"Auch Nordkorea will einen Schlussstrich ziehen"
Werner Kamppeter, der Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul, hat die Friedenserklärung zwischen Nord- und Südkorea positiv bewertet. Sie sei viel mehr, "als nur schöne Worte und Absichtserklärungen", sagte Kamppeter im Deutschlandradio Kultur. Schon die Vorgängerregierung des jetzigen südkoreanischen Präsidenten Roh Moo Hyun habe eine entsprechende Politik verfolgt.
Hans-Joachim Wiese: Im Jahr 18 nach dem Mauerfall ist die deutsche Einheit für die allermeisten Menschen hierzulande alltägliche Normalität, das hat der gestrige Tag der Einheit erneut bewiesen. Die Probleme, die es dennoch zwischen West- und Ostdeutschen gibt, die möchten die Menschen im geteilten Korea vermutlich gerne haben.
Nord- und Südkorea befinden sich auch 54 Jahre nach Ende des Koreakriegs noch immer im Kriegszustand. Die Staatschefs der beiden Länder, Kim und No, haben jetzt immerhin vereinbart, eine dauerhafte Friedensordnung zu schaffen.
In Seoul am Telefon ist Werner Kamppeter, er ist Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Hauptstadt Südkoreas. Herr Kamppeter, was ist von der Vereinbarung der beiden Staatschefs zu halten? Beinhaltet sie mehr als nur schöne Worte und Absichtserklärungen?
Werner Kamppeter: Es ist ganz sicher so, dass es viel mehr ist, als nur schöne Worte und Absichtserklärungen. Die Regierung von Kim Dae Jung, also vor dem jetzigen Präsidenten Roh Moo Hyun, hatte die Sonnenscheinpolitik damals initiiert, die dann durch Roh Moo Hyun in der Form der Engagementpolitik, also Entspannungspolitik, fortgesetzt wurde.
Man kam mit dieser Politik nicht so recht weiter, denn mit der Regierung Bush wurde der vorherige Kurs der Regierung Clinton umgedreht, und Clinton stand zum Ende seiner Amtszeit kurz davor, diplomatische Beziehungen - volle diplomatische Beziehungen - zu Nordkorea aufzunehmen.
Madeleine Albright war damals in Nordkorea, hat mehrere Stunden lang Gespräche geführt mit Kim Jong Il und war, wie sie dann öffentlich bekannt gab, auch sehr beeindruckt von seiner Intelligenz, seiner Scharfsinnigkeit und von seiner Informiertheit über die Welt und meinte, man könne Pferde mit ihm stehlen.
Dieser ganze Prozess kam dann ins Stocken durch die neue Linie der Politik der Regierung Bush in Washington. Nordkorea wurde in die Reihe der Länder der Achse des Bösen eingeordnet, und die Hardliner, wie wir alle wissen, dominierten in den USA, und man kam nicht weiter. Kim Dae Jung fuhr nach Washington, kriegte eine Abfuhr, war maßlos enttäuscht, wie gesagt, man kam nicht weiter.
In letzter Zeit, im letzten Jahr, haben die USA ihre Politik über Nordkorea dann radikal verändert, aus der Konfrontations-, Eskalationspolitik wurde Entspannungs-, Engagementpolitik, und das hat natürlich die Aussichten einer südnordkoreanischen Verständigung ganz erheblich gebessert.
Wiese: Herr Kamppeter, das waren ja teilweise bizarre Szenen, die uns da während des Roh-Besuchs aus Pjöngjang erreichten mit den an stalinistische Zeiten erinnernden Massenaufmärschen und dem ganzen Pomp.
Das alles vor dem Hintergrund der Tatsache, dass weite Teile der Bevölkerung Nordkoreas Hunger leiden und dass Land wirtschaftlich am Boden liegt. Besteht nicht die Gefahr, dass das Entgegenkommen Nordkoreas doch nur taktischer Natur ist?
Kamppeter: Das glaube ich nicht. Nordkoreas Interesse liegt eigentlich, wenn man die Geschichte verfolgt, seit, sagen wir, 1970 ungefähr, wo es die ersten Treffen gab - mit Unterbrechungen, es war auch nicht immer so ganz klar, die nordkoreanische Linie -, aber insbesondere seit den 90er Jahren, als der alte Kim Il Sung noch lebte, war es schon Ziel der nordkoreanischen Politik - was weiter im Ausland missverstanden oder nie richtig verstanden oder kaum richtig verstanden wurde -, eigentlich ein Alliierter der USA zu werden und endlich hier einen Schlussstrich zu ziehen unter dem Koreakrieg. Es gibt ja bisher nur einen Waffenstillstand.
Die grundsätzliche Linie Nordkoreas war eben, wie ein Verbündeter der USA zu werden, weil man zu sehr in Abhängigkeit von China geraten war. Geostrategisch versucht man als kleines Land zwischen Großmächten - früher war das China und Russland, jetzt ist das eben China und die USA - zu lavieren, um doch selber einmal die Unabhängigkeit und andererseits auch Wirtschaftshilfe und andere Unterstützung von den Großmächten zu bekommen.
Wiese: Wie bewerten Sie denn vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, die Bereitschaft Nordkoreas, sein Atomprogramm zu beenden und seine Atomanlagen bis Jahresende abzubauen? Das ist ja jetzt auch, in Peking allerdings, vereinbart worden. Ist das nur eine Folge des internationalen Drucks oder auch tatsächlich Einsicht?
Kamppeter: Das ist nicht mal Einsicht, sondern das war erklärte Absicht, also, so wird das in Südkorea jedenfalls gesehen unter Experten, dass der Atomtest und die Raketentests im letzten Jahr, dass das eigentlich nur ein Pokerspiel war, das heißt, man wollte die USA an den Verhandlungstisch bringen.
Um natürlich das aufzugeben, denn die Atomkarte, die Nuklearkarte war die einzige Karte, die wirkungsvoll gegen die USA gespielt werden konnte, aber nicht gegen die USA in dem Sinne, um sie zu brüskieren, sondern um sie an den Verhandlungstisch zu bekommen und eben, wie gesagt, möglichst ein Alliierter der USA zu werden.
Wiese: Herr Kamppeter, gestern feierten wir den Tag der Deutschen Einheit, 18 Jahre nach dem Mauerfall ist die Einheit weitgehend Normalität für die Menschen hierzulande. Welche Bedeutung hat die Einheit für die koreanische Bevölkerung? Glaubt sie daran? Ist Deutschland da eventuell sogar ein Vorbild?
Kamppeter: Deutschland ist sicherlich Vorbild. Sie müssen sehen, dass die Teilung des Landes hier zustande gekommen ist natürlich auch nach dem Zweiten Weltkrieg, aber dass Korea an sich natürlich vollkommen schuldlos war, dass es geteilt wurde. Dass Deutschland geteilt wurde, ist irgendwo immer noch nachvollziehbar. Korea war japanische Kolonie und wurde nach den USA, im Wesentlichen durch einen Beschluss in Washington, wo man den 38. Breitengrad dann mehr oder weniger willkürlich als Grenze zog, und unter der Hinnahme der Sowjetunion, die dagegen nichts weiter unternahm, wurde das Land geteilt.
Aber eigentlich hatte das Land ja nichts verbrochen an sich, und man freute sich auf die Unabhängigkeit und stellte dann fest, dass man geteilt worden war. Und diese Teilung in einem Land, das seit mehr als 1000 Jahren geeint war, ist natürlich etwas, was nicht leicht zu schlucken ist.
Das heißt, der tiefste Wunsch sicherlich aller Koreaner, in Nord- wie Südkorea, ist natürlich die Wiedervereinigung. Jetzt hat man aus dem deutschen Fall gelernt, dass das ein sehr teures Unterfangen werden kann, und das hat den Enthusiasmus sicherlich etwas gebremst. Wenn man also fragt, wie weit die Leute bereit sind, Opfer zu bringen für die Einigung, dann ist man eher vorsichtig, dann würde die Hälfte doch sagen, ja, ja, machen wir schon. Wenn man aber fragt, ob sie die Einigung wollen, dann sind so gut wie alle dafür.
Und die Entspannungspolitik von Kim Dae Chung und von dem jetzigen Präsidenten Roh Moo Hyun wird eigentlich auch von breitesten Teilen in der Bevölkerung unterstützt. Selbst nach dem Atomtest im letzten Jahr gab es sofort Umfragen, und 80 Prozent der Koreaner sagten, natürlich setzen wir die Entspannungspolitik fort. Weil sie natürlich verstanden, dass das Ganze nur ein taktisches Manöver war. Nordkorea kann natürlich niemals im Traum daran denken, eine Atommacht zu werden.
Nord- und Südkorea befinden sich auch 54 Jahre nach Ende des Koreakriegs noch immer im Kriegszustand. Die Staatschefs der beiden Länder, Kim und No, haben jetzt immerhin vereinbart, eine dauerhafte Friedensordnung zu schaffen.
In Seoul am Telefon ist Werner Kamppeter, er ist Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Hauptstadt Südkoreas. Herr Kamppeter, was ist von der Vereinbarung der beiden Staatschefs zu halten? Beinhaltet sie mehr als nur schöne Worte und Absichtserklärungen?
Werner Kamppeter: Es ist ganz sicher so, dass es viel mehr ist, als nur schöne Worte und Absichtserklärungen. Die Regierung von Kim Dae Jung, also vor dem jetzigen Präsidenten Roh Moo Hyun, hatte die Sonnenscheinpolitik damals initiiert, die dann durch Roh Moo Hyun in der Form der Engagementpolitik, also Entspannungspolitik, fortgesetzt wurde.
Man kam mit dieser Politik nicht so recht weiter, denn mit der Regierung Bush wurde der vorherige Kurs der Regierung Clinton umgedreht, und Clinton stand zum Ende seiner Amtszeit kurz davor, diplomatische Beziehungen - volle diplomatische Beziehungen - zu Nordkorea aufzunehmen.
Madeleine Albright war damals in Nordkorea, hat mehrere Stunden lang Gespräche geführt mit Kim Jong Il und war, wie sie dann öffentlich bekannt gab, auch sehr beeindruckt von seiner Intelligenz, seiner Scharfsinnigkeit und von seiner Informiertheit über die Welt und meinte, man könne Pferde mit ihm stehlen.
Dieser ganze Prozess kam dann ins Stocken durch die neue Linie der Politik der Regierung Bush in Washington. Nordkorea wurde in die Reihe der Länder der Achse des Bösen eingeordnet, und die Hardliner, wie wir alle wissen, dominierten in den USA, und man kam nicht weiter. Kim Dae Jung fuhr nach Washington, kriegte eine Abfuhr, war maßlos enttäuscht, wie gesagt, man kam nicht weiter.
In letzter Zeit, im letzten Jahr, haben die USA ihre Politik über Nordkorea dann radikal verändert, aus der Konfrontations-, Eskalationspolitik wurde Entspannungs-, Engagementpolitik, und das hat natürlich die Aussichten einer südnordkoreanischen Verständigung ganz erheblich gebessert.
Wiese: Herr Kamppeter, das waren ja teilweise bizarre Szenen, die uns da während des Roh-Besuchs aus Pjöngjang erreichten mit den an stalinistische Zeiten erinnernden Massenaufmärschen und dem ganzen Pomp.
Das alles vor dem Hintergrund der Tatsache, dass weite Teile der Bevölkerung Nordkoreas Hunger leiden und dass Land wirtschaftlich am Boden liegt. Besteht nicht die Gefahr, dass das Entgegenkommen Nordkoreas doch nur taktischer Natur ist?
Kamppeter: Das glaube ich nicht. Nordkoreas Interesse liegt eigentlich, wenn man die Geschichte verfolgt, seit, sagen wir, 1970 ungefähr, wo es die ersten Treffen gab - mit Unterbrechungen, es war auch nicht immer so ganz klar, die nordkoreanische Linie -, aber insbesondere seit den 90er Jahren, als der alte Kim Il Sung noch lebte, war es schon Ziel der nordkoreanischen Politik - was weiter im Ausland missverstanden oder nie richtig verstanden oder kaum richtig verstanden wurde -, eigentlich ein Alliierter der USA zu werden und endlich hier einen Schlussstrich zu ziehen unter dem Koreakrieg. Es gibt ja bisher nur einen Waffenstillstand.
Die grundsätzliche Linie Nordkoreas war eben, wie ein Verbündeter der USA zu werden, weil man zu sehr in Abhängigkeit von China geraten war. Geostrategisch versucht man als kleines Land zwischen Großmächten - früher war das China und Russland, jetzt ist das eben China und die USA - zu lavieren, um doch selber einmal die Unabhängigkeit und andererseits auch Wirtschaftshilfe und andere Unterstützung von den Großmächten zu bekommen.
Wiese: Wie bewerten Sie denn vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, die Bereitschaft Nordkoreas, sein Atomprogramm zu beenden und seine Atomanlagen bis Jahresende abzubauen? Das ist ja jetzt auch, in Peking allerdings, vereinbart worden. Ist das nur eine Folge des internationalen Drucks oder auch tatsächlich Einsicht?
Kamppeter: Das ist nicht mal Einsicht, sondern das war erklärte Absicht, also, so wird das in Südkorea jedenfalls gesehen unter Experten, dass der Atomtest und die Raketentests im letzten Jahr, dass das eigentlich nur ein Pokerspiel war, das heißt, man wollte die USA an den Verhandlungstisch bringen.
Um natürlich das aufzugeben, denn die Atomkarte, die Nuklearkarte war die einzige Karte, die wirkungsvoll gegen die USA gespielt werden konnte, aber nicht gegen die USA in dem Sinne, um sie zu brüskieren, sondern um sie an den Verhandlungstisch zu bekommen und eben, wie gesagt, möglichst ein Alliierter der USA zu werden.
Wiese: Herr Kamppeter, gestern feierten wir den Tag der Deutschen Einheit, 18 Jahre nach dem Mauerfall ist die Einheit weitgehend Normalität für die Menschen hierzulande. Welche Bedeutung hat die Einheit für die koreanische Bevölkerung? Glaubt sie daran? Ist Deutschland da eventuell sogar ein Vorbild?
Kamppeter: Deutschland ist sicherlich Vorbild. Sie müssen sehen, dass die Teilung des Landes hier zustande gekommen ist natürlich auch nach dem Zweiten Weltkrieg, aber dass Korea an sich natürlich vollkommen schuldlos war, dass es geteilt wurde. Dass Deutschland geteilt wurde, ist irgendwo immer noch nachvollziehbar. Korea war japanische Kolonie und wurde nach den USA, im Wesentlichen durch einen Beschluss in Washington, wo man den 38. Breitengrad dann mehr oder weniger willkürlich als Grenze zog, und unter der Hinnahme der Sowjetunion, die dagegen nichts weiter unternahm, wurde das Land geteilt.
Aber eigentlich hatte das Land ja nichts verbrochen an sich, und man freute sich auf die Unabhängigkeit und stellte dann fest, dass man geteilt worden war. Und diese Teilung in einem Land, das seit mehr als 1000 Jahren geeint war, ist natürlich etwas, was nicht leicht zu schlucken ist.
Das heißt, der tiefste Wunsch sicherlich aller Koreaner, in Nord- wie Südkorea, ist natürlich die Wiedervereinigung. Jetzt hat man aus dem deutschen Fall gelernt, dass das ein sehr teures Unterfangen werden kann, und das hat den Enthusiasmus sicherlich etwas gebremst. Wenn man also fragt, wie weit die Leute bereit sind, Opfer zu bringen für die Einigung, dann ist man eher vorsichtig, dann würde die Hälfte doch sagen, ja, ja, machen wir schon. Wenn man aber fragt, ob sie die Einigung wollen, dann sind so gut wie alle dafür.
Und die Entspannungspolitik von Kim Dae Chung und von dem jetzigen Präsidenten Roh Moo Hyun wird eigentlich auch von breitesten Teilen in der Bevölkerung unterstützt. Selbst nach dem Atomtest im letzten Jahr gab es sofort Umfragen, und 80 Prozent der Koreaner sagten, natürlich setzen wir die Entspannungspolitik fort. Weil sie natürlich verstanden, dass das Ganze nur ein taktisches Manöver war. Nordkorea kann natürlich niemals im Traum daran denken, eine Atommacht zu werden.