Ateliersitzungen über Literatur und Kunst

13.09.2011
Der Maler Peter Schermuly lebte von 1927 bis 2007: Erst malte er abstrakt, später figürlich. In dieser späteren Schaffensphase lernte er Martin Mosebach kennen, den späteren Schriftsteller und Büchnerpreisträger. Mosebach überrascht jetzt mit einem Buch über Schermuly.
Im Jahr 1955 entstand ein Film, der etwas nie zuvor Gesehenes zeigte: den unmittelbaren kreativen Schaffensprozess eines Malers. Der Filmregisseur Henri-Georges Clouzot verfolgte mit der Kamera, wie Pablo Picasso zwanzig Bilder malte und übermalte. Dieses Filmprojekt konnte nur entstehen, weil zwischen beiden Künstlern ein inniges Freundschafts- und Vertrauensverhältnis herrschte. Denn der Blick in die Geheimnisse der Künstlerwerkstatt ist ein sehr persönlicher, ja intimer Blick.

Eben diesen Blick gewährt nun der deutsche Schriftsteller und Büchner-Preis-Träger Martin Mosebach in seinem Buch "Das Rot des Apfels. Tage mit einem Maler". Es ist dem Maler Peter Schermuly gewidmet, der 1927 in Frankfurt am Main geboren wurde und 2007 während einer Italienreise starb. Über drei Jahrzehnte währte die intensive private und Arbeitsbeziehung zwischen Mosebach und Schermuly, der dem Jüngeren wohl auch als Mentor und väterlicher Anreger zugetan war.

Denn als sich die beiden Männer kennenlernten, war Martin Mosebach noch keineswegs Schriftsteller, sondern Student der Rechtswissenschaften, wenn auch auf etwas unglückliche, unbefriedigte Weise. Peter Schermuly indes hatte die Hälfte seines Künstlerlebens bereits hinter sich und dessen entscheidende Wende: vom abstrakten zum gegenständlichen und figürlichen Malen, vom, wenn man so will, Avantgardistischen zum Konservativen.

Mosebachs essayistisch erzählender Text ist weniger biografische Skizze denn künstlerische Studie, die sich einem entscheidenden Privileg verdankt: Er schaute dem Maler Peter Schermuly über Stunden und Tage hinweg beim Malen zu, denn er diente ihm für eine ganze Reihe von Porträts als Modell. Fast ein Dutzend Mosebach-Porträts sind in dem Buch auch abgebildet. Der Leser sieht somit nicht nur den Schriftsteller älter werden, er sieht auch die Veränderung des Blicks von Schermuly auf den Freund.

Von Beginn ihres Kontakts und ihrer Ateliersitzungen an aber stellte das Reden, der beständige Dialog über Literatur und Kunst, über Vergangenheit und Moderne, über die Hässlichkeiten beziehungsweise Schönheiten der Stadt Frankfurt und über vieles andere mehr den Kern dieser Männerfreundschaft dar. Martin Mosebachs Erinnerung an die Inhalte dieser Gespräche ist auch die Substanz, aus der sein Text hervorgeht.

Er lässt sich einerseits als spannender Werkstattbericht der Malkunst lesen: Welche Bedeutung haben die Hände als Bestandteil eines Menschenporträts? Worin liegt aus Sicht des Malers der Unterschied zwischen der Haut der Hände und der des Gesichts? Was ist der Unterschied zwischen einem gemalten und einem gezeichneten Porträt?

Die fachkundige Erörterung solcher Fragen wendet sich keineswegs nur an kunstgeschichtliche Experten, Martin Mosebachs Buch ist auch dem interessierten Laien zugänglich, dem hier ein charmantes Experiment begegnet: ein künstlerisches Doppelporträt. Ein Autor beschreibt mit Worten einen Maler, der ihn auf der Leinwand beschrieben hat.

Besprochen von Ursula März

Martin Mosebach: "Das Rot des Apfels. Tage mit einem Maler"
Verlag zu Klampen, Springe 2011
143 Seiten, 24,00 Euro

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