Astrobiologe: Außerirdisches Leben ist sehr wahrscheinlich

Dirk Schulze-Makuch im Gespräch mit Christopher Ricke |
Der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch ist überzeugt, dass die Menschen nicht die einzigen Lebewesen im Universum sind. „Dadurch, dass die Galaxie so groß ist, müssen wir so viele Planeten haben, wo Leben möglich ist.“
Christopher Ricke: Vielleicht sind wir nicht allein im Universum? Vielleicht sind wir sogar wahrscheinlich nicht im Universum? Das ist die große Frage der Astrowissenschaft, die Frage nach der Existenz außerirdischen Lebens. Dabei geht es weder um interstellare Kampfschiffe, noch um grüne Männchen; es geht darum, ob Leben außerhalb der Erde möglich ist, und der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University ist in diesem Bereich einer der führenden Wissenschaftler seiner Zunft. Professor Schulze-Makuch, wann fängt denn nach Ihrer Sicht auch außerirdisches Leben an, dann, wenn sich eine Zelle das erste Mal teilt?

Dirk Schulze-Makuch: Ja! Ich meine, das meiste Leben, was wir woanders finden würden oder erwarten würden, wäre mikrobiell als einzelliger Organismus.

Ricke: Wenn sich die Wissenschaftler über die Ergebnisse der Sonden und Teleskope beugen, dann suchen sie, so habe ich nachgelesen, meistens nach Spuren von Sauerstoff oder Methan, also nach Stoffen, die direkt mit Leben in Verbindung gebracht werden. Ist dieser Forschungsansatz zu eng?

Schulze-Makuch: Ich meine, als erster Forschungsansatz macht das schon Sinn. Aber wir sollten die größere Perspektive beinhalten, dass Leben sehr viel anders sein kann, als wir die Erfahrung von unserer Erde haben.

Ricke: Wie weit machen Sie denn die Perspektive auf?

Schulze-Makuch: Relativ groß, glaube ich, zumindest wenn ich meine Kollegen höre. Ich meine, wenn wir nach Leben woanders schauen, dann würden wir erst mal nach Mikroben schauen. Dann muss erst eine mikrobische Biomasse dort sein. Und dann könnten wir gucken, wenn wir das haben, dass wir dann nach mehr komplexem Leben schauen. Aber von dem Methan oder so, Methan und Sauerstoff, oder auch einfach nur Methan und andere Biomarkers, das wäre die erste Sache, wonach wir gucken würden.

Ricke: Man kann ja mal zu Hause anfangen zu schauen, wie unwirklich eine Lebensumgebung überhaupt sein kann, und dann findet man Leben auf der Erde in 400 Grad heißen Tiefseequellen, auch im kilometerdicken Grönlandeis. Ist denn Leben so universell vorstellbar, dass die Bedingungen noch schwieriger sein können?

Schulze-Makuch: Ja! Wir können uns das vorstellen, dass die Bedingungen noch viel schwieriger sein können. Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass nicht unbedingt Wasser nötig sein müsste. Zum Beispiel auf dem Titan haben wir flüssige Ölseen von Ethan und Methan und in gewisser Weise haben Ethan und Methan als Lösungsmittel eine gewisse Attraktivität. Also es muss nicht unbedingt Wasser sein zum Beispiel.

Ricke: Was kann es außer Wasser, Ethan und Methan noch sein?

Schulze-Makuch: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir können nach Ammoniak gucken oder Mischungen von Ammoniak und Wasser, oder Mischungen von Wasserstoff-Peroxyd und Wasser. Also wir sollten nicht zu restriktiv dort denken. Aber auf unserem Planeten mit unseren Umweltbedingungen, Wasser und Kohlenstoff sind ideal und passen ideal zusammen. Aber wenn wir woanders gucken, wo es wesentlich kälter oder wesentlich heißer ist, oder sehr viel Druck da ist, dann könnten andere Kombinationen viel mehr besser sein.

Ricke: Sind diese Forschungsansätze universell, oder schauen wir erst mal im eigenen Sonnensystem?

Schulze-Makuch: Dadurch, dass wir wesentlich mehr Informationen von unserem eigenen Sonnensystem haben, würden wir erst mal in unserem eigenen Sonnensystem gucken. Aber jetzt haben wir schon über 400 Exo-Planeten detektiert. Also wir werden sehr bald außerhalb unseres Sonnensystems gehen. Der Vorteil in unserem Sonnensystem ist auch noch, dass wir schon eine sehr große Varietät von Planeten und Monden haben, zum Beispiel von Titan, den ich schon erwähnt habe, mit flüssigem Methan und Ethan auf der Oberfläche, Europa mit einem riesigen Ozean unter der Eisschicht, natürlich Mars, der am erdähnlichsten ist, Venus – das ist wieder ein Treibhauseffekt-Planet. Wir haben also eine gute Varietät in unserem eigenen Sonnensystem.

Ricke: Das Leben, über das wir sprechen, ist das Leben von Mikroben, von Bakterien. Aber ist denn aus Ihrer Sicht jenseits dieser sehr kleinen Lebensform auch so etwas wie Intelligenz an anderen Orten möglich?

Schulze-Makuch: Dadurch, dass die Galaxie so groß oder das Universum so groß sind, müssen wir so viele Planeten haben, so viele Plätze, wo Leben möglich ist. Es ist eigentlich sehr unvorstellbar, dass sich da nicht irgendwo mehr komplexes Leben und auch irgendwo intelligentes Leben entwickelt hat. In unserem Sonnensystem ist das größte, was wir erwarten können, zum Beispiel was wir in unserem Buch, was gerade herausgekommen ist, „we are not alone“, proklamieren, dass da sehr wahrscheinlich mikrobielles Leben auf dem Mars existiert. Aber größeres? – Vielleicht in dem Ozean von Europa, dass da vielleicht ein bisschen mehr ist, aber ansonsten in unserem Sonnensystem eigentlich nicht.

Ricke: Wir sind nicht alleine – das heißt ja nicht nur, dass es Zellen gibt, die sich teilen, das ist schon der Wunsch nach der Suche nach Intelligenz?

Schulze-Makuch: Das ist richtig. Im Endeffekt möchten wir natürlich Organismen finden, mit denen wir uns vielleicht naiv gesehen auch unterhalten können oder kommunizieren können. Aber selbst wenn wir nur außerirdische Mikroben finden, wäre das schon ein großes Stück zum „we are not alone“, wir sind nicht allein, weil zumindest würden wir dann wissen, oder bestimmt wissen, dass außerirdisches Leben existiert. Im Prinzip sind es immer noch unsere Cousins, auch wenn es nur Mikroben sind. Und wir wissen ja auf der Erde von Mikroben: über viele Milliarden Jahre hat sich dann mehr komplexes Leben entwickelt und dann am Schluss auch intelligentes Leben.

Ricke: Wenn man sich über Jahre mit dieser Forschung beschäftigt, so wie Sie es tun, kommt man da auch irgendwann mal an den Punkt, wo man darüber nachdenkt, ob wir Menschen ein Produkt eines unglaublichen Zufalls sind, oder ob es vielleicht doch einen universellen Plan gibt, einen Schöpfer, einen Gott?

Schulze-Makuch: Das ist eine gute Frage. – Das ist richtig. In unseren wissenschaftlichen Ansätzen tun wir den wissenschaftlichen Weg belegen und beweisen oder nicht beweisen. Aber ich meine, wenn man sieht, wie der Mensch funktioniert, die Zellen innerhalb des Menschen, alles so schön aufeinander abgestimmt, dann ist das im Prinzip schon, in Englisch würde man sagen, „all inspiring“, also wirklich faszinierend. Ich meine, die Gedanken gehen einem durch den Kopf, aber darauf kann Wissenschaft keine Antwort geben und das ist nicht das Ziel der Wissenschaft, darauf eine Antwort zu geben. Wir haben unsere eigene persönliche Empfindung von dem Winkel oder dem anderen Winkel, aber wie gesagt, darauf können wir keine Antwort geben.

Ricke: Der Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch von der Washington State University. Vielen Dank, Professor Schulze-Makuch.

Schulze-Makuch: Vielen Dank!