Aschewolke über Europa

Von Jörg Münchenberg, Deutschlandfunk |
Wer hatte bis vor ein paar Tagen überhaupt schon mal etwas über diesen Gletscher-Vulkan mit dem seltsamen Namen Eyjafjallajökull gehört, von ein paar Experten und interessierten Island-Reisen einmal abgesehen? Nun aber kennen den Eyjafjallajökull fast alle, allerdings werden ihn die meisten nicht in guter Erinnerung behalten. Denn die Auswirkungen der gigantischen Aschewolke, die der Vulkan ausgespuckt hat, sind beeindruckend wie verheerend.
60 Prozent aller Flüge in Europa mussten heute gestrichen und zahlreiche Flughäfen geschlossen werden. Ausgerechnet dort, wo normalerweise die Uhr und gnadenlose Pünktlichkeit den Takt vorgegeben, herrscht plötzlich fast Campingplatzstimmung.

Wichtige Geschäftstermine sind geplatzt, Verabredungen wurden versäumt, selbst die Maschinen von Staatsoberhäuptern und Wirtschaftsbossen, die sonst immer absoluten Vorrang genießen, mussten sich der bloßen Naturgewalt beugen und am Boden bleiben oder wurden umgeleitet. Die Vulkanasche bedroht jedes Flugzeug, ganz egal, wer drin sitzt. Und wann die Gefahr und damit das Chaos auf Europas Flughäfen gebannt sein wird, weiß niemand, nur soviel: Der Wind wird eine entscheidende Rolle spielen.

Immerhin es gibt auch ein paar positive Nachrichten in all dem Frust über vorläufig geplatzte Urlaubsträume und Geschäftstermine. Die meisten Passagiere dürfen auf eine Entschädigung und die vollständige Rückerstattung des Ticketpreises hoffen. Betten sind schon aufgestellt und manchmal wartet sogar ein Hotelzimmer.

Auch der wirtschaftliche Schaden dürfte sich weitgehend in Grenzen halten, vorausgesetzt, die Aschewolke löst sich bald auf und der Vulkan liefert nicht ständig neuen Nachschub. Natürlich leiden die Fluggesellschaften - die Airlines werden die Kosten für die Flugausfälle selbst tragen müssen, denn gegen die Folgen solcher Naturereignisse ist kaum ein Unternehmen versichert.

Gesamtwirtschaftlich aber dürften die Folgen der Aschewolke überschaubar sein: Die meisten wichtigen Güter wie etwa Erdöl oder auch Gas werden per Schiff oder Pipeline transportiert. Geschäftspartner finden notfalls auch per Videotelefonie zusammen; Urlaube lassen sich nachholen, ebenso die geplanten Ausgaben, die jetzt durch die Schließung der Flughäfen erst einmal annuliert worden sind.

Klar ist aber auch: Eyjafjallajökull hat einmal mehr gezeigt, wie komplex, aber auch wie anfällig die moderne Gesellschaft geworden ist, in der die Mobilität von Mensch und Gütern fast alles bedeutet. Und es braucht eigentlich nicht viel, um diese komplexen Systeme aus dem Tritt zu bringen. Ein aktiver Vulkan reicht schon.

Doch mit günstigen Winden wird auch diese Einsicht schnell wieder verflogen sein. Zeit ist Geld, und die schier unbegrenzte Beweglichkeit per Flugzeug verspricht Geschäfte wie Entspannung. Auch deswegen werden die meisten den Eyjafjallajökull möglichst schnell wieder aus ihrem Gedächtnis verbannen.