklich auf das Geheimnis des Lebens zurückgeworfen, es ertränkt ihn geradezu."

Die Hymne an den Wald und die Zeitlosigkeit, die sich in seinen Fotografien ausdrückt, beides hat Boisson gemein mit den Malern der Barbizon-Schule. Deren Schaffen ist ganzjährig im benachbarten Museum zu bewundern. In der ehemaligen Herberge der Familie Ganne: Hier fanden Mitte des 19. Jahrhunderts unzählige Künstler ein warmes Essen, ein Bett und rustikal-familiäre Gastfreundschaft. Mancher drückte seinen Dank direkt mit einem auf die Wand gemalten Bild aus, die frühere Atmosphäre ist noch spürbar.

Eine etwas ungewöhnlichere Hommage an den Wald von Fontainebleau ist einige Kilometer weiter, in Vulaines-sur-Seine, zu entdecken. Genauer: im bescheidenen Landsitz des Dichters Stéphane Mallarmé, in dem er häufig seine Pariser Künstlerfreunde, Impressionisten und andere, empfing. Das Haus, heute Museum, präsentiert bis zum 30. Juli eine Ausstellung rund um das von Mallarmé verfasste Lied "Carrefour des Demoiselles". Die Inspiration dazu fand der junge Poet bei einem Spaziergang durch den Wald von Fontainebleau im Mai 1862. Das Lied wurde zum Klassiker, der Heerscharen galanter Ausflügler anziehen sollte, erläutert Kurator Hervé Joubeaux:

"Damals wohnte Mallarmé noch nicht in der Region. Aber zweifelsohne war dieser Spaziergang ein sehr wichtiger Moment in seinem Leben, denn dabei kam er erstmals in Kontakt mit vielen Pariser Intellektuellen, die später seine Freunde werden sollten. Und dieser Spaziergang erweckte wohl auch in ihm den Wunsch, hier einmal ein Haus zu kaufen. In der Ausstellung zeigen wir, wer ihn alles an dem Tag begleitete und welch tragisches Schicksal manchen dieser Freunde später ereilte. Deutlich wird, wie wichtig dieser Tag für Mallarmés Leben und für sein ganzes Werk war."

Den Wald von Fontainebleau feiert vor allem seine gleichnamige heimliche Hauptstadt, der ehemalige Königssitz. Zwischen Mitte Mai und Ende Juni sind zahllose Aktivitäten geplant, von Konzerten über Künstler-Workshops bis zu Themen-Ausflügen, alles im Wald. Das örtliche Museum hingegen zeigt ab Ende Juni bis zum Herbst, wie in den letzten zwei Jahrhunderten im Schloss und im Wald von Fontainebleau der Tourismus erfunden und eingeführt wurde.

Eine Zeitreise will auch das Museum im benachbarten Melun ab Mitte Mai ermöglichen: zum einen werden zahlreiche Werke von Armand Cassagne gezeigt, der Mitte des 19. Jahrhunderts, 35 Jahre lang, den berühmten Wald in Aquarell und Öl porträtierte. Jedes historische Gemälde wird flankiert von einem aktuellen Foto des Ortes. Und dazu werden Führungen im Wald angeboten. Christelle Longrenet begleitet die Besucher beispielsweise zu einem der bekanntesten Motive nahe dem Künstlerdorf Barbizon:

"Vor uns erhebt sich eine chaotische Ansammlung von Granitbrocken, die scheinbar natürlichen Ursprungs ist. Tatsächlich aber haben die Maler die Brocken herangeschleppt und damit Landschaften, schöne Perspektiven gewissermaßen, selbst erbaut. Damals stand hier noch kein Wald, es gab nur einzelne Bäume. So mussten sie sich anstrengen, um ihre beeindruckenden Felschaos-Motive vor ein, zwei Bäumen anzusiedeln. Das Beispiel zeigt das künstlerische Schaffen rund um Barbizon historisch in einem anderen Licht."

Service:
Weitere Informationen zu den Ausstellungen finden sich auf der offiziellen Tourismus-Site des Departement Seine et Marne.