Auch Ameisen können Mathe
Nach dem großen Bucherfolg von "Das Mathe-Gen", in dem Keith Devlin darlegte, wie die abstrakte Mathematik im Laufe unserer Evolution entstanden ist, legt der amerikanische Mathematikprofessor jetzt mit "Der Mathe-Instinkt" nach.
Er behauptet als Trost für alle, denen das Jonglieren mit Zahlen in der Schule immer unheimlich war: Mensch und Tier, ja die ganze Natur verfügt über ganz natürliche mathematische Fähigkeiten.
Kaum jemand würde Spaziergänger, fliegende Vögel, Frisbeescheiben fangende Hunde oder wandernde Wüstenameisen als Mathematiker betrachten. Keith Devlin, selber Mathematikprofessor in Stanford, Kalifornien, tut es.
Da ist zum Beispiel Ahmed, die Wüstenameise. Kreuz und quer im Zickzack sucht sie im Wüstensand nach Nahrung. Sobald sie etwas gefunden hat, folgt sie nicht etwa wieder ihrem Pfad zurück, sondern schlägt den direkten Weg zu ihrem Bau ein. Woher weiß Ahmed nach unzähligen Richtungsänderungen so genau wo es lang geht? Weil sie ein geborenes Genie der Koppelnavigation ist, ein komplexes Verfahren, das auch Seeleute früher benutzt haben, um Kurs zu halten.
Mit einer Reihe solch überraschender Beispiele zeigt Devlin, dass die Natur viele Geschöpfe mit einem effizienten mechanischen Computer ausgestattet hat, mit dem sie auf bewundernswerte Weise sehr spezielle und mathematisch anspruchsvolle Leistungen erbringen können. Das gilt selbst für uns Menschen, die wir ständig aus den zwei 2D-Bildern unserer Augen ein dreidimensionales Bild "berechnen". Grundlegende These also: Jeder ist von Natur aus ein – instinktiver – Mathematiker.
Für viele Menschen bleibt Mathematik ein bedeutungsloses Spiel mit Symbolen. Diese Sicht der Mathematik zu ändern, ist dem Mathematikprofessor Keith Devlin offensichtlich ein Anliegen. In dreizehn Kapiteln, randvoll gepackt mit Beobachtungen und Untersuchungen an Flora, Fauna und menschlichen Subjekten, möchte er seinen Lesern die Augen öffnen für die Wirksamkeit mathematischer Regeln überall um uns herum.
Leider werden Menschen mit Berührungsängsten gegenüber Mathematik freiwillig wohl kaum ein Buch mit dem Titel "Der Mathe-Instinkt" kaufen. Es könnte sich aber für sie lohnen. Zwar ist Devlin kein begnadeter Erzähler, aber seine Sprache ist im besten Sinne einfach. Verständlich und geradlinig macht er klar, dass es neben der abstrakten Schulmathematik noch andere Arten gibt, Mathematik zu betreiben – auch bei uns Menschen, wie er an jungen brasilianischen Kokosnussverkäufern zeigt, die zum Teil ganz eigene Wege gefunden haben, um ihre Preise und das Wechselgeld zu berechnen.
Natürlich kann ein Buch über das Rechnen nur schwer auf Zahlen und Rechenbeispiele verzichten. Allerdings gibt es keinen Grund vor den einfachen Formeln, Verhältnissen und Zahlenreihen zurückzuschrecken. Die wenigen Rechenbeispiele sind sparsam eingesetzt, gut erläutert und gehen im Schwierigkeitsgrad nicht über die Bruchrechnung hinaus (bei der er nebenbei erklärt, warum sich viele Menschen seiner Meinung nach mit ihr so schwer tun).
Auf die spannendste Frage des Buches bietet der Autor dann allerdings nur eine vage Antwort. "Können wir einen Weg finden, unsere angeborenen mathematischen Fähigkeiten zu nutzen?", fragt er, und antwortet: Ja, wenn es für unsere Situation wichtig ist, werden wir einen eigenen Weg finden, auch abseits der Schulmathematik.
Nach einem fulminanten Start mit einer Fülle von Beispielen angeborener mathematischer Fähigkeiten gerät ihm das Buch zum Schluss leider ein wenig zu einem Ratgeber für alle, die ihre mathematischen Fähigkeiten verbessern wollen. Und was er dort vorschlägt, hat den Beigeschmack einer Plattitüde: Mathematik lernen kann nur, wer sie übt, übt und nochmals übt.
"Das einzige, was einen von der Verbesserung der eigenen mathematischen Fähigkeiten abhält, (ist) ein Mangel an Motivation", schreibt Devlin. Aber das gilt natürlich für alle Fertigkeiten, die man erlernen möchte.
Trotzdem gibt "Der Mathe-Instinkt" Anlass zu der berechtigten Hoffnung, dass das Buch dazu beiträgt, all diejenigen von ihren Berührungsängsten zu befreien, für die Mathematik immer noch ein rotes Tuch ist. Denn Mathematik – und das ist wohl die wichtigste Botschaft des Buches – ist ein natürlicher Bestandteil der Natur. Auch unserer eigenen.
Keith Devlin: Der Mathe-Instinkt. Warum Sie ein Genie sind und Ihr Hund und Ihre Katze auch
Übersetzt von Dietmar Zimmer
Klett-Cotta, Stuttgart 2005
248 S., 19,50 Euro
Kaum jemand würde Spaziergänger, fliegende Vögel, Frisbeescheiben fangende Hunde oder wandernde Wüstenameisen als Mathematiker betrachten. Keith Devlin, selber Mathematikprofessor in Stanford, Kalifornien, tut es.
Da ist zum Beispiel Ahmed, die Wüstenameise. Kreuz und quer im Zickzack sucht sie im Wüstensand nach Nahrung. Sobald sie etwas gefunden hat, folgt sie nicht etwa wieder ihrem Pfad zurück, sondern schlägt den direkten Weg zu ihrem Bau ein. Woher weiß Ahmed nach unzähligen Richtungsänderungen so genau wo es lang geht? Weil sie ein geborenes Genie der Koppelnavigation ist, ein komplexes Verfahren, das auch Seeleute früher benutzt haben, um Kurs zu halten.
Mit einer Reihe solch überraschender Beispiele zeigt Devlin, dass die Natur viele Geschöpfe mit einem effizienten mechanischen Computer ausgestattet hat, mit dem sie auf bewundernswerte Weise sehr spezielle und mathematisch anspruchsvolle Leistungen erbringen können. Das gilt selbst für uns Menschen, die wir ständig aus den zwei 2D-Bildern unserer Augen ein dreidimensionales Bild "berechnen". Grundlegende These also: Jeder ist von Natur aus ein – instinktiver – Mathematiker.
Für viele Menschen bleibt Mathematik ein bedeutungsloses Spiel mit Symbolen. Diese Sicht der Mathematik zu ändern, ist dem Mathematikprofessor Keith Devlin offensichtlich ein Anliegen. In dreizehn Kapiteln, randvoll gepackt mit Beobachtungen und Untersuchungen an Flora, Fauna und menschlichen Subjekten, möchte er seinen Lesern die Augen öffnen für die Wirksamkeit mathematischer Regeln überall um uns herum.
Leider werden Menschen mit Berührungsängsten gegenüber Mathematik freiwillig wohl kaum ein Buch mit dem Titel "Der Mathe-Instinkt" kaufen. Es könnte sich aber für sie lohnen. Zwar ist Devlin kein begnadeter Erzähler, aber seine Sprache ist im besten Sinne einfach. Verständlich und geradlinig macht er klar, dass es neben der abstrakten Schulmathematik noch andere Arten gibt, Mathematik zu betreiben – auch bei uns Menschen, wie er an jungen brasilianischen Kokosnussverkäufern zeigt, die zum Teil ganz eigene Wege gefunden haben, um ihre Preise und das Wechselgeld zu berechnen.
Natürlich kann ein Buch über das Rechnen nur schwer auf Zahlen und Rechenbeispiele verzichten. Allerdings gibt es keinen Grund vor den einfachen Formeln, Verhältnissen und Zahlenreihen zurückzuschrecken. Die wenigen Rechenbeispiele sind sparsam eingesetzt, gut erläutert und gehen im Schwierigkeitsgrad nicht über die Bruchrechnung hinaus (bei der er nebenbei erklärt, warum sich viele Menschen seiner Meinung nach mit ihr so schwer tun).
Auf die spannendste Frage des Buches bietet der Autor dann allerdings nur eine vage Antwort. "Können wir einen Weg finden, unsere angeborenen mathematischen Fähigkeiten zu nutzen?", fragt er, und antwortet: Ja, wenn es für unsere Situation wichtig ist, werden wir einen eigenen Weg finden, auch abseits der Schulmathematik.
Nach einem fulminanten Start mit einer Fülle von Beispielen angeborener mathematischer Fähigkeiten gerät ihm das Buch zum Schluss leider ein wenig zu einem Ratgeber für alle, die ihre mathematischen Fähigkeiten verbessern wollen. Und was er dort vorschlägt, hat den Beigeschmack einer Plattitüde: Mathematik lernen kann nur, wer sie übt, übt und nochmals übt.
"Das einzige, was einen von der Verbesserung der eigenen mathematischen Fähigkeiten abhält, (ist) ein Mangel an Motivation", schreibt Devlin. Aber das gilt natürlich für alle Fertigkeiten, die man erlernen möchte.
Trotzdem gibt "Der Mathe-Instinkt" Anlass zu der berechtigten Hoffnung, dass das Buch dazu beiträgt, all diejenigen von ihren Berührungsängsten zu befreien, für die Mathematik immer noch ein rotes Tuch ist. Denn Mathematik – und das ist wohl die wichtigste Botschaft des Buches – ist ein natürlicher Bestandteil der Natur. Auch unserer eigenen.
Keith Devlin: Der Mathe-Instinkt. Warum Sie ein Genie sind und Ihr Hund und Ihre Katze auch
Übersetzt von Dietmar Zimmer
Klett-Cotta, Stuttgart 2005
248 S., 19,50 Euro