Auf Achterbahnfahrt durch menschliche Abgründe
Für ihr gut verkauftes Debüt "Furchtbar lieb" bekam Helen FitzGerald viel Lob. Jetzt nimmt Protagonistin Krissie einen Job als Sozialarbeiterin im Gefängnis an. Das bringt ihr Leben gründlich durcheinander - und sie und ihre Liebsten in Gefahr.
In Helen FitzGeralds Büchern geht es rasant zu. Nach ihrem viel gelobten und gut verkauften Debüt "Furchtbar lieb" schickt die in Schottland lebende Australierin ihre Protagonistin Krissie Donald nun ein zweites Mal auf Achterbahnfahrt durch die Untiefen allgemein menschlicher Abgründe. Wie das Leben selbst kennt Helen FitzGerald auch diesmal weder Rücksicht noch Tabus. Nach dem dramatischen Tod ihrer besten Freundin, siehe "Furchtbar lieb", nimmt Krissie, Anfang 30, Mutter eines kleinen Jungen und einigermaßen glücklich liiert, jetzt einen Job als Sozialarbeiterin im Gefängnis an. Der bringt ihr Leben gründlich durcheinander, nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Liebsten in Gefahr und die Beziehung an ihre Grenzen und weit darüber hinaus. Das Paralleluniversum Knast geht mit Krissies Mangel an professioneller Distanz und einem Hang zur Gutgläubigkeit eine unheilvoll explosive Mischung ein, die Helen FitzGerald genüsslich ein ums andere Mal krachend explodieren lässt.
Es beginnt als von tiefer Menschenkenntnis getragene Milieustudie. Pointiert, zynisch, witzig werden Kolleginnen und Kollegen im Büro, Befragungen von Verurteilten und Verdächtigen und die bizarre Atmosphäre hinter Gittern skizziert. Das alles zehrt rasch an Krissies Nerven. Zu Hause stellt sich auch keine richtige Entspannung ein, will das Kind umsorgt sein, und der Lebensgefährte, ein Künstler, verschwindet nächtelang in seinem Atelier. Er steht vor einer alles entscheidenden Vernissage. In Krissies Fantasie vertreibt er sich die Zeit mit irgendwelchen Mädchen, während sie den ersten ihr zugeteilten Fall weit über das Verlangte und, wie sich bald zeigt, auch über das Gebotene hinaus verfolgt. Unversehens wandelt sich der Plot zu einem klassischen Whodonnit, um schließlich in Thrillermanier einem dramatischen Ende entgegenzujagen.
Helen FitzGerald beherrscht das, was man gemeinhin den angelsächsischen Erzählstil nennt. Sie ist schnell, ironisch, voll tiefer Wahrheit, bös, klug und spitz. Das gibt der Geschichte Geschwindigkeit und einen eigenen Stil. Es befördert allerdings auch eine gewisse Distanz der Erzählerin zu ihren Figuren und zu dem, was sie erleben, hier meistens eher erleiden. Doch FitzGerald geht es weniger um das Auskosten dichter Atmosphären oder das Ausloten tiefer Gefühle als um Unterhaltung, Spannung, Überraschung. Ihre Psychologie ist eine des Wiedererkennens, und sei es im Klischee. Das erlaubt eine straffe Plotführung und atemberaubende Wendungen. Dabei ist FitzGerald am besten, wenn sie nicht zielstrebig einer Konstruktion hinterherjagt, Indizien streut und Scheinlösungen inszeniert, sondern Milieus zeichnet und ihre Figuren aberwitzig erscheinenden Begegnungen aussetzt, immer schonungslos, voller bestürzender Details und auf den Punkt. Aber sie kann eben auch anders. Und so schraubt sich das Finale zu einer Art Social-Horror-Splatter-Show, die bis zum Schluss zahlreiche Überraschungen bereithält, böse, aber dann doch auch noch gute.
Besprochen von Hans von Trotha
Helen FitzGerald: Letzte Beichte
Aus dem Englischen von Steffen Jacobs
Galiani, Berlin 2011
256 Seiten, 14,99 Euro
Es beginnt als von tiefer Menschenkenntnis getragene Milieustudie. Pointiert, zynisch, witzig werden Kolleginnen und Kollegen im Büro, Befragungen von Verurteilten und Verdächtigen und die bizarre Atmosphäre hinter Gittern skizziert. Das alles zehrt rasch an Krissies Nerven. Zu Hause stellt sich auch keine richtige Entspannung ein, will das Kind umsorgt sein, und der Lebensgefährte, ein Künstler, verschwindet nächtelang in seinem Atelier. Er steht vor einer alles entscheidenden Vernissage. In Krissies Fantasie vertreibt er sich die Zeit mit irgendwelchen Mädchen, während sie den ersten ihr zugeteilten Fall weit über das Verlangte und, wie sich bald zeigt, auch über das Gebotene hinaus verfolgt. Unversehens wandelt sich der Plot zu einem klassischen Whodonnit, um schließlich in Thrillermanier einem dramatischen Ende entgegenzujagen.
Helen FitzGerald beherrscht das, was man gemeinhin den angelsächsischen Erzählstil nennt. Sie ist schnell, ironisch, voll tiefer Wahrheit, bös, klug und spitz. Das gibt der Geschichte Geschwindigkeit und einen eigenen Stil. Es befördert allerdings auch eine gewisse Distanz der Erzählerin zu ihren Figuren und zu dem, was sie erleben, hier meistens eher erleiden. Doch FitzGerald geht es weniger um das Auskosten dichter Atmosphären oder das Ausloten tiefer Gefühle als um Unterhaltung, Spannung, Überraschung. Ihre Psychologie ist eine des Wiedererkennens, und sei es im Klischee. Das erlaubt eine straffe Plotführung und atemberaubende Wendungen. Dabei ist FitzGerald am besten, wenn sie nicht zielstrebig einer Konstruktion hinterherjagt, Indizien streut und Scheinlösungen inszeniert, sondern Milieus zeichnet und ihre Figuren aberwitzig erscheinenden Begegnungen aussetzt, immer schonungslos, voller bestürzender Details und auf den Punkt. Aber sie kann eben auch anders. Und so schraubt sich das Finale zu einer Art Social-Horror-Splatter-Show, die bis zum Schluss zahlreiche Überraschungen bereithält, böse, aber dann doch auch noch gute.
Besprochen von Hans von Trotha
Helen FitzGerald: Letzte Beichte
Aus dem Englischen von Steffen Jacobs
Galiani, Berlin 2011
256 Seiten, 14,99 Euro