Assoziationsreicher Museumsjahrmarkt
Die Ausstellung "Das achte Feld" thematisiert Grenzbereiche des Sex zwischen Homoerotik und Geschlechtswechsel. Erzählt wird von Künstlern, die sich mit Strapsen lustvoll ins Bild setzen, von märchenhaften Zwitterwesen und Transsexuellen, von unverbesserlichen Machos und von Strichjungen in dunklen Parks und schäbigen Hotelzimmern.
Ärger gab es schon vorab: Ein Foto Wolfgang Tillmans zierte ursprünglich
das Ausstellungsplakat - ein frecher Blick des Künstlers unter einen Rock,
wo sich unverkennbar und in aller Plastizität ein Mann zu erkennen gibt.
Die berühmte Frage "was trägt der Schotte unter dem Rock?” schien damit
beantwortet. Doch, obwohl das Schriftlogo der Schau die Blöße ein wenig
kaschiert, haben die Museumsleute das fertige Plakat auf Druck der
Kulturoberen Kölns ersetzt. Dabei hätte es als künstlerische Provokation
doch durchgesetzt werden müssen. Frank Wagner, Kurator der Schau:
"Wir hätten das Plakat durchsetzen können. Aber die Diskussionen darüber und der herbei gezerrte Skandal hätten eher von der Ausstellung im Ganzen abgelenkt."
Entstanden ist eine schillernde Werkauswahl mit vielen Protagonisten:
David Hockney ist nicht nur mit einem schönen Jüngling am Swimmingpool
präsent, sondern auch mit sehr frühen Gemälden wie "Doll Boy”, auf denen er
sich selbst outete. Nicht minder aufschlussreich ist Warhols "doppelter
Elvis”, auch Gilbert & George stellen ihre sexuellen Vorlieben in
plakativer Weise aus, und Bruce Nauman führt in bewegten Neon-Bildern
drastisch vor, was Männer zuweilen treiben.
Erzählt wird von Künstlern, die sich mit Strapsen lustvoll ins Bild setzen,
von märchenhaften Zwitterwesen und Transsexuellen, von unverbesserlichen
Machos und von Strichjungen in dunklen Parks und schäbigen Hotelzimmern.
Biographien von Außenseitern werden erkundet oder auch erfunden. Selbst
Holztüren, Utensilien der so genannten "Bahnhofsklappe", hat man ins Museum
geschafft. Was soll denn in den Köpfen der Ausstellungsbesucher vorgehen? Frank Wagner:
"Das wäre natürlich schön, wenn sich in den Köpfen der Besucher und Besucherinnen etwas bewegt hätte. Wir bieten eine künstlerische Vielfalt an, damit das Publikum mit den Werken und auch mit sich selber konfrontiert wird, und über die Liberalität der Gesellschaft und die eigene nachdenkt. Ich hätte es gern, dass die Leute ihre Standpunkte, Vorurteile und Klischees überprüfen."
Ein Museumsspektakel, das immer wieder für Überraschungen sorgt: Katharina
Sieverding hat aus frühen Jahren, als sie auch in Bars Geld verdiente,
ihren Film über einen Transvestiten mitgebracht:
"Ich habe mich mit dem Medium Film Ende der sechziger Jahre intensiv auseinandergesetzt. ‚Life - Death' ist auf 16 Millimeter entstanden, eine Transvestiten-Performance zum Thema Leben und Tod. Es gibt ja auch viele Fotos aus diesem Film, es war immer ein Wechselspiel zwischen Film bzw. Video und Fotografie."
An mehreren Stellen wird im Museum Ludwig die Geschichte der
internationalen Schwulen- und Lesbenbewegung angedeutet. So hält Kaucyila
Brooke auf Fotos und Karten und mit Kommentaren an der Wand konkrete Orte
der weiblichen Selbstverständigung fest:
"Es geht um besondere Bars für Lesben. Mit diesen Lokalen habe
ich mich beschäftigt, weil sie nur sehr kurzlebig sind, sie existieren
nicht solange wie die Gebäude selbst oder wie spezielle Bars, in denen
Schwule verkehren. So verschwinden sie wieder aus dem Bewusstsein und die
Leute erinnern sich nicht daran. Deshalb stelle ich zusammen, welche Bars
es in welchen Städten wie lange gab und welche Erfahrungen Frauen dort
gesammelt haben. Es ist eine Art Geschichtsschreibung."
"Das 8.Feld" - allein schon die medialen Vorberichte zu dieser Schau lassen
einen Publikumserfolg erwarten. Sitzt man dem Museumsdirektor Kasper König
gegenüber, zweifelt man aber keinen Augenblick daran, wie ernsthaft und
geradezu didaktisch alles angelegt ist - demnach kein Schielen auf
boulevardeske Verkäuflichkeit und die Devise "Sex sells”:
"Man kann nicht durch die Ausstellung laufen und sagen: Das dort ist ein Schwuler, das eine Lesbe und das ein Hetero. Uns geht es immer um bestimmte Themen und zwei Drittel der Auswahl sind künstlerisch absolut substantiell, diese Werke haben ihre eigene Form zum Thema und sind von der modernen Kunstgeschichte nicht zu trennen."
Wie manch andere Themenausstellung ächzt auch diese unter der
Materialfülle. Obwohl sie über drei Etagen inszeniert ist, stößt sie an
räumliche Grenzen. Dabei hätten es durchaus 100 oder 200 Werke mehr sein
können - und von bestimmten Artisten wie Warhol oder Cindy Sherman wären
noch ganz andere Beispiele denkbar gewesen. Ein Beitrag fasziniert Kasper
König besonders:
"Ich habe gerade den Go-go-Tänzer gesehen, der im silbernen Höschen eine halbe Stunde lang auf der Go-go-Plattform tanzt. Interessant ist, dass diese halbe Stunde nicht angekündigt wird, es funktioniert nach dem Zufallsprinzip."
Es ist in jedem Fall ein assoziationsreicher Museumsjahrmarkt, auf dem der
Besucher seine eigene Feldforschung betreiben kann. Stellt diese
Ausstellung nun eher einen "Garten der Lüste" dar - und verwandelt das
Museum so in "Ludwigslust” - , oder zeigt es Sexualität überwiegend als
einen "Vorhof der Hölle", mit sozialer Ausgrenzung und Aidsgefahr?
Mit am anrührendsten ist das Krankenhausfoto Nan Goldins: hervorgehoben
wird der abgemagerte Arm eines an Aids sterbenden Mannes.
Ein Blickfang im Außenraum ist dem Museum, auch ohne freche Plakate,
erhalten geblieben. Hans-Peter Feldmann hat, sehr frei nach Michelangelo,
eine große "David"-Figur geschaffen: mit rosa Haut, gelbem Haupt- und
gelbem Schamhaar. Doch die japanischen Touristen am Heinrich-Böll-Platz
zielen mit ihren Kameras lieber an dieser Skulptur mit ihrem "Wurmfortsatz"
vorbei und knipsen, ganz konventionell, den mächtigen Kölner Dom im
Hintergrund. Vielleicht ändert sich das ja noch.
Service:
Die Ausstellung "Das achte Feld - Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960" ist noch bis zum 12. November 2006 im Kölner Museum Ludwig zu sehen.
das Ausstellungsplakat - ein frecher Blick des Künstlers unter einen Rock,
wo sich unverkennbar und in aller Plastizität ein Mann zu erkennen gibt.
Die berühmte Frage "was trägt der Schotte unter dem Rock?” schien damit
beantwortet. Doch, obwohl das Schriftlogo der Schau die Blöße ein wenig
kaschiert, haben die Museumsleute das fertige Plakat auf Druck der
Kulturoberen Kölns ersetzt. Dabei hätte es als künstlerische Provokation
doch durchgesetzt werden müssen. Frank Wagner, Kurator der Schau:
"Wir hätten das Plakat durchsetzen können. Aber die Diskussionen darüber und der herbei gezerrte Skandal hätten eher von der Ausstellung im Ganzen abgelenkt."
Entstanden ist eine schillernde Werkauswahl mit vielen Protagonisten:
David Hockney ist nicht nur mit einem schönen Jüngling am Swimmingpool
präsent, sondern auch mit sehr frühen Gemälden wie "Doll Boy”, auf denen er
sich selbst outete. Nicht minder aufschlussreich ist Warhols "doppelter
Elvis”, auch Gilbert & George stellen ihre sexuellen Vorlieben in
plakativer Weise aus, und Bruce Nauman führt in bewegten Neon-Bildern
drastisch vor, was Männer zuweilen treiben.
Erzählt wird von Künstlern, die sich mit Strapsen lustvoll ins Bild setzen,
von märchenhaften Zwitterwesen und Transsexuellen, von unverbesserlichen
Machos und von Strichjungen in dunklen Parks und schäbigen Hotelzimmern.
Biographien von Außenseitern werden erkundet oder auch erfunden. Selbst
Holztüren, Utensilien der so genannten "Bahnhofsklappe", hat man ins Museum
geschafft. Was soll denn in den Köpfen der Ausstellungsbesucher vorgehen? Frank Wagner:
"Das wäre natürlich schön, wenn sich in den Köpfen der Besucher und Besucherinnen etwas bewegt hätte. Wir bieten eine künstlerische Vielfalt an, damit das Publikum mit den Werken und auch mit sich selber konfrontiert wird, und über die Liberalität der Gesellschaft und die eigene nachdenkt. Ich hätte es gern, dass die Leute ihre Standpunkte, Vorurteile und Klischees überprüfen."
Ein Museumsspektakel, das immer wieder für Überraschungen sorgt: Katharina
Sieverding hat aus frühen Jahren, als sie auch in Bars Geld verdiente,
ihren Film über einen Transvestiten mitgebracht:
"Ich habe mich mit dem Medium Film Ende der sechziger Jahre intensiv auseinandergesetzt. ‚Life - Death' ist auf 16 Millimeter entstanden, eine Transvestiten-Performance zum Thema Leben und Tod. Es gibt ja auch viele Fotos aus diesem Film, es war immer ein Wechselspiel zwischen Film bzw. Video und Fotografie."
An mehreren Stellen wird im Museum Ludwig die Geschichte der
internationalen Schwulen- und Lesbenbewegung angedeutet. So hält Kaucyila
Brooke auf Fotos und Karten und mit Kommentaren an der Wand konkrete Orte
der weiblichen Selbstverständigung fest:
"Es geht um besondere Bars für Lesben. Mit diesen Lokalen habe
ich mich beschäftigt, weil sie nur sehr kurzlebig sind, sie existieren
nicht solange wie die Gebäude selbst oder wie spezielle Bars, in denen
Schwule verkehren. So verschwinden sie wieder aus dem Bewusstsein und die
Leute erinnern sich nicht daran. Deshalb stelle ich zusammen, welche Bars
es in welchen Städten wie lange gab und welche Erfahrungen Frauen dort
gesammelt haben. Es ist eine Art Geschichtsschreibung."
"Das 8.Feld" - allein schon die medialen Vorberichte zu dieser Schau lassen
einen Publikumserfolg erwarten. Sitzt man dem Museumsdirektor Kasper König
gegenüber, zweifelt man aber keinen Augenblick daran, wie ernsthaft und
geradezu didaktisch alles angelegt ist - demnach kein Schielen auf
boulevardeske Verkäuflichkeit und die Devise "Sex sells”:
"Man kann nicht durch die Ausstellung laufen und sagen: Das dort ist ein Schwuler, das eine Lesbe und das ein Hetero. Uns geht es immer um bestimmte Themen und zwei Drittel der Auswahl sind künstlerisch absolut substantiell, diese Werke haben ihre eigene Form zum Thema und sind von der modernen Kunstgeschichte nicht zu trennen."
Wie manch andere Themenausstellung ächzt auch diese unter der
Materialfülle. Obwohl sie über drei Etagen inszeniert ist, stößt sie an
räumliche Grenzen. Dabei hätten es durchaus 100 oder 200 Werke mehr sein
können - und von bestimmten Artisten wie Warhol oder Cindy Sherman wären
noch ganz andere Beispiele denkbar gewesen. Ein Beitrag fasziniert Kasper
König besonders:
"Ich habe gerade den Go-go-Tänzer gesehen, der im silbernen Höschen eine halbe Stunde lang auf der Go-go-Plattform tanzt. Interessant ist, dass diese halbe Stunde nicht angekündigt wird, es funktioniert nach dem Zufallsprinzip."
Es ist in jedem Fall ein assoziationsreicher Museumsjahrmarkt, auf dem der
Besucher seine eigene Feldforschung betreiben kann. Stellt diese
Ausstellung nun eher einen "Garten der Lüste" dar - und verwandelt das
Museum so in "Ludwigslust” - , oder zeigt es Sexualität überwiegend als
einen "Vorhof der Hölle", mit sozialer Ausgrenzung und Aidsgefahr?
Mit am anrührendsten ist das Krankenhausfoto Nan Goldins: hervorgehoben
wird der abgemagerte Arm eines an Aids sterbenden Mannes.
Ein Blickfang im Außenraum ist dem Museum, auch ohne freche Plakate,
erhalten geblieben. Hans-Peter Feldmann hat, sehr frei nach Michelangelo,
eine große "David"-Figur geschaffen: mit rosa Haut, gelbem Haupt- und
gelbem Schamhaar. Doch die japanischen Touristen am Heinrich-Böll-Platz
zielen mit ihren Kameras lieber an dieser Skulptur mit ihrem "Wurmfortsatz"
vorbei und knipsen, ganz konventionell, den mächtigen Kölner Dom im
Hintergrund. Vielleicht ändert sich das ja noch.
Service:
Die Ausstellung "Das achte Feld - Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960" ist noch bis zum 12. November 2006 im Kölner Museum Ludwig zu sehen.