Atemberaubende Modefotografie

13.06.2011
"Die Mode ändert sich, der Stil bleibt" - Coco Chanels berühmtes Zitat zieht sich wie ein roter Faden durch die "Fashion:Box". Der italienische Modejournalist Antonio Mancinelli präsentiert in seinem Buch 16 Kultobjekte der Modegeschichte, die den ständigen Wechsel des Zeitgeschmacks überdauert haben.
Dazu gehören das kleine Schwarze, den Trenchcoat und den Rollkragenpullover, die Jeans, den Bikini oder das T-Shirt.

Die Hardcover-Ausgabe umschließt das Buch an der rechten Seite, so dass der Leser eine veritable Box in der Hand hält. Ein Schatzkästchen vor allem für Fotografie- und Filmliebhaber – der reichhaltige Bildanhang nach jedem Kapitel enthält emblematische Filmstills, Fotografien und Schnappschüsse, zum Beispiel von Alfred Hitchcock und Tippi Hedren bei Werbeaufnahmen für "The Birds" (1963).

Alle Kapitel sind identisch aufgebaut: links ein ganzseitiges Porträt des Stars im entsprechenden Outfit; rechts als thematisches Motto ein Zitat über den Modeklassiker. Auf den nächsten Seiten folgt ein kurzer Essay Mancinellis über die Geschichte des Kultobjekts. Leider bleiben die Texte meist an der Oberfläche der Modeerscheinung, anstatt die kulturellen und politischen Revolutionen herauszustellen, die diese Kultobjekte begleitet oder gar ausgelöst haben – zum Beispiel Coco Chanels Kleines Schwarzes.

Als Chanel das Kleid im Jahr 1926 kreierte, verbannte sie damit das Korsett und verzichtete bei der Gestaltung auf jegliche Verzierungen und Pomp. Ihr schlichtes Kleid aus eng anliegendem Baumwolljersey mit kurzer Rocklänge knapp unterhalb des Knies bot eine skandalöse Bewegungsfreiheit für unabhängige Frauen. Deren Prototyp verkörpert Audrey Hepburn als Holly Golightly in "Breakfast at Tiffany´s" (Blake Edwards, 1961): Sie lebt alleine in New York, die Verführung finanzkräftiger Männer betreibt sie als Hobby.

Ähnlich revolutionär wirkte das weiße T-Shirt, das Jane Birkin in Je t´aime (Serge Gainsbourg, 1976) unsterblich machte. Das T-Shirt ist eine Ikone der Unisex-Mode, die sowohl von Frauen als auch von Männern getragen wird - das passende Kultobjekt für die Utopie einer Gleichberechtigung der Geschlechter. In Je t´aime verführt Birkin als androgyne Kellnerin Johnny den schwulen LKW-Fahrer Krassky (Joe Dallesandro) und verliert sich in einer Affäre, die erotisch zweideutig mit klassischen Geschlechterrollen bricht.

Antonio Mancinelli erwähnt zwar diese politische Dimension der Mode, dennoch reiht er die Modeklassiker beliebig aneinander: auf das T-Shirt folgt der Trenchcoat, auf den Minirock das Twinset. Diese Absage an eine chronologische Ordnung mag die zeitlose Gültigkeit der Modeklassiker unterstreichen, jedoch gerät dabei die Geschichte der kulturellen Revolutionen hinter den Kultobjekten aus dem Blick. So bleibt die "Fashion:Box" ein großartiger Fundus an atemberaubender Modefotografie - die kulturelle und politische Bedeutung der Klassiker kommt im Text aber leider zu kurz.

Besprochen von Tabea Schmitt

Antonio Mancinelli: Modeklassiker und ihre Stars
DuMont Buchverlag, Köln 2011
480 Seiten, 29,99 Euro