Auf Bühnenbrettern hinter Gittern
Im Frauengefängnis Berlin-Lichtenberg können die Insassen Theater spielen und an Zeichenkursen teilnehmen. Das gibt ihnen die Möglichkeit, Selbstvertrauen zu lernen. "Ich habe mich frei gefühlt in dem Moment", sagt Franni, die im Knast bei einem Film-Dreh mitgemacht hat.
Ein beiges Altbauhaus aus der Zeit Anfang des 20.Jahrhunderts – es liegt in einem unwirtlichen Viertel im Berliner Osten – nicht weit entfernt von der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße. Innen wirkt jedoch alles hell und freundlich, fast wie ein einem Schullandheim oder einem Jugendclub.
Allerdings: Ohne Schlüssel geht hier gar nichts. Die Besucher müssen durch zahlreiche Sicherungstüren. Schließlich kommen sie in die Bibliothek, etwa 40 Quadratmeter groß.
Rund drei Dutzend junge Frauen haben sich hier eingefunden. Das sind etwa die Hälfte der Insassen, die in der Justizvollzugsanstalt leben. Die meisten sind hier wegen Drogendelikten. Eine von ihnen ist Franni, ein Punk mit großen dunklen Augen – sie ist etwa Ende zwanzig – und muss hier noch einige Jahre verbringen. Sie ist kulturinteressiert, erzählt sie, und hat auch schon in einem Film mitgespielt, der im Gefängnis gedreht wurde:
"Ich habe mich frei gefühlt in dem Moment, sagen wir es mal so. Völlig ausgeblendet, das Knastsein. Und künstlerisch sowieso, denn ich male sehr viel, zeichne sehr viel, mit Musik, ich spiele Violine selber, ich würde viel, viel mehr machen wollen. Ich finde das traurig, dass die das beenden müssen, durch die Sponsoren haut das alles nicht so hin, schade."
"Die", das ist der Verein "minor", der in einem von der Klassenlotterie und der Bundeszentrale für politische Bildung Kunst, Kultur, Theater und Film in Gefängnisse bringt. Gestern Abend war eine dieser Aktivitäten die Vorführung des Films "Cäsar muss sterben".
Der Film, der im Hochsicherheitsgefängnis Rebibbia bei Neapel gedreht wurde, zeigt die Aufführung einer Theatertruppe, die nur aus Gefängnisinsassen besteht. Die geballte virile Kraft der Darsteller, eine unbändige Lust am Spielen und eine ungemeine Authentizität machen den Film so sehenswert.
Das Ende der Geschichte ist bekannt: Brutus, ehemals engster Vertrauter Cäsars, wählt den Freitod und stürzt sich in sein eigenes Schwert, woraufhin er von Mark Anton als einzig ehrenwerter Angehöriger der Verschwörung gewürdigt wird.
Während der Vorführung tuscheln die jungen Frauen – vor allem als am Anfang des Films eingeblendet wird, wie lange die italienischen Gefangenen sitzen, geht ein erstauntes Raunen durch den Raum: 14 Jahre, 15 Jahre, 17 Jahre – Drogendelikte werden in Italien offenbar deutlich härter bestraft, als bei uns. Mitten im Film gehen einige Frauen aus dem Saal – sie müssen pünktlich ihre Medikamente einnehmen, manche sind noch immer drogenabhängig. Hinterher wird diskutiert. Vor allem die Glaubwürdigkeit der Darsteller beeindrucken die Frauen: Eine von ihnen findet:
"Das Engagement und die Leidenschaft von den Darsteller spürt. Und dass es auf jeden Fall ein wichtiger Teil von ihnen ist, sich auch darzustellen. Und das in der Außenwelt zum Ausdruck zu bringen."
Eine andere junge Frau berührt vor allem der Schluss des Films: Ein Darsteller sagt: "Seitdem ich die Kunst kennengelernt habe, ist die Zelle ein Gefängnis für mich" – gewissermaßen der zentrale Satz des Films:
"Gerade was Monströses auf die Beine gestellt zu haben und dann doch wieder in meiner eigenen Realität anzukommen und das was er auch sagte, seitdem er weiß, was Kunst ist, ist seine Zelle ein Gefängnis, das finde ich sehr passend. Ich kann schon was mit der Geschichte anfangen, mir ist das schon ein Begriff, und das jetzt mal so dargestellt zu sehen, war auf jeden Fall interessant."
Kunst und Kultur in die Gefängnisse zu bringen, das hat sich der Verein "minor" auf die Fahne geschrieben, und führt mit den Gefangenen kleine Theaterstücke und bietet Zeichenkurse an. Elisabeth Hoffmann von "minor" meint, dass der geschützte Raum eines Theaterprojekts, das Improvisieren, den Gefangenen die Möglichkeit gibt, Selbstvertrauen zu lernen – das sei enorm wichtig im oft tristen Alltag. Danach gefragt, wie realistisch der Film der Taviani-Brüder "Cesar muss sterben" sei, meint Elisabeth Hoffman, derlei außergewöhnlich gute Darstellerleistungen habe sie auch schon in Berliner Gefängnissen erlebt:
"Gerade durch das Nicht-Vorgeben, sondern die eigene Entwicklung und das es ihr eigenes Material ist, was sie zeigen, habe ich da schon mehrere Beispiele gesehen von Leuten, was so authentisch war, aber trotzdem von der schauspielerischen Leistung Wahnsinn, also wir hatten mal einen Trainer, der war auch an der Hochschule für Theater und der hat gesagt, der müsste mal seine Studenten mitbringen, damit man sieht, wie man Theater spielt. Ganz oft begegnen uns Leute, dass es immer authentisch ist, wie sie handeln und wie sie sind, dass sich da soviel entwickelt, dass man ganz erstaunt ist."
Und doch: Jedes Kulturprojekt muss aufwändig genehmigt werden bei den Behörden, den Gefängnissen – einfach mal so einen Film zeigen, ein Theaterstück inszenieren – das geht nicht. Und dennoch: Die jungen Frauen der JVA Lichtenberg hoffen auf weitere Projekte dieser Art – vielleicht auch mal auf eine weibliche Version von "Julius Cäsar" von William Shakespeare.
Allerdings: Ohne Schlüssel geht hier gar nichts. Die Besucher müssen durch zahlreiche Sicherungstüren. Schließlich kommen sie in die Bibliothek, etwa 40 Quadratmeter groß.
Rund drei Dutzend junge Frauen haben sich hier eingefunden. Das sind etwa die Hälfte der Insassen, die in der Justizvollzugsanstalt leben. Die meisten sind hier wegen Drogendelikten. Eine von ihnen ist Franni, ein Punk mit großen dunklen Augen – sie ist etwa Ende zwanzig – und muss hier noch einige Jahre verbringen. Sie ist kulturinteressiert, erzählt sie, und hat auch schon in einem Film mitgespielt, der im Gefängnis gedreht wurde:
"Ich habe mich frei gefühlt in dem Moment, sagen wir es mal so. Völlig ausgeblendet, das Knastsein. Und künstlerisch sowieso, denn ich male sehr viel, zeichne sehr viel, mit Musik, ich spiele Violine selber, ich würde viel, viel mehr machen wollen. Ich finde das traurig, dass die das beenden müssen, durch die Sponsoren haut das alles nicht so hin, schade."
"Die", das ist der Verein "minor", der in einem von der Klassenlotterie und der Bundeszentrale für politische Bildung Kunst, Kultur, Theater und Film in Gefängnisse bringt. Gestern Abend war eine dieser Aktivitäten die Vorführung des Films "Cäsar muss sterben".
Der Film, der im Hochsicherheitsgefängnis Rebibbia bei Neapel gedreht wurde, zeigt die Aufführung einer Theatertruppe, die nur aus Gefängnisinsassen besteht. Die geballte virile Kraft der Darsteller, eine unbändige Lust am Spielen und eine ungemeine Authentizität machen den Film so sehenswert.
Das Ende der Geschichte ist bekannt: Brutus, ehemals engster Vertrauter Cäsars, wählt den Freitod und stürzt sich in sein eigenes Schwert, woraufhin er von Mark Anton als einzig ehrenwerter Angehöriger der Verschwörung gewürdigt wird.
Während der Vorführung tuscheln die jungen Frauen – vor allem als am Anfang des Films eingeblendet wird, wie lange die italienischen Gefangenen sitzen, geht ein erstauntes Raunen durch den Raum: 14 Jahre, 15 Jahre, 17 Jahre – Drogendelikte werden in Italien offenbar deutlich härter bestraft, als bei uns. Mitten im Film gehen einige Frauen aus dem Saal – sie müssen pünktlich ihre Medikamente einnehmen, manche sind noch immer drogenabhängig. Hinterher wird diskutiert. Vor allem die Glaubwürdigkeit der Darsteller beeindrucken die Frauen: Eine von ihnen findet:
"Das Engagement und die Leidenschaft von den Darsteller spürt. Und dass es auf jeden Fall ein wichtiger Teil von ihnen ist, sich auch darzustellen. Und das in der Außenwelt zum Ausdruck zu bringen."
Eine andere junge Frau berührt vor allem der Schluss des Films: Ein Darsteller sagt: "Seitdem ich die Kunst kennengelernt habe, ist die Zelle ein Gefängnis für mich" – gewissermaßen der zentrale Satz des Films:
"Gerade was Monströses auf die Beine gestellt zu haben und dann doch wieder in meiner eigenen Realität anzukommen und das was er auch sagte, seitdem er weiß, was Kunst ist, ist seine Zelle ein Gefängnis, das finde ich sehr passend. Ich kann schon was mit der Geschichte anfangen, mir ist das schon ein Begriff, und das jetzt mal so dargestellt zu sehen, war auf jeden Fall interessant."
Kunst und Kultur in die Gefängnisse zu bringen, das hat sich der Verein "minor" auf die Fahne geschrieben, und führt mit den Gefangenen kleine Theaterstücke und bietet Zeichenkurse an. Elisabeth Hoffmann von "minor" meint, dass der geschützte Raum eines Theaterprojekts, das Improvisieren, den Gefangenen die Möglichkeit gibt, Selbstvertrauen zu lernen – das sei enorm wichtig im oft tristen Alltag. Danach gefragt, wie realistisch der Film der Taviani-Brüder "Cesar muss sterben" sei, meint Elisabeth Hoffman, derlei außergewöhnlich gute Darstellerleistungen habe sie auch schon in Berliner Gefängnissen erlebt:
"Gerade durch das Nicht-Vorgeben, sondern die eigene Entwicklung und das es ihr eigenes Material ist, was sie zeigen, habe ich da schon mehrere Beispiele gesehen von Leuten, was so authentisch war, aber trotzdem von der schauspielerischen Leistung Wahnsinn, also wir hatten mal einen Trainer, der war auch an der Hochschule für Theater und der hat gesagt, der müsste mal seine Studenten mitbringen, damit man sieht, wie man Theater spielt. Ganz oft begegnen uns Leute, dass es immer authentisch ist, wie sie handeln und wie sie sind, dass sich da soviel entwickelt, dass man ganz erstaunt ist."
Und doch: Jedes Kulturprojekt muss aufwändig genehmigt werden bei den Behörden, den Gefängnissen – einfach mal so einen Film zeigen, ein Theaterstück inszenieren – das geht nicht. Und dennoch: Die jungen Frauen der JVA Lichtenberg hoffen auf weitere Projekte dieser Art – vielleicht auch mal auf eine weibliche Version von "Julius Cäsar" von William Shakespeare.