Astrophysik

Kollabierte Sterne

Die Illustration zeigt die Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Herzen der aktiven Galaxie NGC 3783 im südlichen Sternbild Centaurus (der Zentaur).
Die Illustration zeigt ein Schwarzes Loch im Herzen der aktiven Galaxie NGC 3783 im südlichen Sternbild Centaurus. © dpa/ picture alliance / ESO/M. Kornmesser
Von Eva Raisig · 26.06.2014
Am Ende ihres Lebens stürzen massereiche Sterne in sich zusammen und bilden sogenannte Schwarze Löcher. So einfach klingt die Theorie, aber der Teufel steckt im Detail. Denn jetzt weiß man: Die schwarzen Löcher sind gar nicht schwarz.
Konferenzpause in einem Potsdamer Hotel, nicht weit vom Park Sanssouci. Ein paar Dutzend Physikerinnen und Physiker aus der ganzen Welt stehen mit Häppchen, Tee und Kaffee im Innenhof in der Sonne.
Es ist ein seltsamer Kontrast, denn drei Tage lang sprechen sie hier über das wahrscheinlich dunkelste, was das Universum zu bieten hat. "99 Jahre Schwarze Löcher" lautet der Titel der Konferenz.
"Ich glaube, in unserem kollektiven Bewusstsein sind schwarze Löcher schon viel länger als hundert Jahre."
Herman Verlinde erforscht als theoretischer Physiker an der Universität Princeton, wie Schwarze Löcher bestimmte Informationen speichern und wiedergeben könnten.
"Die Vorstellung, in ein schwarzes Loch zu fallen, bedeutet etwas für uns und erklärt vielleicht die Anziehung, die sie auf uns ausüben. Was ist ein schwarzes Loch? Es ist das große Unbekannte. Das, was dich schlucken kann, auch wenn du gar nicht in ein solches Loch hineinfallen willst."
Eine Art Definitionslücke
Mittlerweile gehören Schwarze Löcher für uns zum Standardinventar des Universums, wir haben uns mit ihrer Existenz abgefunden. Dabei wurden sie anfangs vor allem als eines gesehen: Als mathematisches Artefakt, das sich bei der Lösung von Einsteins Gleichungen ergab: eine Singularität, eine Art Definitionslücke – scheinbar ohne Bezug zur Natur.
"Wenn wir ein Resultat beweisen, ohne es zu verstehen – wenn es uns aus einem Irrgarten mathematischer Formeln völlig unerwartet vor die Füße fällt -, dann besteht keinerlei Anlass zu der Hoffnung, dass es tatsächlich gültig ist."
- erklärt Arthur Eddington, der sich als renommiertester Sternenforscher seiner Zeit zwangsläufig auch mit den ungeliebten Endzuständen schwerer Sterne auseinandersetzen musste.
Oder um das teils schwierige Verhältnis zwischen mathematischer Lösung und physikalischer Wirklichkeit in Albert Einsteins Worten zusammenzufassen, hier an einen Kollegen gerichtet:
"Ihre Berechnungen sind zwar mathematisch richtig, aber Ihre Physik ist schrecklich."
Jürgen Renn: "Daran sieht man vor allem, dass Gleichungen zu lösen nicht das Einzige ist, was die Physik tut, da gehört v.a. dazu, dass man auch weiß, was die Lösungen dieser Gleichungen bedeuten."
Jürgen Renn, Direktor des Max Planck Instituts für Wissenschaftsgeschichte.
Das traurige Ende eines Sternenlebens
Erst das Wissen um die Entwicklung von Sternen etwa machte deutlich, dass deren Brennmaterial irgendwann verbraucht sein muss. Seltsame Objekte wie weiße Zwerge und Neutronensterne fanden ihren Weg in die Vorstellung der Wissenschaftler – kleine kompakte und massereiche Gebilde mit starkem Schwerefeld: Das etwas traurige Ende eines Sternenlebens.
"Die schwarzen Löcher sind sozusagen eine Steigerung dieser Sternenformen. Das sind nämlich die, bei denen selbst die Kräfte der Quantenmechanik dem Kollaps der Schwerkraft nicht widerstehen können."
Der Stern stürzt vollständig in sich zusammen. Das Schwerefeld um die punktförmig konzentrierte Masse ist so stark, dass selbst Licht ihm nicht entkommen kann, geschweige denn andere Informationen. Eine Grenzfläche, der Ereignishorizont, schirmt alles in ihrem Inneren nach außen ab.
"Der Stern kapselt sich von jeglicher Kommunikation mit einem fernen Beobachter ab. Nur sein Gravitationsfeld bleibt erhalten." (Oppenheimer)
Keine Kommunikation also, kein Einblick in die Düsternis, das heißt: Zumindest nackte Singularitäten müssen wir nicht ertragen. Der Ereignishorizont verhüllt das unschöne Innere vor unserem Blick – ein gravitatives Feigenblatt. Der englische Physiker und Mathematiker Roger Penrose nannte diesen Umstand dann auch Kosmische Zensur.
An anschaulichen Namen und Begriffen mangelt es nicht. Wirklich greifbar sind die Schwarzen Löcher aber bis heute nicht.
Verlinde: "Viele Male schon haben die Wissenschaftler in den letzten hundert Jahren gedacht, sie hätten das Problem der schwarzen Löcher gelöst. Aber das ist die typische Rolle, die schwarze Löcher immer wieder spielen: Jedes Mal, wenn wir dachten, wir hätten sie verstanden, kam ein neues Rätsel und etwas Neues, was wir daraus lernen mussten."
Das Feuerwandparadoxon
Die Schwärze der schwarzen Löcher war nicht zu halten: Sie haben eine Temperatur – und was eine Temperatur hat, das strahlt. Außerdem müssten Informationen, die ins Schwarze Loch hineinfallen, verloren gehen – ein eklatanter Widerspruch zu anderen Naturgesetzen. Doch auch ein Vorschlag, wie dieses unsägliche Informationsparadoxon gelöst werden könnte, brachte vor zwei Jahren nur neue Unruhe.
Denn eine Folge des dazu entworfenen Szenarios wäre, dass sich der Rand des Ereignishorizonts in ein brennendes Inferno verwandelt – mit Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie wäre das unvereinbar. Der verstörende Lösungsansatz geistert seitdem unter dem Namen Feuerwandparadoxon durch das Ideengebäude der theoretischen Physik.
Verlinde: "Das ist so weit weg von dem, was wir für eine solide Vorhersage von Einsteins Theorie gehalten haben, dass es nur bedeuten kann: Wir müssen eine sehr wichtige neue Lektion lernen."
Denn eine solche Feuerwand, so monströs sie klingen mag, könnte tatsächlich bedeuten: Hier endet der Raum. Quantenphysik und Relativitätstheorie stehen an dieser Stelle in direktem Konflikt miteinander.
"Indem wir eine Theorie bis zum Äußersten beanspruchen, können wir auch herausfinden, wo möglicherweise noch Risse in der Konstruktion versteckt sind." (John Archibald Wheeler)
Vielleicht eignen sich gerade Schwarze Löcher dafür besonders gut.
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