Assistierter Suizid in kirchlichen Einrichtungen

Alle bis zum Lebensende begleiten

13:44 Minuten
Illustration einer Person, die ein Krankenbett mit einer anderen Person in helles Licht schiebt.
Hilfe, um das eigene Leben zu beenden: In begründeten Ausnahmefällen könnten das auch kirchliche Einrichtungen ermöglichen, sagt der evangelische Theologe Werner Weinholt. © Getty Images / Science Photo Libra / Fanatic Studio / Gary Waters
Werner Weinholt im Gespräch mit Anne Françoise Weber · 20.11.2022
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Menschen, die ihr Leben beenden wollen, dürfen Hilfe in Anspruch nehmen, so das Bundesverfassungsgericht. Für Werner Weinholt von der Johannesstift Diakonie heißt das: Auch in deren Einrichtungen sollte assistierter Suizid nicht ausgeschlossen sein.
Anne Françoise Weber: Haben Menschen ein Recht darauf, Hilfe zu erhalten, wenn sie ihrem Leben ein Ende setzen wollen? Das ist eine ganz grundsätzliche Frage, die das Bundesverfassungsgericht durch sein Urteil im Februar 2020 grundsätzlich mit „ja“ beantwortet hat. Der assistierte Suizid ist damit in Deutschland legal geworden – aber eine genaue rechtliche Regelung steht noch aus. Es gibt momentan drei Gesetzesentwürfe, und demnächst sollen die Beratungen im Rechtsausschuss des Bundestages erst mal weitergehen.

Auch Einrichtungen müssen entscheiden

Das Ganze muss eine Entscheidung des Einzelnen bleiben, sehr selbstbestimmt, das ist klar. Aber es gibt doch einen ganzen Schwanz an Fragen, die sich daraus ergeben, zum Beispiel: Was machen Einrichtungen, die todkranke Menschen versorgen? Können sie den assistierten Suizid in ihren Räumen untersagen, weil das ihrer grundsätzlichen Ausrichtung widerspricht? Sollten sie das tun?

Hilfsangebote für Suizidgefährdete und ihre Angehörigen:
Wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen.
Die Telefonseelsorge in Deutschland ist unter den kostenlosen Rufnummern 0800-1110111 und 0800-1110222 erreichbar.
Hier finden Sie eine Liste mit bundesweiten Beratungsstellen.

In der katholischen Kirche ist die Antwort relativ einfach: Da sieht man traditionell eine christliche Verpflichtung zum Lebensschutz, und die steht eben jeglicher Unterstützung eines Suizids entgegen, so wird da argumentiert. In der evangelischen Kirche in Deutschland gibt es Stimmen, die sagen: Bei aller Priorität für den Erhalt des Lebens können wir doch todkranken Menschen in unseren Einrichtungen solch einen Weg nicht verwehren.
Was dafür und was dagegen spricht, einen assistierten Suizid auch in evangelischen Einrichtungen durchführen zu lassen, möchte ich mit Werner Weinholt besprechen. Er ist theologischer Leiter der Johannesstift Diakonie, eines großen Sozialunternehmens, das unter anderem vier stationäre Hospize betreibt.

Die Autonomie achten

Herr Weinholt, der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel, früher Mitglied im Deutschen Ethikrat, sagt, bei einer dramatischen Leidenssituation könnte es moralisch sogar geboten sein, einem Sterbewilligen zu einem sanften Sterben zu helfen. Finden Sie das auch aus christlicher Sicht geboten?
Werner Weinholt: Das ist immer eine Einzelfallentscheidung, darauf legen wir sehr viel Wert. Sie haben einleitend schon darauf hingewiesen, dass es um Lebensschutz geht – so einfach ist es natürlich nicht, denn ein Christenmensch, sag ich mal freimütig, steht immer im Gegenüber zwischen Lebensschutz, Fürsorge für den anderen, die uns aufgegeben ist, und der Achtung der Autonomie.
Werner Weinholt, im dunklen Sakko und weißem Hemd, lächelt in die Kamera.
Reflektierter Lebensabschied: Werner Weinholt von der Johannesstift Diakonie ist es wichtig, dass über Sterbewünsche auch in kirchlichen Einrichtungen offen gesprochen werden kann.© Johannesstift Diakonie
Das heißt, um Herrn Merkel aufzunehmen: Es mag Situationen geben im Leben eines Menschen, wo es aus Fürsorgegründen und aus Gründen der Achtung seiner Autonomie geboten sein kann, ihn mindestens zu begleiten, wenn er sich assistiert suizidiert – ja.

Gesetz soll Sicherheit geben

Weber: Bisher haben wir ja nur dieses Urteil, das sagt: Menschen haben ein Recht auf so eine Begleitung. Wir haben keine genaueren gesetzlichen Regelungen. Diese verschiedenen Gesetzesentwürfe, die es gibt - da können wir jetzt nicht im Einzelnen drauf eingehen, aber das Spektrum geht da im Grunde von relativ geringer Regulierung und vor allem dem Gedanken, dass das nicht im Strafgesetzbuch verankert sein darf, bis zu hohen Auflagen, also mehrere Beratungsgespräche und Gutachten sollen da erstellt werden, denn sonst wäre die Sterbehilfe weiterhin strafbar.
Die Gegner finden, das ist ein zu harter Eingriff, es bleibt ein Grundrecht nach dem Bundesverfassungsgericht, das können wir also nicht über das Strafgesetzbuch regeln. Was würden Sie denn sagen, welche Regelungen sind aus Ihrer Sicht unabdingbar?
Weinholt: Regelungen sind meines Erachtens immer dafür da, Menschen zu schützen und Menschen Sicherheit im Handeln zu geben. Auch das mag im Einzelfall unterschiedlich sein. Wenn ich in den Bereich des Sterbens gehe – in den Bereich "End of Life" sagt man ja modern –, wird es schwierig, rechtliche Regelungen zu machen. Ich bin schon froh, dass das Ganze aus dem Bereich des Strafgesetzbuches raus ist. Es ist am Ende eine Würdefrage, eine Verfassungsfrage – dahin wird es ja auch verschoben.

Bislang ist assistierter Suizid teuer

Und ich denke, der Gesetzgeber wird merken – das sehen Sie an den Entwürfen, die jetzt ja auf dem Tisch liegen –, dass man gar nicht so viel regeln kann. Man kann Beratungspflichten regeln, man kann Zeiten regeln, und was man auch regeln muss, das gibt ein Gesetzesentwurf ja auch vor: Man muss regeln, dass diese Formen am Ende des Lebens möglich sein müssen für möglichst viele Menschen.

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Wenn Sie in die Sterbehilfeorganisation der Schweiz gucken, das hat mal jemand erhoben, dann zahlen Sie im Regelfall zwischen 5.000 und 7.000 Euro ein, bevor Sie überhaupt auf den assistierten Suizid zugreifen können, wenn Sie das dann wollen.
Da hätten wir als christliche Kirchen, glaube ich, allesamt ein großes Interesse, wenn wir uns auf den Weg begeben, dass möglichst viele Menschen auch in gleicher Weise, wenn sie dann die Entscheidung treffen, in dieser Weise begleitet werden.

Nicht nur Todkranke wollen sterben

Weber: Das sagen Sie jetzt im Hinblick auf die finanziellen Möglichkeiten. Es gibt aber ja auch diese Frage: Was ist erstens mit Menschen, die nicht todkrank sind, also die aus anderen Gründen sagen: "Ich will meinem Leben ein Ende setzen?" Und was ist mit Menschen, die so krank sind, dass man sagt: "Im Grunde sind die nicht mehr zu einer selbstbestimmten Entscheidung fähig?" Vielleicht haben sie aber doch klare Phasen und äußern vielleicht doch sehr deutlich auch diesen Wunsch nach einem assistierten Suizid.
Weinholt: Bei der zweiten Gruppe, wenn sie klare Phasen erleben, sind sie ja in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Wir würden als diakonischer Träger, wie vermutlich alle im evangelischen Bereich, die Grenze ziehen, wo Menschen diese klare Entscheidung nicht mehr treffen können, weil die Beendigung des Lebens keine Frage ist, die man im Grunde delegieren kann.
Das ist eine große Herausforderung an der Stelle, weil es alles das, was wir tun, natürlich dann auch wieder eingrenzt – da kommen wir aber möglicherweise nicht umhin.
Das andere ist, wenn Sie sich die Multiperspektivität von Leiden und Schmerzen angucken – das haben wir bei Corona ja noch mal gelernt: Wir haben eine hohe Sensibilität für physische, also körperliche Schmerzen. Wir arbeiten aber in der Medizin und in der Ethik lange damit, dass es auch psychische Schmerzen geben kann, dass es psychosoziale Schmerzen gibt, dass es spirituelle Schmerzen gibt.

Psychosoziale Schmerzen beachten

Und wenn man das ganze Spektrum anguckt, dann muss man ehrlicherweise sagen: Es gibt eine Form von Schmerz, die ist nicht messbar, die ist aber genauso hoch zu achten am Lebensende, wenn Menschen eine Entscheidung treffen, wie alle anderen Formen.
Weber: Aber in einem Gutachten dann auch schwer zu messen.
Weinholt: Das ist richtig.
Weber: Wie ist jetzt die aktuelle Situation? Wir haben keine gesetzliche Regelung, wir haben aber Vereine in Deutschland, die den assistierten Suizid durchführen, die nach ihren eigenen Richtlinien urteilen. Dürfen diese Vereine in die Einrichtungen der Johannesstift Diakonie kommen und so einen assistierten Suizid durchführen oder auch nur darüber informieren?
Weinholt: Wir haben das faktisch noch nicht erlebt, weil Menschen in unseren Einrichtungen arbeiten und leben, die darauf bisher nicht zugegriffen haben. Möglicherweise liegt es daran, dass wir andere Präventiv- und andere End-of-Life-Formen entwickelt haben, die wir auch schon anwenden.

Auch Sterbefasten beendet das Leben aktiv

Der assistierte Suizid, darauf weisen wir ja immer hin, wenn wir im Gespräch sind, ist eine Form des Umgangs am Ende des Lebens. Es gibt andere Formen, die sind ähnlich aktiv. Das Sterbefasten – das heißt: das bewusste Aussetzen von Essen und Trinken – , ist ja auch eine aktive Form, dem Leben ein Ende zu setzen, auch in einer freien Entscheidung, die Form der palliativen Sedierung ist so etwas.
Die Erfahrung, die wir machen, ist: Das Thema kommt von Patienten, Bewohnern und Gästen immer weniger auf, je mehr wir palliativ arbeiten und andere Formen der Schmerztherapie anwenden.
Weber: Sie haben auch für Ihre Mitarbeitenden einen Flyer erstellt, in dem geht es grundsätzlich um Sterbewünsche. Ist die Frage nach einem assistierten Suizid oder die Bitte darum ein "normaler" Sterbewunsch wie andere auch? Oder ist da doch noch was anderes drin, weil eben das Lebensende sozusagen – christlich formuliert – nicht in Gottes Hand, sondern in Menschenhand liegt?
Weinholt: Wir erleben das im Moment in der Tat eher als die Ausnahme, wie schon immer. Aber dadurch, dass die Gesellschaft dieses Thema diskutiert – ich würde sagen: endlich diskutiert –, kommen natürlich zum Gesprächseinstieg solche Formulierungen wie „Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, kannst du mir ein Medikament besorgen?“ immer häufiger.

Offen mit dem Thema umgehen

Und deswegen haben wir diesen Flyer formuliert, um Mitarbeitende fit zu machen, das Gespräch zu führen. Im Gespräch entwickeln sich aber dann meist ganz andere Formen.
Weber: Aber ist das nicht ein enormer Druck auch auf die Mitarbeitenden? Also, gerade wer im Hospiz arbeitet, arbeitet da ja mit dem Wunsch, die letzten Tage möglichst angenehm zu gestalten, Leiden zu lindern und so weiter, aber im Grunde wahrscheinlich doch mit einer Grundhaltung, das Leben möglichst lange zu einem schönen Ende zu führen. Wenn da jetzt plötzlich jemand kommt und sagt: "Du, ich bin hier im Hospiz, aber eigentlich wäre ich am liebsten morgen weg." – was macht das mit Mitarbeitenden?
Weinholt: Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben Mitarbeitende erlebt, die, seitdem wir offen mit dem Thema umgehen, sagen: "Endlich!" Denn das Leben am Ende schön zu gestalten, kann eben manchmal auch bedeuten, Leid zu vermindern. Wir haben Mitarbeitende, die sagen: "Ich habe deutliche Probleme damit, dass es eine aktive Form der Begleitung im Suizid geben kann." Mit denen machen wir Prozesse, wir machen Mediation, wir klären auf.
Wir haben, als wir unsere Haltung entwickelt haben, dass wir grundsätzlich am Lebensende den assistierten Suizid nicht für die richtige Möglichkeit halten, aber in begründeten Ausnahmefällen ihn durchzuführen, erlebt, dass wir die Mitarbeitenden gerade in der Hospiz- und Palliativarbeit voll überwiegend mitgenommen und mitbekommen haben.
Sie sagen: "Wir kümmern uns, und es ist eine Präventivmaßnahme, dass ich offen darüber sprechen kann." Wir begleiten das natürlich mit viel Fort- und Weiterbildung und anderen Prozessen.

Nachfrage beim Sterbefasten steigt nicht

Weber: Wenn Sie in die Schweiz blicken oder in die Niederlande, wo der assistierte Suizid schon länger möglich ist und wo die Zahlen einfach relativ hochgehen – also, in der Schweiz hat sich das im Laufe eines Jahrzehnts vervierfacht –, haben Sie dann manchmal auch Bedenken in die Richtung: 'Wenn das jetzt hier enttabuisiert wird, wenn die Möglichkeiten bestehen, dann ist das irgendwann eine Form des Lebensendes, von der Menschen denken, sie müssten die wählen, weil sie eben niemandem auf der Tasche liegen wollen, niemanden zu Besuchen anhalten wollen.' Sie wollen einfach möglichst schnell und für alle anderen bequem aus dem Leben scheiden.
Weinholt: Diese Befürchtung hätte ich eher nicht. Es kann passieren. aber ich hätte eher die Befürchtung, dass mit der weiteren Tabuisierung andere Formen des Suizids eine Rolle spielen. Das ist das eine, denn der assistierte Suizid ist ja im Grunde genommen eine reflektierte, im Prozess begleitete Form des Lebensabschiedes, der dann aktiv dem Leben ein Ende setzt.
Es gibt aber ja andere Formen: Wir haben Geriatrien. Und wir erleben regelmäßig, dass Menschen sich das Leben nehmen, weil sie keine andere Möglichkeit sehen - das ist das eine.
Das Zweite ist: Der assistierte Suizid ist ja nur eine Form im End-of-Life-Prozess. Und wir machen die Erfahrung, dass auch, als wir angefangen haben, aktiv über das Sterbefasten zu arbeiten, das Sterbefasten anzubieten, der Hype dann auch nicht nach oben gegangen ist und alle Leute plötzlich Sterbefasten gefordert haben.

Aktive Suizide verhindern

Wir gehen sehr sensibel – auch begleitet durch Ethikarbeit, durch psychosoziale Betreuung – mit Therapiezielveränderungen, also palliativer Sedierung und anderen Formen am Ende des Lebens um, haben auch da nicht die Erfahrung, dass das nach oben gegangen ist.

Ich vermute, wenn wir es gut hinbekommen, die Sterbeprozesse und den assistierten Suizid zu integrieren in diese Gesellschaft, dann wird es auch nicht weit nach oben gehen. Möglicherweise wird es auch den einen oder anderen aktiven Suizid verhindern.

Weber: Sie haben bei einer Tagung der Evangelischen Akademie vor ein paar Wochen auch über die Position der Johannesstift Diakonie gesprochen, und da hat jemand von einem anderen evangelischen Werk gesagt: Moment mal, wir haben auch Einrichtungen der Jugendhilfe, so wie Sie auch. Und da sagen uns die Mitarbeitenden: "Wir brauchen von unserer Einrichtung ein klares Nein zum assistierten Suizid, denn sonst können wir diesen Jugendlichen, die so sehr ihr Leben infrage stellen, nicht gegenübertreten und sagen: 'Wir kämpfen hier um dein Leben.'" Was sagen Sie? Ich meine, Sie haben auch Jugendhilfe in Ihrer Einrichtung.
Weinholt: Möglicherweise sagen wir: "Wir sind im Prozess an der Stelle noch nicht fertig." Möglicherweise werden wir das in der Jugendhilfe auch sagen müssen. Wichtig ist in dem Bereich diakonischer Träger, dass jeder Träger - und zwar in der Zusammenbetrachtung von Mitarbeitenden und von den Menschen in der Jugendhilfe, Klienten oder Bewohnern und Gästen gemeinsam - in diesen Prozessen Verständnis entwickelt: Was wollen wir eigentlich, wo wollen wir hin? Das verlangt die Fürsorge und die Barmherzigkeit, die uns in dem Prozess aufgelegt ist.

Wer ablehnt, begleitet nicht bis zum Ende

Und dann mag es sein, dass auch ein Träger sagt: "Das gibt es bei uns nicht, das machen wir nicht." Er muss dann aber auch die Konsequenzen tragen und sagen: "Dann halten wir auch den Satz 'Wir begleiten Menschen bis zum Lebensende' oder 'Wir sind da, wenn du uns brauchst' nicht mehr durch." Das eine geht nicht ohne das andere, und da gibt’s viele verschiedene Möglichkeiten.
Weber: Aber die Konsequenz ist, wenn ein Träger sagt: "Wir machen das nicht", dann gegebenenfalls auch einen todkranken Menschen aus dem Hospiz woandershin zu verlagern, wenn diese Person entschieden hat, sie will aber einen assistierten Suizid machen.
Weinholt: Das ist in einem Fall in Berlin vor anderthalb Jahren auch passiert – nicht bei uns, aber in einem Fall. Das ist eine konsequente Haltung. Das wäre nicht unsere Haltung, weil wir sagen: Wir sind bei euch bis zum Lebensende und lassen den assistierten Suizid – das geht ja im Moment – mindestens zu.
Und wenn die rechtlichen Regelungen da sind, würden wir uns auch bereiterklären, bis zum Lebensende zu begleiten, ohne dass wir das von Mitarbeitenden verlangen. Aber wir haben ein Unternehmen, in dem Menschen sind, die sagen: "Ich bin auch bereit, das zu begleiten."

Mit Barmherzigkeit handeln

Weber: Und was sagen Sie jetzt einem, sagen wir mal, katholischen Kollegen, der sagt: "Wie könnt ihr nur, das ist unchristlich, was ihr da macht"?
Weinholt: Ich bin immer vorsichtig mit dem Wort unchristlich. Die katholische Kirche lebt ja sehr viel stärker normenorientiert als die evangelische Kirche und ist sehr stark von einem Lehramt geprägt. Und wenn es eine konsequente Haltung ist, die von allen mitgetragen wird, dann ist das eine Haltung, die man von einem Caritas-Träger – das sind ja die katholischen Träger – mit allem Respekt dann auch akzeptieren muss.
Der Träger muss akzeptieren, dass Menschen ihn dann verlassen, weil sie diese Haltung nicht mittragen. Am Ende sage ich immer: "Dem Christenmensch ist aufgetragen, mit großer Barmherzigkeit solche Prozesse zu begleiten." Und wenn alle Beteiligten eines Trägers sich darüber einig sind, dass das ihre Haltung ist, müssen sie mit aller Barmherzigkeit dafür sorgen, dass die Menschen dann anderswo gut versorgt werden.
Weber: Barmherzigkeit, das ist vielleicht eine ganz gute Richtlinie für diese schweren Fragen zum Lebensende.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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