Atomwaffen und die neue Weltordnung
In New York, am Sitz der Vereinten Nationen, sind die Vertreter von 184 Staaten damit beschäftigt, die Welt vor ihrem Untergang zu retten. Es geht um die Zukunft der Nuklearwaffen, genauer gesagt die Zukunft des Atomwaffensperrvertrags. Der komplizierte Name deutet an: Der Vertrag steht zwischen der Welt und dem nuklearen Chaos. Nur Fachleute verstehen ihn, aber er ist das wichtigste Stück strategischer Weltarchitektur, und er ist in seiner Substanz gefährdet, und die Welt mit.
Nukleare Waffen - was versprechen sie noch in einer Welt, da ganz andere Machtwährungen im Schwange sind? Souverän ist, wer über Nuklearwaffen verfügt, auch wenn sie als Kriegswaffen nicht anwendbar sind, jedenfalls nach der Erfahrung des weiland Kalten Krieges nicht anwendbar waren. Sie dienten der Strategie von Abschreckung und Eindämmung und wurden zum Mittel der Entspannung, weil der militärische Sieg ununterscheidbar wurde von der militärischen Niederlage. Heute aber, das war der Sinn hinter Saddam Husseins Atomrüstung in den siebziger und achtziger Jahren, verheißen sie ihrem Besitzer Unangreifbarkeit und ein Veto in allen wichtigen Angelegenheiten.
In New York geht es nicht mehr um die Strategien des kalten Krieges, sondern um die neue Weltunordnung von heute und deren wichtigstes Element, nukleare Waffen der unordentlichen Art in Händen von Terroristen und vertragsbrüchigen Staaten wie Nordkorea und, wahrscheinlich, Iran. Während in Deutschland die übliche Aufgeregtheit herrscht über 150 in der Pfalz unter sicherem Verschluss lagernde ältere NATO-Waffen, sind längst ganz andere Bedrohungen in Gang. Die Sorge in New York betrifft nicht die Supermächte von gestern und die von heute. Nuklear-Terrorismus kann den 11. September und den 11. März wie Kinderspiel aussehen lassen. Dr. Khan, Vater der pakistanischen Bombe, betrieb zehn Jahre lang einen schwunghaften Nuklear-Handel, bis die amerikanische CIA ihn auffliegen ließ. Eine schmutzige Bombe ist ein überall denkbares Terror- Szenario, mit bescheidenen Mitteln. Der Traum der Terroristen aber ist eine taktische Atomwaffe. Nordkorea droht den Nachbarn wie Südkorea und Japan und selbst den USA mit Atomwaffen. Der Iran befindet sich wohl nur noch einige Monate entfernt vom Durchbruch. Israel und die USA wollen das nicht hinnehmen - was immer das bedeuten soll.
Der Atomwaffensperrvertrag geht aus den Fugen. Er ist fast 40 Jahre alt und entstand, als die Supermächte in Berlin- und Cuba-Krise in den Abgrund geschaut hatten und sie das Gruseln lernten. Der Atomwaffensperrvertrag begrenzte den Kreis der Atombesitzer auf jene fünf Mächte, die es damals schon waren - USA, Sowjetunion, China, Frankreich und Großbritannien. Allen anderen Staaten, sofern sie auf die Bombe formell verzichteten, bot er Hilfe bei der friedlichen Nutzung des Atoms. Der Vertrag hatte indessen vier deutliche Schwächen: Dreiviertel des militärischen Weges sind auch Teil des zivilen Weges. Gegen Zuwiderhandlungen gibt es keine ernsten Sanktionen, gegen Austritt auch nicht. Und von Anfang an hatten drei wichtige Staaten nicht unterzeichnet: Israel, Indien und Pakistan, alle drei inzwischen über strategische Arsenale verfügend. Jetzt geht es darum, ihre Potentiale in den Vertrag zu bringen, ohne ihn allzu sehr zu verbiegen. Noch wichtiger aber ist es, das Kartell der alten Atommächte zu bewahren gegen die neuen Atomaspiranten und die Architektur des Vertrages zu retten. Doch Russland liefert nukleare Ausrüstungen an Iran, China lässt sich durch Ölverträge günstig stimmen für die Mullahs und hält seine Hand über den kleinen roten Drachen, der in Pjöngjang mit dem nuklearen Feuer spielt. Die beiden europäischen Atommächte Frankreich und Großbritannien sind schwach. Während China und Russland taktieren, lastet die ganze Bürde des Vertrages auf den Vereinigten Staaten, und auf niemandem sonst. Deutschland spielt, obwohl Bewerber für den Sicherheitsrat, nur eine zweitrangige Nebenrolle. Das Land der Angst tut so, als ginge uns das Ganze nichts an.
Was kann man erwarten? Wenn die Atommächte nicht zusammenhalten gegen Staaten, die den Aufstand proben, ist die Antwort einfach: Nicht viel.
Der 1938 in Kassel geborene Michael Stürmer studierte in London, Berlin und Marburg, wo er 1965 promovierte. Nach seiner Habilitation wurde er 1973 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Sozial- und Verfassungsgeschichte; außerdem lehrte er u.a. an der Harvard University, in Princeton und der Pariser Sorbonne. 1984 wurde Stürmer in den Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung berufen und zwei Jahre später zum Vorsitzenden des Forschungsbeirates des Center for European Studies in Brüssel. Zehn Jahre lang war er überdies Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zu seinen Veröffentlichungen zählen: "Das ruhelose Reich", "Dissonanzen des Fortschritts", "Bismarck - die Grenzen der Politik" und zuletzt "Die Kunst des Gleichgewichts. Europa in einer Welt ohne Mitte". Im so genannten "Historikerstreit" entwickelte Stürmer die von Habermas und Broszat bestrittene These von der Identität stiftenden Funktion der Geschichte. Stürmer, lange Kolumnist für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", schreibt jetzt für die "Welt" und die "Welt am Sonntag".
In New York geht es nicht mehr um die Strategien des kalten Krieges, sondern um die neue Weltunordnung von heute und deren wichtigstes Element, nukleare Waffen der unordentlichen Art in Händen von Terroristen und vertragsbrüchigen Staaten wie Nordkorea und, wahrscheinlich, Iran. Während in Deutschland die übliche Aufgeregtheit herrscht über 150 in der Pfalz unter sicherem Verschluss lagernde ältere NATO-Waffen, sind längst ganz andere Bedrohungen in Gang. Die Sorge in New York betrifft nicht die Supermächte von gestern und die von heute. Nuklear-Terrorismus kann den 11. September und den 11. März wie Kinderspiel aussehen lassen. Dr. Khan, Vater der pakistanischen Bombe, betrieb zehn Jahre lang einen schwunghaften Nuklear-Handel, bis die amerikanische CIA ihn auffliegen ließ. Eine schmutzige Bombe ist ein überall denkbares Terror- Szenario, mit bescheidenen Mitteln. Der Traum der Terroristen aber ist eine taktische Atomwaffe. Nordkorea droht den Nachbarn wie Südkorea und Japan und selbst den USA mit Atomwaffen. Der Iran befindet sich wohl nur noch einige Monate entfernt vom Durchbruch. Israel und die USA wollen das nicht hinnehmen - was immer das bedeuten soll.
Der Atomwaffensperrvertrag geht aus den Fugen. Er ist fast 40 Jahre alt und entstand, als die Supermächte in Berlin- und Cuba-Krise in den Abgrund geschaut hatten und sie das Gruseln lernten. Der Atomwaffensperrvertrag begrenzte den Kreis der Atombesitzer auf jene fünf Mächte, die es damals schon waren - USA, Sowjetunion, China, Frankreich und Großbritannien. Allen anderen Staaten, sofern sie auf die Bombe formell verzichteten, bot er Hilfe bei der friedlichen Nutzung des Atoms. Der Vertrag hatte indessen vier deutliche Schwächen: Dreiviertel des militärischen Weges sind auch Teil des zivilen Weges. Gegen Zuwiderhandlungen gibt es keine ernsten Sanktionen, gegen Austritt auch nicht. Und von Anfang an hatten drei wichtige Staaten nicht unterzeichnet: Israel, Indien und Pakistan, alle drei inzwischen über strategische Arsenale verfügend. Jetzt geht es darum, ihre Potentiale in den Vertrag zu bringen, ohne ihn allzu sehr zu verbiegen. Noch wichtiger aber ist es, das Kartell der alten Atommächte zu bewahren gegen die neuen Atomaspiranten und die Architektur des Vertrages zu retten. Doch Russland liefert nukleare Ausrüstungen an Iran, China lässt sich durch Ölverträge günstig stimmen für die Mullahs und hält seine Hand über den kleinen roten Drachen, der in Pjöngjang mit dem nuklearen Feuer spielt. Die beiden europäischen Atommächte Frankreich und Großbritannien sind schwach. Während China und Russland taktieren, lastet die ganze Bürde des Vertrages auf den Vereinigten Staaten, und auf niemandem sonst. Deutschland spielt, obwohl Bewerber für den Sicherheitsrat, nur eine zweitrangige Nebenrolle. Das Land der Angst tut so, als ginge uns das Ganze nichts an.
Was kann man erwarten? Wenn die Atommächte nicht zusammenhalten gegen Staaten, die den Aufstand proben, ist die Antwort einfach: Nicht viel.
Der 1938 in Kassel geborene Michael Stürmer studierte in London, Berlin und Marburg, wo er 1965 promovierte. Nach seiner Habilitation wurde er 1973 ordentlicher Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Sozial- und Verfassungsgeschichte; außerdem lehrte er u.a. an der Harvard University, in Princeton und der Pariser Sorbonne. 1984 wurde Stürmer in den Vorstand der Konrad-Adenauer-Stiftung berufen und zwei Jahre später zum Vorsitzenden des Forschungsbeirates des Center for European Studies in Brüssel. Zehn Jahre lang war er überdies Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zu seinen Veröffentlichungen zählen: "Das ruhelose Reich", "Dissonanzen des Fortschritts", "Bismarck - die Grenzen der Politik" und zuletzt "Die Kunst des Gleichgewichts. Europa in einer Welt ohne Mitte". Im so genannten "Historikerstreit" entwickelte Stürmer die von Habermas und Broszat bestrittene These von der Identität stiftenden Funktion der Geschichte. Stürmer, lange Kolumnist für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", schreibt jetzt für die "Welt" und die "Welt am Sonntag".