Nehmen wir Ibuprofen und Antibiotika zu uns, wenn wir Wasser trinken?
Warum sind solche Informationen nicht öffentlich?
Warum wurde bisher nicht geklagt?
Arzneimittelrückstände
Mensch und Tier scheiden bis zu 90 Prozent von konsumierten Arzneimitteln wieder aus. © picture alliance / Zoonar / Robert Kneschke
Wie belastet ist das Trinkwasser?
07:06 Minuten
Wer Medikamente zu sich nimmt, scheidet diese auch aus. So gelangen immer mehr Rückstände in den Wasserkreislauf. Genaue Angaben dazu sind aus rechtlichen Gründen nicht greifbar. Die Wissenschaftlerin Kim Teppe kämpft für eine Gesetzesänderung.
Bis zu 90 Prozent der eingenommenen Arzneimittel landen wieder im Ökosystem. Wie stark die Belastung wirklich ist, ist unklar. Forschungen zum Thema sind rar. Das liegt vor allem an den rechtlichen Rahmenbedingungen und einer fehlenden Datenlage. Denn die Pharmaindustrie führt Studien zu Umweltrisiken ihrer Produkte selbst durch. Die Ergebnisse sind nur schwer einsehbar.
Die Juristin und Umweltwissenschaftlerin Kim Teppe hat zu diesem Thema promoviert und sagt: "Die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verhindern einen effektiven Schutz unserer Umwelt vor Arzneimittelrückständen." Für ihre Doktorarbeit wurde die Forscherin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) mit dem Deutschen Studienpreis 2022 der Körber-Stiftung ausgezeichnet.
Teppe will in ihrer Dissertation Wissenslücken zum Thema Arzeimittelrückstände schließen und Schlupflöcher in der Gesetzeslage aufdecken. Anders als bei anderen umweltrelevanten Schadstoffen wie beispielsweise Pflanzenschutzmittel sind Informationen zu Arzneimittelrückständen nur schwer zugänglich oder nicht vorhanden. Teppe hat Vergleiche zu anderen Datenlagen gezogen und anhand derer Defizite herausgearbeitet, um Verbesserungsvorschläge für das Gesetz zu unterbreiten.
Im Interview hat sie uns uns die wichtigsten Fragen zum Thema beantwortet:
Nehmen wir Ibuprofen und Antibiotika zu uns, wenn wir Wasser trinken?
Ja, weltweit sind flächendeckend mehr als 770 Arzneimittelwirkstoffe in der Umwelt nachgewiesen. Diese befinden sich hauptsächlich in den Oberflächengewässern, können aber auch im Grund- und Trinkwasser nachgewiesen werden. Gefunden wurden etwa Iboprufen, Diclofenac (Antirheumatikum) oder Antibiotika. Allein im deutschen Grundwasser konnten 18 verschiedene Antibiotikawirkstoffe nachgewiesen werden.
Zu keinem dieser Wirkstoffe liegt eine vollständige Umweltrisikobewertung vor.
Warum sind solche Informationen nicht öffentlich?
Hersteller sind laut Stoffrecht selbst für Umweltrisikobewertungen verantwortlich. Bevor ein Produkt auf den Markt kommt, bewertet das Pharmaunternehmen das Umweltrisiko. Damit ist das Unternehmen auch Eigentümer der entsprechenden Studie und reicht diese bei der Zulassungsbehörde ein.
Wer die Studie lesen möchte, kann einen Antrag bei der Behörde stellen, die wiederum laut Umweltinformationsrecht aber den Studieneigentümer befragen muss. Unternehmen haben dann die Möglichkeit, diesen Zugriff aufgrund der Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu verweigern. Bei Chemikalien oder Bioziden ist das anders.
Warum wurde bisher nicht geklagt?
Teppe hat Klage eingereicht. Es könnte zu einer Einzelfallentscheidung vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EUGH) kommen. Dort könnte entschieden werden, dass es sich um Informationen über Emissionen handelt, die immer herausgegeben werden müssen.
Wichtiger ist Teppe allerdings eine Gesetzesänderung: Die europäische Verordnung zum Arzneimittelgesetz wurde kürzlich novelliert und dies soll auch für die Humanarzneimittelverordnung geschehen. Sie erhofft sich, dass die federführenden Ministerien das stetig still wachsende Risiko für die Umwelt künftig berücksichtigen.
(lsc)