Aspen-Institut Berlin: USA und Europa brauchen gemeinsame Nahost-Politik
Der Direktor des Aspen-Instituts in Berlin, Charles King Mallory IV, hat einen neuen strategischen Dialog zwischen den USA und Europa über den Nahen Osten gefordert. "Wir versuchen noch, mit einer alten Landkarte durch die neue strategische Landschaft zu wandern", beklagte er.
Deutschlandradio Kultur: In fünf Tagen beginnen die Vorwahlen im Bundesstaat Iowa. Versetzen Sie sich mal in die Lage der Republikaner. Welchen Kandidaten würden Sie wählen?
Charles King Mallory IV: Ja, also, das ist sehr, sehr schwierig im Moment, weil es keinen im republikanischen Umfeld gibt, der wirklichen einen Vorteil hat. Im Unterschied zu den Demokraten, wo Frau Clinton bisher eine deutlich führende Rolle gespielt hat, gibt es keine deutliche Nummer eins unter den Republikanern. Es sieht so aus, dass Herr Huckabee eine sehr gute Position. Allerdings steht Romney nicht so weit hinter ihm. Persönlich bin ich der Meinung, dass der McCain der einzige Kandidat unter den Republikanern ist, der eine Chance hat, im November nächsten Jahres zu gewinnen.
Deutschlandradio Kultur: Ist er bekannt genug dafür?
Charles King Mallory IV: Bekannt ist er schon, aber er ist leider ziemlich unpopulär in der Partei, weil er sehr verschiedene Positionen eingenommen hat. Sie stimmen nicht überein mit der Basis der Partei, was Immigration betrifft, was Finanzierung von Wahlkampfkampagnen betrifft. Sie haben sich unterschieden von der Meinung des Präsidenten und der Partei.
Deutschlandradio Kultur: Zugespitzt gefragt: Was müssten denn die Kandidaten der Republikaner in die Waagschale werfen, damit sie wirklich Chancen haben bei den kommenden Präsidentschaftswahlen?
Charles King Mallory IV: Ganz ehrlich gestanden bin ich der Meinung, dass das amerikanische Publikum nach sieben Jahren einfach für einen Wechsel bereit ist. Eigentlich müsste man es umgekehrt sagen. Der Kandidat oder die Kandidatin der demokratischen Seite muss etwas wirklich falsch machen, um den Republikaner eine Chance zu geben, irgendwie noch zu gewinnen.
Deutschlandradio Kultur: Aber was ist da passiert? Wir haben doch bei den letzten beiden Wahlen darüber gesprochen, dass die amerikanische Gesellschaft gespalten sei. Es stehe 50:50. Demokraten und Republikaner kämpften um jede Stimme, um jede Wahlurne. Und jetzt sagen Sie "Wechselstimmung", als sei all das, worüber wir in den Jahren zuvor geredet haben, weggeblasen.
Charles King Mallory IV: Es hat in den letzten Monaten meiner Ansicht nach einfach einen Umbruch gegeben. Es gab viele Fälle von Inkompetenz im Verhalten der Regierung. Die Leute sind ein bisschen müde von dem Stil und auch ein bisschen erschöpft von diesem Krieg. Es ist allerdings Kriegszeitstimmung in Amerika. Das darf man nicht vergessen. Und das kann es für die demokratische Seite auch schwieriger machen. Aber es würde mich nicht erstaunen, wenn die Demokraten tatsächlich zur Macht kommen würden.
Deutschlandradio Kultur: Wir müssen aber erst noch mal rauskriegen, wen sie tatsächlich ins Rennen schicken wollen. Da gibt es Barack Obama und Hillary Clinton. Einmal ist es eine Frau, einmal ist es ein schwarzer Kandidat. Wofür wird sich die Gesellschaft entscheiden? Denn beide Personen polarisieren auch in gewisser Weise.
Charles King Mallory IV: Im Moment sieht es so aus, als ob Frau Clinton 20 Punkte vor Obama steht. Das ist ein wesentlicher Vorteil und es ist schwer für Herrn Obama aufzuholen.
Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie uns über das Profil sprechen. Hillary Clinton steht für politische Erfahrung, Barack Obama, ihr demokratischer Konkurrent, für den jugendlichen Veränderer. Und dann der Republikaner Mike Huckabee, ein Pastor, ein Prediger, der vielleicht für den Protest der Provinz gegen das Washingtoner Establishment, also auch gegen Hillary Clinton steht. Wer macht da derzeit am besten die Stimmung aus? Ist das nicht genau der Streit der amerikanischen Gesellschaft?
Charles King Mallory IV: Richtig. Und man vergisst hier manchmal, dass das politische Zentrum in Amerika wesentlich mehr zur rechten Seite neigt als hier in Deutschland. Wenn man sich einfach mal Hillary Clinton und Barack Obama anschaut: Hillary hat die höchsten Negativpunkte eines Kandidaten für die Präsidentschaft, seit man diese erfasst. Ihr Mann ist ein positiver Faktor und ein negativer Faktor. Sie hat einen Plan für die Gesundheitsfürsorge, was positive Seiten hat, weil sie zumindest einen Plan hat. Aber jeder erinnert sich an das, was 1994 vorgekommen ist, wo eine Reform unter ihrer Führerschaft gescheitert ist. Sie gilt als Washington-Insider. Das ist nicht unbedingt positiv im Hinterland Amerikas. Sie hat eine unklare Position, was Irak betrifft, eingenommen und versucht, sich irgendwie nach links zu bewegen, ohne sich dafür zu entschuldigen, dass sie dafür votiert hat. Sie ist zu polarisierend. Sie ist ein bisschen kalt. Das sind ihre Vorteile und Nachteile. Also, ihr Vorteil ist, dass sie einfach die Erfahrung hat von der ersten Administration. Sie ist bestimmt eine sehr kluge, intelligente Frau.
Wenn man sich Obama ansieht, da hat er eine klare und eindeutige Position, dass er den Krieg im Irak beenden möchte, und er war auch früh dagegen. Also, es gibt da keine Zweideutigkeit von seiner Seite. Er möchte schnell die Truppen nach Hause bringen. Da ist aber auch die Frage auf der negativen Seite, ob er nicht ein bisschen "panglossisch" ist und ob nicht eine solche Politik Irak und die Region destabilisieren würde.
Deutschlandradio Kultur: Was ist "panglossisch"?
Charles King Mallory IV: Pangloss ist eine Figur von Voltaire, der immer die Welt positiv sah.
Deutschlandradio Kultur: Aber dafür steht doch auch Amerika – American Dream, Neuanfang, wir können alles machen, wenn wir die Kraft haben, wenn wir den Mut haben. Dafür steht doch eher jemand wie Barack Obama als Hillary Clinton, wie Sie sie beschrieben haben.
Charles King Mallory IV: Richtig. Und ich glaube, das Erfreuliche an dieser Wahl ist, dass wir einen schwarzen Kandidaten haben, der eigentlich Papabile ist, der zum Präsidenten gewählt werden könnte. Das traut man ihm zu und das ist für mich eine sehr positive Botschaft dieser Wahlen. Aber es ist einfach eine schlichte Tatsache, dass dieser Mann nur ein paar Jahre im Senat ist, überhaupt nicht die Erfahrung hat, die Frau Clinton besitzt. Seine Syrien- und Iran-Politik ist vielleicht naiv auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite kommt er mit keinen Altlasten. Er ist bereit, mit Iran zu reden. Er meint, dass er mit irgendwelchen wirtschaftlichen Vorteilen Iran dazu bringen wird, Sachen zu machen, was keiner Administration in 20 Jahren gelungen ist – also, herzlichen Glückwunsch.
Deutschlandradio Kultur: Ist es nicht schon allein eine Revolution, dass sich die amerikanische Gesellschaft, geprägt von weißen Präsidenten, plötzlich im Jahr 2008 vorstellen kann: eine Frau im Weißen Haus oder sogar einen Schwarzen - oder sogar einen Mormonen. Was ist da passiert, dass sich die Gesellschaft so weit entwickelt hat, dass sie sich das vorstellen kann?
Charles King Mallory IV: Nach den Auseinandersetzungen in den 60er Jahren sind wir mehr oder weniger zu einer multikulturellen Gesellschaft geworden. Ich würde einfach behaupten, dass wir besser und besser verschiedene Minoritäten in unser politisches Leben eingliedern. Und das ist eine erfreuliche Nachricht. Der einzige Nachteil mit Herrn Obama ist, er hat relativ wenig Erfahrung und er hat nicht das Netzwerk innerhalb der Demokratischen Partei, was Frau Clinton hat. Das braucht man im Endeffekt, um ins Weiße Haus zu kommen.
Deutschlandradio Kultur: Dann fragen wir Sie mal persönlich. Wo stehen Sie, wie würden Sie sich politisch selbst vorstellen?
Charles King Mallory IV: Ich würde mich als moderaten Konservativen bezeichnen. Ich bin kein Neo-Con, war auch nie ein Neo-Con, aber musste natürlich in dieser letzten Regierung arbeiten, die ja sehr von dem neokonservativen Einfluss geprägt wurde.
Deutschlandradio Kultur: Aber es gibt ja viele Fraktionen. Wenn man das mal durchgeht: Man kann religiös sein, man kann liberal sein bei den Konservativen. Man kann konservativ im engeren Sinne sein, man kann neokonservativ sein. Was kann man alles noch sein? Nationalistisch kann man auch noch sein.
Charles King Mallory IV: Evangelisch.
Deutschlandradio Kultur: Evangelisch kann man auch noch sein. Wo stehen Sie da in diesen vielen Schattierungen, wenn Sie die überhaupt interessieren?
Charles King Mallory IV: Tja, ich würde mich als moderater Konservativer beschreiben. Das heißt, mit eher konservativer Ansicht, was die nationale Sicherheitspolitik betrifft, und eher liberalen Ansichten, was die Sozialpolitik betrifft. Da hat jemand zynisch gesagt, das sei natürlich die teuerste Version.
Deutschlandradio Kultur: Was können moderate Konservative dem Land Amerika in den nächsten Jahren geben?
Charles King Mallory IV: Vor allem gerade jetzt die Einsicht im Ausland, dass es andere Meinungen gibt unter den konservativen Kräften in Amerika, dass diese Neokonservativen nicht unbedingt stellvertretend sind für die ganze konservative Bewegung in Amerika. Es gibt durchaus konservative amerikanische Leute, die nicht einverstanden sind mit Guantanamo oder die nicht einverstanden, sondern empört sind über Abu Ghraib, die diese Festnahmen mitten in der Nacht von amerikanischen Bürgern, die verschleppt werden und dann vier Jahre keinen Rechtsanwalt bekommen, die es so sehen wie im prä-stalinistischen Russland – heute der Herr Padilla und morgen bin ich es. Das ist etwas, was wir vielleicht beitragen können.
Deutschlandradio Kultur: Das muss ich nachfragen: Ist es den Konservativen eigentlich derzeit peinlich, konservativ zu sein? Das heißt, wer mit Religiosität, mit Moralität den Wahlkampf bestreitet, jetzt auch interessanterweise den neuen Wahlkampf wieder bestreitet, und dann an seiner eigenen Lebensweise, an seinen eigenen Skandalen – denken wir an Bill Clinton, den man gejagt hat wegen seiner Sex-Affären –, aber nun seine eigenen Skandale hat und dann das, was Sie sagen, das Fanal Abu Ghraib. Müsste es den Leuten nicht peinlich sein, wie sie ihre Politik angelegt haben, auf rigorose Moralität?
Charles King Mallory IV: Wie kann man das sagen? Säkulare Institutionen sind schwach. Wenn man 130.000 Leute unter seiner Aufsicht hat irgendwo auf der Erde, wird es immer jemanden geben, der sich nicht benimmt, der sich sogar sehr schlimm benimmt oder sogar gegen moralische Gesetze verstößt. Das waren im Endeffekt unter dieser 130.000-Truppe vielleicht höchstens 50 Männer und Frauen. Ich möchte auf keine Art und Weise Abu Ghraib damit entschuldigen. Das war eine Schande und das wird es lange Zeit noch bleiben. Was Religion in unserer Politik angeht, muss man einfach sehen, dass für viele, viele Amerikaner Religion eine sehr, sehr wichtige Rolle spielt in ihrem Leben.
Deutschlandradio Kultur: Aber gerade für Republikaner, die von der Achse des Bösen reden, nicht "die" Republikaner, aber der amerikanische Präsident, muss doch gerade so was wie Abu Ghraib ein Erdbeben sein, eine Zerstörung der Werte, die man so hochgehalten hat. Wahrscheinlich hätten Demokraten mit diesem Thema auch Schwierigkeiten gehabt, aber wären anders damit umgegangen. Gerade, dass es den Republikanern passiert ist, ist doch eigentlich genau dieses Erdbeben.
Charles King Mallory IV: Da haben Sie bestimmt Recht. Aber auf der anderen Seite, der Vorteil von diesem moralischen Ansatz ist, dass man moralische Klarheit hat. Das ist eine Sache, die man über den Herrn Bush sagen kann, er hat moralische Klarheit und weiß, wo er steht. Und in dieser Hinsicht wurde Herr Clinton in seiner Amtsperiode kritisiert. 20 Prozent der Deutschen sagen, dass Religion eine anal oder eine sehr große Rolle in ihrem Leben spielt. Aber 60 Prozent der Amerikaner sagen das. Das muss man einfach wissen, wenn man die amerikanische Politik verstehen will. Weil das führt dazu, dass Politiker in Amerika – viel mehr als hier in Deutschland – gezwungen werden, moralische oder religiöse Positionen einzunehmen, weil das einfach das Publikum verlangt.
Deutschlandradio Kultur: Aber dasselbe hatten wir doch schon bei Henry Kissinger, der letzten Endes gesagt hat, er habe zwar Werte, aber er mache Realpolitik. Und man hat es ihm vorgehalten, man fand das zu kalt. Aber ist jetzt nicht nach dieser Bush-Administration doch das Gefühl da zu sagen, man soll die menschlichen Schwächen, die Fehler der eigenen Politik vorweg denken und die Werte in einen Ausgleich dessen bringen, was man wirklich leisten kann?
Charles King Mallory IV: Richtig. Und ich meine, man muss nie seine eigene Bescheidenheit vergessen. Es soll doch eine Tugend unter den Christen sein, zu denen sich der Herr Präsident ja auch zählt. Aber es gab ja den Vorwurf gegen die Regierung seines Vaters, dass sie auch zu kalt und kalkulatorisch und realpolitisch war. Ich erinnere mich noch. In der Anlaufperiode zu Jugoslawien und dem ganzen Zerfall von Jugoslawien, wo die Europäer uns zuerst mal gesagt haben, haltet euch bitte raus, das ist eine europäische Angelegenheit. Das ging dann total daneben mit den Europäern. Und dann waren sie entsetzt, als Scowcroft und seine Gruppe, die ja alle jetzt so gelobt werden, sich einfach herausgehalten und gesagt haben, dass es da kein amerikanisch-nationales Interesse gäbe. Also, es geht in beide Richtungen.
Deutschlandradio Kultur: Können Sie uns denn republikanische Themen, Zukunftsthemen nennen, für die es sich lohnt in den nächsten Monaten in den Wahlkampf zu ziehen? Denn das, was Sie mit Religion besprochen haben, das macht ja auch teilweise Hillary Clinton. Die geht auch in die Kirche. Die versucht auch, religiöse Stabilität zu demonstrieren. Was sind republikanische Themen, für die es sich lohnt, in den Wahlkampf zu ziehen?
Charles King Mallory IV: Es gibt ein paar Themen. Der Wahlkampf wird auf zwei verschiedenen Ebenen geführt. In dieser Phase der Vorwahlen geht es darum, dass man mit dem Kern seiner eigenen Partei reden will. Das heißt, man ist dazu gezwungen, eher rechtere oder linkere Positionen einzunehmen. Dann zur Zeit der eigentlichen Wahlen muss man wieder in die Mitte rüber rücken. Bei den Themen, welche die Konservativen motivieren, ist Einwanderung, Zuwanderung, Immigration ein großes Thema. Herr McCain ist unbeliebt, weil er dafür ist, dass wir ein Gastarbeiterprogramm haben und dass wir eine Art von Amnestie haben für diejenigen Illegalen, die sich in Amerika befinden. Das ist entscheidend zwischen ihm und den anderen Kandidaten. Ich würde sagen, der Herr McCain ist eher pragmatisch. Wir haben 12 Millionen vom Süden, die illegal da sind. Man kann sie nicht – wie Herr Romney das tun will – nach Hause schicken. Das wird ein Thema im Vorwahlkampf sein. Im Wahlkampf kann das auch ein Thema sein, aber da wird es eher um Sachen wie Gesundheitsfürsorge und Ausbildung gehen. Natürlich ist für die demokratische Seite Irak und der Rückzug aus Irak eine prägende Frage in der Vorwahlperiode.
Deutschlandradio Kultur: Die Demokraten werfen ja den Republikanern vor, dass sie negativ auftreten. Sie machen Politik mit der Angst, mit der Angst vor dem Terror. Sie spalten die Gesellschaft. Ihre Themen sind Homosexuellen-Ehe oder eben Fremdenfeindlichkeit. Sie sind zum Teil auch gegen den Klimaschutz. Wo ist da die positive Idee? Ich erinnere nur, die Neokonservativen sind mal angetreten zu sagen: Wir sind nicht gegen Sozialpolitik, wir wollen nur wissen, ob die Sozialpolitik den Armen hilft oder sie schwächt. Das ist ja eine gute und interessante Frage, aber es ist eine positive Frage. Die hören wir nicht.
Charles King Mallory IV: Ja, im Moment prägt dieser Krieg gegen den Terror das Gespräch. Die Leute sind immer noch besorgt. Das nutzt man aus. Diese Fragen wie Homosexuellen-Ehe sind, was die Amerikaner "wedge issues" nennt, indem man gewisse Gruppen abspaltet. Und das hat eine sehr erfolgreiche Wirkung historisch gehabt und wird deswegen auch weiter benutzt. Ich stimme Ihnen zu. Man braucht eigentlich ein positives Zukunftsbild auf der republikanischen Seite. Und das ist eine von den Errungenschaften von Herrn Reagan gewesen. Er redete immer von dieser "City on the Hill", was natürlich ein Zitat aus der Bibel ist. Oder er hat gesagt, "es ist wieder Morgen in Amerika". Obwohl es eigentlich überhaupt keinen Inhalt hatte, hat er so eine positive Botschaft ausgestrahlt. Die fehlt gerade im Moment – ganz richtig.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, die Gefahr ist möglicherweise auch gegeben, dass die Republikaner Wahlkampf einfach gegen die Demokraten, möglicherweise gegen Hillary Clinton, machen und nicht mehr eigene Themen positiv besetzen.
Charles King Mallory IV: Hillary Clinton ist für die Republikaner natürlich die Traumkandidatin. Im Falle, wo sie Kandidatin wird, und das ist wahrscheinlich, kann man davon ausgehen, dass man Stück für Stück all die alten Lasten aus dem Keller wieder hochholt und vorspielt. Und das ist sehr negativ.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben viel über die Innenpolitik gesprochen. Sie sind eigentlich Außenpolitiker, jedenfalls waren Sie im State Department für einige Jahre als Nahost-Experte. Francis Fukuyama hat ein Buch geschrieben schon vor Jahren – "Amerika am Scheideweg". Mal abgesehen davon, dass sich da ein Neokonservativer davonstiehlt und sagt, er habe mit der Bush-Administration eigentlich nichts zu tun, ist denn seine Frage richtig? Steht Amerika außenpolitisch am Scheideweg?
Charles King Mallory IV: Ich glaube, wir - beide Seiten des Atlantiks - sind nach dem 11. September zum ersten Mal damit konfrontiert worden, dass wir uns jetzt in einer neuen strategischen Landschaft befinden und dass die Institutionen und die Annahmen, die unsere Außen- und Sicherheitspolitik bestimmt haben im Laufe von 50 Jahren, sich wesentlich geändert haben. Das Problem liegt darin: Damals gab es acht sowjetische Panzerarmeen an der innerdeutschen Grenze. Das hat sehr leicht dafür gesorgt, dass wir eine Interessengemeinschaft und einen Konsens gefunden haben über die Herausforderungen, die vor uns stehen. Das ist nicht mehr gegeben. So präsent ist die Herausforderung nicht, aber es gibt eine Herausforderung. Die Aufgabe für Amerikaner, die tatsächlich in dieser Hinsicht vor einem Scheideweg stehen, ist, irgendwie jetzt in einem strategischen Dialog mit ihren Partner im Westen einen neuen Konsens zu finden, was die Herausforderungen sind und was die Institution und was die Politik ist, die nötig ist, um irgendwie mit diesen Herausforderungen zurechtzukommen.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wir werden auf alle Fälle nach den Präsidentschaftswahlen eine Neuakzentuierung der Außenpolitik erleben, wir werden diese Bush-Außenpolitik teilweise zur Seite schieben müssen?
Charles King Mallory IV: Da habe ich eher meine Bedenken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine außenpolitische Elite in den Vereinigten Staaten gibt, die miteinander ständig reden und die sich schon im Klaren sind, dass die hauptstrategische Herausforderung in den nächsten 10 bis 15 Jahren in diesem Gebiet des Mittelostens liegen wird.
Es wird eher eine Änderung des Tons als des Inhaltes geben. Ich glaube, dass es schon inzwischen ziemlich klar ist, dass beide politischen Seiten in den Vereinigten Staaten erkannt haben, dass wir mehr Reformen in dieser Region brauchen, dass wir mehr Mitbestimmungsrechte in dieser Region brauchen. Und ich würde das übrigens nicht als Idealismus bezeichnen, wie sie es früher bezeichnet haben. Es ist eigentlich Realpolitik im Kern, die dann eine idealistische Verpackung hat für den Einzelverbrauch innenpolitisch. Es kommt häufig hier in Europa vor, dass man die ideologische Verpackung mit dem Sachinhalt verwechselt und an die ideologische Verpackung glaubt und nicht durchschaut und sieht, dass sich die eigentliche Realpolitik mit diesen 100 Millionen Menschen, die keinen Job bekommen, befasst, die auf der südlichen Grenze Europas sitzen, die nicht mitbestimmen dürfen, die entweder über die Moschee zur Terrororganisation gehen oder nach Europa auswandern und dann dort einverleibt werden müssen bzw. nicht einverleibt werden. Da ist die große strategische Herausforderung, wie man mit dieser demographischen Herausforderung zurechtkommt. Weil das eine Tatsache ist, vor der wir stehen, wird das – glaube ich – die Außenpolitik prägen. Deswegen wird es keine wesentliche, also 180-Grad-Umkehr, geben.
Deutschlandradio Kultur: Aber wie treten denn Amerikaner und Europäer da auf? Denn das ist ja wichtig für die gemeinsame Außenpolitik. Ich, als unbedarfter Bürger, sehe ständig Außenminister reisen, mal die europäischen, mal die amerikanische Außenministerin. Ich würde eigentlich annehmen, die Reisen sind alle gut abgestimmt. Ist dem so?
Charles King Mallory IV: Nein, überhaupt nicht. Man kann das – das ist jetzt keine Kritik an Eurem Außenminister - bei der Fahrt von Herrn Steinmeier nach Damaskus sehen. Die gehen einfach nicht in dieselbe Richtung wie die Vereinigten Staaten. Aber es ist zu viel, das zu erwarten zu diesem Zeitpunkt. Man muss erst mal eine gemeinsame Analyse teilen, die haben wir nicht einmal, bevor man über gemeinsame Politik reden kann, geschweige denn gemeinsame Institutionen.
Aber wir stehen vor einer gemeinsamen Herausforderung. Und zusammen spenden wir 80 Prozent der Auslandshilfsgelder, die in diese Region fließen. Ich meine, dass das wirklich vielleicht eine der wichtigsten Sachen ist. Im Endeffekt geht es um scheiternde oder gescheiterte Regime, die mit den Herausforderungen der Entwicklung nicht zurechtkommen. Da sind Entwicklungsmittel wirklich ein wichtiger Hebel, den wir haben. Aber wir haben noch nicht unter uns geklärt, was die Herausforderungen sind. Es ist einfach viel zu viel, zu erwarten, dass man jetzt schon koordiniert vorgeht, wenn man einfach nicht dieselbe Analyse teilt.
Deutschlandradio Kultur: Nehmen wir mal den Palästinenserkonflikt. Der amerikanische Präsident hätte dieses Thema zur Chefsache machen können zu Beginn seiner Amtszeit. Er fängt jetzt an, neun, zehn, elf Monate bevor seine Amtszeit zu Ende geht. Ist das noch sinnvoll?
Charles King Mallory IV: Ja, also, da muss man einfach sehen: Die Ausgangslage war, dass Präsident Clinton sehr, sehr viel von seinem eigenen Prestige in diese Verhandlungen in Wye River mit Barak und Arafat investiert hat. Er hat mehr oder weniger eine Ohrfeige von Arafat gekriegt.
Deutschlandradio Kultur: Vor acht Jahren?
Charles King Mallory IV: Ja. Und da kam die klare Botschaft für unsere Mannschaft: Pass auf, investiere nicht zu viel vom Prestige des Präsidenten in etwas, was möglicherweise zum Scheitern kommt. Das war das eine. Das zweite war, dass wir Herrn Arafat erwischt haben, als er Bargeld an Terroristen gegeben hat, um Terrorakte in Israel auszuüben. Das war keine Ausgangslage für vielversprechende Verhandlungen. Inzwischen hat sich das geändert. Herr Arafat ist leider gestorben. Und jetzt haben wir Herrn Mahmud Abbas. Und wir glauben auf amerikanischer Seite, dass wir in diesen Herrn Vertrauen haben können.
Zur Frage, ob es zu spät ist: Eigentlich hat ein amerikanischer Präsident in seinem letzten Amtsjahr, weil er nicht vor der Wiederwahl steht, möglicherweise mehr Manöverfreiheit bei Verhandlungen über Israel und Palästina, als er in den ersten sieben Jahren haben würde. Es ist nicht unbedingt ein Nachteil. Wäre es wünschenswert, dass man früher etwas vorgenommen hätte? Ja, aber es gab einfach die Ausgangsbedingungen nicht dafür.
Deutschlandradio Kultur: Schauen wir mal auf die Mitspieler im Nahen Osten. Die Russen waren immer mit dabei. Neu ist der Iran. Neu könnte auch China sein und vielleicht ganz neu sogar eines Tages Indien. Vor diesem Szenario: Ist es nicht eigentlich eine bittere Notwendigkeit, dass Amerikaner und Europäer enger zusammenarbeiten?
Charles King Mallory IV: Da kann ich nur zustimmen. Das ist im Grunde genommen eine der Aufgaben unseres Institutes. Wir brauchen einen neuen strategischen Dialog, der sich mal ganz sorgfältig und ordentlich der Reihe nach die neue strategische Landschaft anschaut. Wir versuchen noch, mit der alten Landkarte durch die neue strategische Landschaft zu wandern und stoßen immer gegen die Tatsache, dass die alte Landkarte nicht hilft. Und wir müssen einfach zusammen systematisch die neue Landschaft analysieren und sehen, wo unsere Interessen übereinstimmen und wo nicht, und auf dieser Basis eine neue Politik und neue Institutionen aufbauen.
Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal davon aus, Ihre Analysen sind richtig am Wannsee. Sie haben den Think Tank, Sie haben die richtigen Ideen, die richtigen Vorstellungen für Außenpolitik. Was passiert dann mit den Papieren? Können Sie die nach Washington schicken und sicher sein, dass die dort auch gelesen werden und in Teilen umgesetzt?
Charles King Mallory IV: Unsere Hauptaufgabe eigentlich ist nicht, wie ein klassischer Think Tank Papiere in die Welt zu verstreuen. Unsere Hauptaufgabe ist, die entscheidenden Personen von beiden Seiten des Atlantiks zusammenzubringen, und nicht nur die entscheidenden Personen, sogar Personen, die miteinander nicht unbedingt können oder sogar einander feindlich gegenüberstehen. Das ist die große Errungenschaft unseres Institutes im Kalten Krieg gewesen, dass wir den Ostblock und den Westblock in Berlin zusammengebracht haben. Das war einer der wenigen Orte, wo sie miteinander reden konnten oder wollten. Das ist, was wir anzubieten haben im Kontext eines neuen strategischen Dialogs zwischen Amerika und Deutschland, im Endeffekt irgendwie gemeinsame oder geteilte Ansichten zu suchen.
Deutschlandradio Kultur: Mir leuchtet schon ein, dass dieser Ansatz lohnenswert ist. Aber noch mal, um zurückzuspielen: Wäre nicht dieser Dialog eigentlich Sache der parlamentarischen Versammlung der Nato, womit wir vielleicht schon beim Problem sind?
Charles King Mallory IV: Ja, wissen Sie, jetzt reden Sie von einem Format. Unser Ansatz ist, dass es eigentlich null Sinn hat, solche Gespräche in einer Gruppe von mehr als 30 Leuten zu führen, 20 vielleicht maximal. Man muss eine Möglichkeit haben, sich wirklich grundsätzlich kennen zu lernen und auszutauschen. Und in einer 150-Plus-Versammlung kann man das einfach nicht.
Deutschlandradio Kultur: Dann bedanken wir uns ganz herzlich für das Gespräch!
Charles King Mallory IV: Gern geschehen!
Charles King Mallory IV: Ja, also, das ist sehr, sehr schwierig im Moment, weil es keinen im republikanischen Umfeld gibt, der wirklichen einen Vorteil hat. Im Unterschied zu den Demokraten, wo Frau Clinton bisher eine deutlich führende Rolle gespielt hat, gibt es keine deutliche Nummer eins unter den Republikanern. Es sieht so aus, dass Herr Huckabee eine sehr gute Position. Allerdings steht Romney nicht so weit hinter ihm. Persönlich bin ich der Meinung, dass der McCain der einzige Kandidat unter den Republikanern ist, der eine Chance hat, im November nächsten Jahres zu gewinnen.
Deutschlandradio Kultur: Ist er bekannt genug dafür?
Charles King Mallory IV: Bekannt ist er schon, aber er ist leider ziemlich unpopulär in der Partei, weil er sehr verschiedene Positionen eingenommen hat. Sie stimmen nicht überein mit der Basis der Partei, was Immigration betrifft, was Finanzierung von Wahlkampfkampagnen betrifft. Sie haben sich unterschieden von der Meinung des Präsidenten und der Partei.
Deutschlandradio Kultur: Zugespitzt gefragt: Was müssten denn die Kandidaten der Republikaner in die Waagschale werfen, damit sie wirklich Chancen haben bei den kommenden Präsidentschaftswahlen?
Charles King Mallory IV: Ganz ehrlich gestanden bin ich der Meinung, dass das amerikanische Publikum nach sieben Jahren einfach für einen Wechsel bereit ist. Eigentlich müsste man es umgekehrt sagen. Der Kandidat oder die Kandidatin der demokratischen Seite muss etwas wirklich falsch machen, um den Republikaner eine Chance zu geben, irgendwie noch zu gewinnen.
Deutschlandradio Kultur: Aber was ist da passiert? Wir haben doch bei den letzten beiden Wahlen darüber gesprochen, dass die amerikanische Gesellschaft gespalten sei. Es stehe 50:50. Demokraten und Republikaner kämpften um jede Stimme, um jede Wahlurne. Und jetzt sagen Sie "Wechselstimmung", als sei all das, worüber wir in den Jahren zuvor geredet haben, weggeblasen.
Charles King Mallory IV: Es hat in den letzten Monaten meiner Ansicht nach einfach einen Umbruch gegeben. Es gab viele Fälle von Inkompetenz im Verhalten der Regierung. Die Leute sind ein bisschen müde von dem Stil und auch ein bisschen erschöpft von diesem Krieg. Es ist allerdings Kriegszeitstimmung in Amerika. Das darf man nicht vergessen. Und das kann es für die demokratische Seite auch schwieriger machen. Aber es würde mich nicht erstaunen, wenn die Demokraten tatsächlich zur Macht kommen würden.
Deutschlandradio Kultur: Wir müssen aber erst noch mal rauskriegen, wen sie tatsächlich ins Rennen schicken wollen. Da gibt es Barack Obama und Hillary Clinton. Einmal ist es eine Frau, einmal ist es ein schwarzer Kandidat. Wofür wird sich die Gesellschaft entscheiden? Denn beide Personen polarisieren auch in gewisser Weise.
Charles King Mallory IV: Im Moment sieht es so aus, als ob Frau Clinton 20 Punkte vor Obama steht. Das ist ein wesentlicher Vorteil und es ist schwer für Herrn Obama aufzuholen.
Deutschlandradio Kultur: Lassen Sie uns über das Profil sprechen. Hillary Clinton steht für politische Erfahrung, Barack Obama, ihr demokratischer Konkurrent, für den jugendlichen Veränderer. Und dann der Republikaner Mike Huckabee, ein Pastor, ein Prediger, der vielleicht für den Protest der Provinz gegen das Washingtoner Establishment, also auch gegen Hillary Clinton steht. Wer macht da derzeit am besten die Stimmung aus? Ist das nicht genau der Streit der amerikanischen Gesellschaft?
Charles King Mallory IV: Richtig. Und man vergisst hier manchmal, dass das politische Zentrum in Amerika wesentlich mehr zur rechten Seite neigt als hier in Deutschland. Wenn man sich einfach mal Hillary Clinton und Barack Obama anschaut: Hillary hat die höchsten Negativpunkte eines Kandidaten für die Präsidentschaft, seit man diese erfasst. Ihr Mann ist ein positiver Faktor und ein negativer Faktor. Sie hat einen Plan für die Gesundheitsfürsorge, was positive Seiten hat, weil sie zumindest einen Plan hat. Aber jeder erinnert sich an das, was 1994 vorgekommen ist, wo eine Reform unter ihrer Führerschaft gescheitert ist. Sie gilt als Washington-Insider. Das ist nicht unbedingt positiv im Hinterland Amerikas. Sie hat eine unklare Position, was Irak betrifft, eingenommen und versucht, sich irgendwie nach links zu bewegen, ohne sich dafür zu entschuldigen, dass sie dafür votiert hat. Sie ist zu polarisierend. Sie ist ein bisschen kalt. Das sind ihre Vorteile und Nachteile. Also, ihr Vorteil ist, dass sie einfach die Erfahrung hat von der ersten Administration. Sie ist bestimmt eine sehr kluge, intelligente Frau.
Wenn man sich Obama ansieht, da hat er eine klare und eindeutige Position, dass er den Krieg im Irak beenden möchte, und er war auch früh dagegen. Also, es gibt da keine Zweideutigkeit von seiner Seite. Er möchte schnell die Truppen nach Hause bringen. Da ist aber auch die Frage auf der negativen Seite, ob er nicht ein bisschen "panglossisch" ist und ob nicht eine solche Politik Irak und die Region destabilisieren würde.
Deutschlandradio Kultur: Was ist "panglossisch"?
Charles King Mallory IV: Pangloss ist eine Figur von Voltaire, der immer die Welt positiv sah.
Deutschlandradio Kultur: Aber dafür steht doch auch Amerika – American Dream, Neuanfang, wir können alles machen, wenn wir die Kraft haben, wenn wir den Mut haben. Dafür steht doch eher jemand wie Barack Obama als Hillary Clinton, wie Sie sie beschrieben haben.
Charles King Mallory IV: Richtig. Und ich glaube, das Erfreuliche an dieser Wahl ist, dass wir einen schwarzen Kandidaten haben, der eigentlich Papabile ist, der zum Präsidenten gewählt werden könnte. Das traut man ihm zu und das ist für mich eine sehr positive Botschaft dieser Wahlen. Aber es ist einfach eine schlichte Tatsache, dass dieser Mann nur ein paar Jahre im Senat ist, überhaupt nicht die Erfahrung hat, die Frau Clinton besitzt. Seine Syrien- und Iran-Politik ist vielleicht naiv auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite kommt er mit keinen Altlasten. Er ist bereit, mit Iran zu reden. Er meint, dass er mit irgendwelchen wirtschaftlichen Vorteilen Iran dazu bringen wird, Sachen zu machen, was keiner Administration in 20 Jahren gelungen ist – also, herzlichen Glückwunsch.
Deutschlandradio Kultur: Ist es nicht schon allein eine Revolution, dass sich die amerikanische Gesellschaft, geprägt von weißen Präsidenten, plötzlich im Jahr 2008 vorstellen kann: eine Frau im Weißen Haus oder sogar einen Schwarzen - oder sogar einen Mormonen. Was ist da passiert, dass sich die Gesellschaft so weit entwickelt hat, dass sie sich das vorstellen kann?
Charles King Mallory IV: Nach den Auseinandersetzungen in den 60er Jahren sind wir mehr oder weniger zu einer multikulturellen Gesellschaft geworden. Ich würde einfach behaupten, dass wir besser und besser verschiedene Minoritäten in unser politisches Leben eingliedern. Und das ist eine erfreuliche Nachricht. Der einzige Nachteil mit Herrn Obama ist, er hat relativ wenig Erfahrung und er hat nicht das Netzwerk innerhalb der Demokratischen Partei, was Frau Clinton hat. Das braucht man im Endeffekt, um ins Weiße Haus zu kommen.
Deutschlandradio Kultur: Dann fragen wir Sie mal persönlich. Wo stehen Sie, wie würden Sie sich politisch selbst vorstellen?
Charles King Mallory IV: Ich würde mich als moderaten Konservativen bezeichnen. Ich bin kein Neo-Con, war auch nie ein Neo-Con, aber musste natürlich in dieser letzten Regierung arbeiten, die ja sehr von dem neokonservativen Einfluss geprägt wurde.
Deutschlandradio Kultur: Aber es gibt ja viele Fraktionen. Wenn man das mal durchgeht: Man kann religiös sein, man kann liberal sein bei den Konservativen. Man kann konservativ im engeren Sinne sein, man kann neokonservativ sein. Was kann man alles noch sein? Nationalistisch kann man auch noch sein.
Charles King Mallory IV: Evangelisch.
Deutschlandradio Kultur: Evangelisch kann man auch noch sein. Wo stehen Sie da in diesen vielen Schattierungen, wenn Sie die überhaupt interessieren?
Charles King Mallory IV: Tja, ich würde mich als moderater Konservativer beschreiben. Das heißt, mit eher konservativer Ansicht, was die nationale Sicherheitspolitik betrifft, und eher liberalen Ansichten, was die Sozialpolitik betrifft. Da hat jemand zynisch gesagt, das sei natürlich die teuerste Version.
Deutschlandradio Kultur: Was können moderate Konservative dem Land Amerika in den nächsten Jahren geben?
Charles King Mallory IV: Vor allem gerade jetzt die Einsicht im Ausland, dass es andere Meinungen gibt unter den konservativen Kräften in Amerika, dass diese Neokonservativen nicht unbedingt stellvertretend sind für die ganze konservative Bewegung in Amerika. Es gibt durchaus konservative amerikanische Leute, die nicht einverstanden sind mit Guantanamo oder die nicht einverstanden, sondern empört sind über Abu Ghraib, die diese Festnahmen mitten in der Nacht von amerikanischen Bürgern, die verschleppt werden und dann vier Jahre keinen Rechtsanwalt bekommen, die es so sehen wie im prä-stalinistischen Russland – heute der Herr Padilla und morgen bin ich es. Das ist etwas, was wir vielleicht beitragen können.
Deutschlandradio Kultur: Das muss ich nachfragen: Ist es den Konservativen eigentlich derzeit peinlich, konservativ zu sein? Das heißt, wer mit Religiosität, mit Moralität den Wahlkampf bestreitet, jetzt auch interessanterweise den neuen Wahlkampf wieder bestreitet, und dann an seiner eigenen Lebensweise, an seinen eigenen Skandalen – denken wir an Bill Clinton, den man gejagt hat wegen seiner Sex-Affären –, aber nun seine eigenen Skandale hat und dann das, was Sie sagen, das Fanal Abu Ghraib. Müsste es den Leuten nicht peinlich sein, wie sie ihre Politik angelegt haben, auf rigorose Moralität?
Charles King Mallory IV: Wie kann man das sagen? Säkulare Institutionen sind schwach. Wenn man 130.000 Leute unter seiner Aufsicht hat irgendwo auf der Erde, wird es immer jemanden geben, der sich nicht benimmt, der sich sogar sehr schlimm benimmt oder sogar gegen moralische Gesetze verstößt. Das waren im Endeffekt unter dieser 130.000-Truppe vielleicht höchstens 50 Männer und Frauen. Ich möchte auf keine Art und Weise Abu Ghraib damit entschuldigen. Das war eine Schande und das wird es lange Zeit noch bleiben. Was Religion in unserer Politik angeht, muss man einfach sehen, dass für viele, viele Amerikaner Religion eine sehr, sehr wichtige Rolle spielt in ihrem Leben.
Deutschlandradio Kultur: Aber gerade für Republikaner, die von der Achse des Bösen reden, nicht "die" Republikaner, aber der amerikanische Präsident, muss doch gerade so was wie Abu Ghraib ein Erdbeben sein, eine Zerstörung der Werte, die man so hochgehalten hat. Wahrscheinlich hätten Demokraten mit diesem Thema auch Schwierigkeiten gehabt, aber wären anders damit umgegangen. Gerade, dass es den Republikanern passiert ist, ist doch eigentlich genau dieses Erdbeben.
Charles King Mallory IV: Da haben Sie bestimmt Recht. Aber auf der anderen Seite, der Vorteil von diesem moralischen Ansatz ist, dass man moralische Klarheit hat. Das ist eine Sache, die man über den Herrn Bush sagen kann, er hat moralische Klarheit und weiß, wo er steht. Und in dieser Hinsicht wurde Herr Clinton in seiner Amtsperiode kritisiert. 20 Prozent der Deutschen sagen, dass Religion eine anal oder eine sehr große Rolle in ihrem Leben spielt. Aber 60 Prozent der Amerikaner sagen das. Das muss man einfach wissen, wenn man die amerikanische Politik verstehen will. Weil das führt dazu, dass Politiker in Amerika – viel mehr als hier in Deutschland – gezwungen werden, moralische oder religiöse Positionen einzunehmen, weil das einfach das Publikum verlangt.
Deutschlandradio Kultur: Aber dasselbe hatten wir doch schon bei Henry Kissinger, der letzten Endes gesagt hat, er habe zwar Werte, aber er mache Realpolitik. Und man hat es ihm vorgehalten, man fand das zu kalt. Aber ist jetzt nicht nach dieser Bush-Administration doch das Gefühl da zu sagen, man soll die menschlichen Schwächen, die Fehler der eigenen Politik vorweg denken und die Werte in einen Ausgleich dessen bringen, was man wirklich leisten kann?
Charles King Mallory IV: Richtig. Und ich meine, man muss nie seine eigene Bescheidenheit vergessen. Es soll doch eine Tugend unter den Christen sein, zu denen sich der Herr Präsident ja auch zählt. Aber es gab ja den Vorwurf gegen die Regierung seines Vaters, dass sie auch zu kalt und kalkulatorisch und realpolitisch war. Ich erinnere mich noch. In der Anlaufperiode zu Jugoslawien und dem ganzen Zerfall von Jugoslawien, wo die Europäer uns zuerst mal gesagt haben, haltet euch bitte raus, das ist eine europäische Angelegenheit. Das ging dann total daneben mit den Europäern. Und dann waren sie entsetzt, als Scowcroft und seine Gruppe, die ja alle jetzt so gelobt werden, sich einfach herausgehalten und gesagt haben, dass es da kein amerikanisch-nationales Interesse gäbe. Also, es geht in beide Richtungen.
Deutschlandradio Kultur: Können Sie uns denn republikanische Themen, Zukunftsthemen nennen, für die es sich lohnt in den nächsten Monaten in den Wahlkampf zu ziehen? Denn das, was Sie mit Religion besprochen haben, das macht ja auch teilweise Hillary Clinton. Die geht auch in die Kirche. Die versucht auch, religiöse Stabilität zu demonstrieren. Was sind republikanische Themen, für die es sich lohnt, in den Wahlkampf zu ziehen?
Charles King Mallory IV: Es gibt ein paar Themen. Der Wahlkampf wird auf zwei verschiedenen Ebenen geführt. In dieser Phase der Vorwahlen geht es darum, dass man mit dem Kern seiner eigenen Partei reden will. Das heißt, man ist dazu gezwungen, eher rechtere oder linkere Positionen einzunehmen. Dann zur Zeit der eigentlichen Wahlen muss man wieder in die Mitte rüber rücken. Bei den Themen, welche die Konservativen motivieren, ist Einwanderung, Zuwanderung, Immigration ein großes Thema. Herr McCain ist unbeliebt, weil er dafür ist, dass wir ein Gastarbeiterprogramm haben und dass wir eine Art von Amnestie haben für diejenigen Illegalen, die sich in Amerika befinden. Das ist entscheidend zwischen ihm und den anderen Kandidaten. Ich würde sagen, der Herr McCain ist eher pragmatisch. Wir haben 12 Millionen vom Süden, die illegal da sind. Man kann sie nicht – wie Herr Romney das tun will – nach Hause schicken. Das wird ein Thema im Vorwahlkampf sein. Im Wahlkampf kann das auch ein Thema sein, aber da wird es eher um Sachen wie Gesundheitsfürsorge und Ausbildung gehen. Natürlich ist für die demokratische Seite Irak und der Rückzug aus Irak eine prägende Frage in der Vorwahlperiode.
Deutschlandradio Kultur: Die Demokraten werfen ja den Republikanern vor, dass sie negativ auftreten. Sie machen Politik mit der Angst, mit der Angst vor dem Terror. Sie spalten die Gesellschaft. Ihre Themen sind Homosexuellen-Ehe oder eben Fremdenfeindlichkeit. Sie sind zum Teil auch gegen den Klimaschutz. Wo ist da die positive Idee? Ich erinnere nur, die Neokonservativen sind mal angetreten zu sagen: Wir sind nicht gegen Sozialpolitik, wir wollen nur wissen, ob die Sozialpolitik den Armen hilft oder sie schwächt. Das ist ja eine gute und interessante Frage, aber es ist eine positive Frage. Die hören wir nicht.
Charles King Mallory IV: Ja, im Moment prägt dieser Krieg gegen den Terror das Gespräch. Die Leute sind immer noch besorgt. Das nutzt man aus. Diese Fragen wie Homosexuellen-Ehe sind, was die Amerikaner "wedge issues" nennt, indem man gewisse Gruppen abspaltet. Und das hat eine sehr erfolgreiche Wirkung historisch gehabt und wird deswegen auch weiter benutzt. Ich stimme Ihnen zu. Man braucht eigentlich ein positives Zukunftsbild auf der republikanischen Seite. Und das ist eine von den Errungenschaften von Herrn Reagan gewesen. Er redete immer von dieser "City on the Hill", was natürlich ein Zitat aus der Bibel ist. Oder er hat gesagt, "es ist wieder Morgen in Amerika". Obwohl es eigentlich überhaupt keinen Inhalt hatte, hat er so eine positive Botschaft ausgestrahlt. Die fehlt gerade im Moment – ganz richtig.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, die Gefahr ist möglicherweise auch gegeben, dass die Republikaner Wahlkampf einfach gegen die Demokraten, möglicherweise gegen Hillary Clinton, machen und nicht mehr eigene Themen positiv besetzen.
Charles King Mallory IV: Hillary Clinton ist für die Republikaner natürlich die Traumkandidatin. Im Falle, wo sie Kandidatin wird, und das ist wahrscheinlich, kann man davon ausgehen, dass man Stück für Stück all die alten Lasten aus dem Keller wieder hochholt und vorspielt. Und das ist sehr negativ.
Deutschlandradio Kultur: Wir haben viel über die Innenpolitik gesprochen. Sie sind eigentlich Außenpolitiker, jedenfalls waren Sie im State Department für einige Jahre als Nahost-Experte. Francis Fukuyama hat ein Buch geschrieben schon vor Jahren – "Amerika am Scheideweg". Mal abgesehen davon, dass sich da ein Neokonservativer davonstiehlt und sagt, er habe mit der Bush-Administration eigentlich nichts zu tun, ist denn seine Frage richtig? Steht Amerika außenpolitisch am Scheideweg?
Charles King Mallory IV: Ich glaube, wir - beide Seiten des Atlantiks - sind nach dem 11. September zum ersten Mal damit konfrontiert worden, dass wir uns jetzt in einer neuen strategischen Landschaft befinden und dass die Institutionen und die Annahmen, die unsere Außen- und Sicherheitspolitik bestimmt haben im Laufe von 50 Jahren, sich wesentlich geändert haben. Das Problem liegt darin: Damals gab es acht sowjetische Panzerarmeen an der innerdeutschen Grenze. Das hat sehr leicht dafür gesorgt, dass wir eine Interessengemeinschaft und einen Konsens gefunden haben über die Herausforderungen, die vor uns stehen. Das ist nicht mehr gegeben. So präsent ist die Herausforderung nicht, aber es gibt eine Herausforderung. Die Aufgabe für Amerikaner, die tatsächlich in dieser Hinsicht vor einem Scheideweg stehen, ist, irgendwie jetzt in einem strategischen Dialog mit ihren Partner im Westen einen neuen Konsens zu finden, was die Herausforderungen sind und was die Institution und was die Politik ist, die nötig ist, um irgendwie mit diesen Herausforderungen zurechtzukommen.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wir werden auf alle Fälle nach den Präsidentschaftswahlen eine Neuakzentuierung der Außenpolitik erleben, wir werden diese Bush-Außenpolitik teilweise zur Seite schieben müssen?
Charles King Mallory IV: Da habe ich eher meine Bedenken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es eine außenpolitische Elite in den Vereinigten Staaten gibt, die miteinander ständig reden und die sich schon im Klaren sind, dass die hauptstrategische Herausforderung in den nächsten 10 bis 15 Jahren in diesem Gebiet des Mittelostens liegen wird.
Es wird eher eine Änderung des Tons als des Inhaltes geben. Ich glaube, dass es schon inzwischen ziemlich klar ist, dass beide politischen Seiten in den Vereinigten Staaten erkannt haben, dass wir mehr Reformen in dieser Region brauchen, dass wir mehr Mitbestimmungsrechte in dieser Region brauchen. Und ich würde das übrigens nicht als Idealismus bezeichnen, wie sie es früher bezeichnet haben. Es ist eigentlich Realpolitik im Kern, die dann eine idealistische Verpackung hat für den Einzelverbrauch innenpolitisch. Es kommt häufig hier in Europa vor, dass man die ideologische Verpackung mit dem Sachinhalt verwechselt und an die ideologische Verpackung glaubt und nicht durchschaut und sieht, dass sich die eigentliche Realpolitik mit diesen 100 Millionen Menschen, die keinen Job bekommen, befasst, die auf der südlichen Grenze Europas sitzen, die nicht mitbestimmen dürfen, die entweder über die Moschee zur Terrororganisation gehen oder nach Europa auswandern und dann dort einverleibt werden müssen bzw. nicht einverleibt werden. Da ist die große strategische Herausforderung, wie man mit dieser demographischen Herausforderung zurechtkommt. Weil das eine Tatsache ist, vor der wir stehen, wird das – glaube ich – die Außenpolitik prägen. Deswegen wird es keine wesentliche, also 180-Grad-Umkehr, geben.
Deutschlandradio Kultur: Aber wie treten denn Amerikaner und Europäer da auf? Denn das ist ja wichtig für die gemeinsame Außenpolitik. Ich, als unbedarfter Bürger, sehe ständig Außenminister reisen, mal die europäischen, mal die amerikanische Außenministerin. Ich würde eigentlich annehmen, die Reisen sind alle gut abgestimmt. Ist dem so?
Charles King Mallory IV: Nein, überhaupt nicht. Man kann das – das ist jetzt keine Kritik an Eurem Außenminister - bei der Fahrt von Herrn Steinmeier nach Damaskus sehen. Die gehen einfach nicht in dieselbe Richtung wie die Vereinigten Staaten. Aber es ist zu viel, das zu erwarten zu diesem Zeitpunkt. Man muss erst mal eine gemeinsame Analyse teilen, die haben wir nicht einmal, bevor man über gemeinsame Politik reden kann, geschweige denn gemeinsame Institutionen.
Aber wir stehen vor einer gemeinsamen Herausforderung. Und zusammen spenden wir 80 Prozent der Auslandshilfsgelder, die in diese Region fließen. Ich meine, dass das wirklich vielleicht eine der wichtigsten Sachen ist. Im Endeffekt geht es um scheiternde oder gescheiterte Regime, die mit den Herausforderungen der Entwicklung nicht zurechtkommen. Da sind Entwicklungsmittel wirklich ein wichtiger Hebel, den wir haben. Aber wir haben noch nicht unter uns geklärt, was die Herausforderungen sind. Es ist einfach viel zu viel, zu erwarten, dass man jetzt schon koordiniert vorgeht, wenn man einfach nicht dieselbe Analyse teilt.
Deutschlandradio Kultur: Nehmen wir mal den Palästinenserkonflikt. Der amerikanische Präsident hätte dieses Thema zur Chefsache machen können zu Beginn seiner Amtszeit. Er fängt jetzt an, neun, zehn, elf Monate bevor seine Amtszeit zu Ende geht. Ist das noch sinnvoll?
Charles King Mallory IV: Ja, also, da muss man einfach sehen: Die Ausgangslage war, dass Präsident Clinton sehr, sehr viel von seinem eigenen Prestige in diese Verhandlungen in Wye River mit Barak und Arafat investiert hat. Er hat mehr oder weniger eine Ohrfeige von Arafat gekriegt.
Deutschlandradio Kultur: Vor acht Jahren?
Charles King Mallory IV: Ja. Und da kam die klare Botschaft für unsere Mannschaft: Pass auf, investiere nicht zu viel vom Prestige des Präsidenten in etwas, was möglicherweise zum Scheitern kommt. Das war das eine. Das zweite war, dass wir Herrn Arafat erwischt haben, als er Bargeld an Terroristen gegeben hat, um Terrorakte in Israel auszuüben. Das war keine Ausgangslage für vielversprechende Verhandlungen. Inzwischen hat sich das geändert. Herr Arafat ist leider gestorben. Und jetzt haben wir Herrn Mahmud Abbas. Und wir glauben auf amerikanischer Seite, dass wir in diesen Herrn Vertrauen haben können.
Zur Frage, ob es zu spät ist: Eigentlich hat ein amerikanischer Präsident in seinem letzten Amtsjahr, weil er nicht vor der Wiederwahl steht, möglicherweise mehr Manöverfreiheit bei Verhandlungen über Israel und Palästina, als er in den ersten sieben Jahren haben würde. Es ist nicht unbedingt ein Nachteil. Wäre es wünschenswert, dass man früher etwas vorgenommen hätte? Ja, aber es gab einfach die Ausgangsbedingungen nicht dafür.
Deutschlandradio Kultur: Schauen wir mal auf die Mitspieler im Nahen Osten. Die Russen waren immer mit dabei. Neu ist der Iran. Neu könnte auch China sein und vielleicht ganz neu sogar eines Tages Indien. Vor diesem Szenario: Ist es nicht eigentlich eine bittere Notwendigkeit, dass Amerikaner und Europäer enger zusammenarbeiten?
Charles King Mallory IV: Da kann ich nur zustimmen. Das ist im Grunde genommen eine der Aufgaben unseres Institutes. Wir brauchen einen neuen strategischen Dialog, der sich mal ganz sorgfältig und ordentlich der Reihe nach die neue strategische Landschaft anschaut. Wir versuchen noch, mit der alten Landkarte durch die neue strategische Landschaft zu wandern und stoßen immer gegen die Tatsache, dass die alte Landkarte nicht hilft. Und wir müssen einfach zusammen systematisch die neue Landschaft analysieren und sehen, wo unsere Interessen übereinstimmen und wo nicht, und auf dieser Basis eine neue Politik und neue Institutionen aufbauen.
Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal davon aus, Ihre Analysen sind richtig am Wannsee. Sie haben den Think Tank, Sie haben die richtigen Ideen, die richtigen Vorstellungen für Außenpolitik. Was passiert dann mit den Papieren? Können Sie die nach Washington schicken und sicher sein, dass die dort auch gelesen werden und in Teilen umgesetzt?
Charles King Mallory IV: Unsere Hauptaufgabe eigentlich ist nicht, wie ein klassischer Think Tank Papiere in die Welt zu verstreuen. Unsere Hauptaufgabe ist, die entscheidenden Personen von beiden Seiten des Atlantiks zusammenzubringen, und nicht nur die entscheidenden Personen, sogar Personen, die miteinander nicht unbedingt können oder sogar einander feindlich gegenüberstehen. Das ist die große Errungenschaft unseres Institutes im Kalten Krieg gewesen, dass wir den Ostblock und den Westblock in Berlin zusammengebracht haben. Das war einer der wenigen Orte, wo sie miteinander reden konnten oder wollten. Das ist, was wir anzubieten haben im Kontext eines neuen strategischen Dialogs zwischen Amerika und Deutschland, im Endeffekt irgendwie gemeinsame oder geteilte Ansichten zu suchen.
Deutschlandradio Kultur: Mir leuchtet schon ein, dass dieser Ansatz lohnenswert ist. Aber noch mal, um zurückzuspielen: Wäre nicht dieser Dialog eigentlich Sache der parlamentarischen Versammlung der Nato, womit wir vielleicht schon beim Problem sind?
Charles King Mallory IV: Ja, wissen Sie, jetzt reden Sie von einem Format. Unser Ansatz ist, dass es eigentlich null Sinn hat, solche Gespräche in einer Gruppe von mehr als 30 Leuten zu führen, 20 vielleicht maximal. Man muss eine Möglichkeit haben, sich wirklich grundsätzlich kennen zu lernen und auszutauschen. Und in einer 150-Plus-Versammlung kann man das einfach nicht.
Deutschlandradio Kultur: Dann bedanken wir uns ganz herzlich für das Gespräch!
Charles King Mallory IV: Gern geschehen!