Arthouse-Kooperation

Eine neue Chance für die Filmkunst

05:50 Minuten
Ein Kinosaal mit türkisfarbenen Sesseln
Der Saal des Programmkinos Neues Off in Berlin-Neukölln: Liegt in der Corona-Krise sogar eine Chance für Arthouse-Produktionen? © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Christian Berndt · 18.06.2022
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Das internationale Arthouse-Kino hat es in Deutschland traditionell schwer. Jetzt haben eine Schweizer Filmstiftung und ein deutscher Kinoverbund eine Kooperation beschlossen, um auf Festivals erfolgreiches Arthouse in deutsche Kinos zu bringen.
Jesmark hat ein Leck in seinem Boot entdeckt. Für den maltesischen Fischer ist das eine Katastrophe, die seine Familie existenziell bedroht. Der maltesische Spielfilm „Luzzu“ erzählt ein menschliches Drama von antiker Wucht und wurde dafür auf internationalen Festivals gefeiert.
„Luzzu“ ist endlich ein Film aus Malta, der nicht nur auf Malta gedreht ist, sondern auch eine maltesische Geschichte erzählt, er hat in Sundance einen Darstellerpreis gewonnen“, sagt Jens Geiger-Kiran, Geschäftsführer von Cinemalovers.
Dass „Luzzu“ jetzt in Deutschland ins Kino kommt, hat er einer neuen Kinokooperation zu verdanken – geschlossen zwischen der Schweizer Filmstiftung Trigon Film und dem deutschen Verbund unabhängiger Filmtheater Cinemalovers.

Keine Konkurrenz zum Kinosaal

Cinemalovers, erzählt Jens Geiger-Kiran, wurde 2021 mit dem Ziel gegründet, Filmtheater und Streaming zu verbinden. Den großen Streamern will man Filmplattformen entgegensetzen, die von Programmkinos kuratiert werden. Das Onlineprogramm soll aber keinesfalls eine Konkurrenz zum Kinosaal sein.

Was wir nicht machen, sind Premieren im Streaming. Die Filme gehören zuerst auf die Leinwand. Aber es ist vor allem für die Kinos die Möglichkeit, ihr Programm viel weiter auszudehnen.

Jens Geiger-Kiran

Die Kooperation mit Trigon Film soll vor allem das Kino stärken und Filme wie „Luzzu“ nach Deutschland bringen, die sonst kaum Chancen hätten, hierzulande auf die Leinwand zu kommen. Trigon Film ist seit seiner Gründung in den 80er-Jahren spezialisiert auf internationale Filmkunst.
„Das war eigentlich Pionierarbeit“, erzählt Stefanie Rusterholz, die Programmleiterin von Trigon Film. „Der Gründer Bruno Jaeggi, der war Fan vom Weltkino und hat gesagt, es gibt nicht nur Kino aus Europa oder aus den USA, sondern auch aus Afrika, Asien und Lateinamerika; er wollte das in die Schweiz bringen. Das war wirklich einmalig.“

Schweizer synchronisieren wenig

In der Schweiz gibt es, meint Rusterholz, ein breiteres Publikum für internationales Arthouse-Kino als in Deutschland: „In Deutschland ist oft auch noch die Synchro-Version sehr verbreitet. Oft gibt es von diesen Filmen keine Synchro-Version, deswegen ist das vielleicht auch manchmal eine Hürde. In der Schweiz ist man eher noch Originalsprache mit Untertiteln gewohnt, dort ist die Synchro-Version im Arthouse-Bereich nicht verbreitet.“
Die Kooperation mit Cinemalovers soll für Trigon Film den großen deutschen Kinomarkt erschließen. Cinemalovers wiederum verspricht sich von der Zusammenarbeit einen neuen Input fürs Arthouse-Kino in Deutschland:
„Wir erhoffen uns, dass wir ein bisschen gegensteuern können“, sagt Jens Geiger-Kiran, „dass das Programm, so wie es uns vorkommt, in den deutschen Programmkinos immer gleichförmiger und homogener wird und Filme aus afrikanischen Filmkulturen, aus asiatischen Filmkulturen immer mehr an den Rand gedrängt werden, weil die Situation der Kinos gerade eine prekäre ist – nach Corona, aber auch schon davor.“

Deutschland hat ein sehr kleines Publikum

Internationale Arthouse-Produktionen wie „Luzzu“ sind in Deutschland zum Kassengift geworden. Es fällt schwer, die Kinogänger dafür zu begeistern, meint der Filmproduzent Christoph Friedel: „Deutschland hat traditionell für ein großes Land ein sehr schlechtes oder ein sehr kleines Arthouse-Publikum.“
Friedel weiß, wovon er spricht, er hat das Schweizer Bergdrama „Drii Winter“ koproduziert. Der Film erhielt eine lobende Erwähnung der Wettbewerbsjury und war Kritikerliebling auf der diesjährigen Berlinale, hat aber bis jetzt noch keinen deutschen Verleih gefunden. Auch weil die Besucherzahlen in den Kinos im Moment katastrophal sind:
„So ein Film wie 'Drii Winter' hätte vielleicht früher 10.000 Besucher gehabt, jetzt erwarten die Verleiher bei so einem Film 5.000 Besucher. Da lohnt es sich nicht, den Film ins Kino zu bringen.“
Die Filmförderung, meint Friedel, bestraft den Mut zum Risiko. Denn die Verleihe bekommen die Vorkosten, zum Beispiel für die Filmwerbung, nur teilweise erstattet. In der momentanen Situation müssten die Verleihe deshalb auf Nummer sicher gehen, zumal mit DVD-Verkäufen und Fernsehrechten kaum noch etwas zu gewinnen sei:

Die deutschen großen Sender kaufen keine Filmkunst mehr, internationale schon gar nicht.

Christoph Friedel

Lächerlich geringe Kosten

Filme wie „Drii Winter“, meint Friedel, werden vielleicht in Zukunft nur noch auf Festivals laufen, denn dort sei das deutsche Publikum wesentlich aufgeschlossener für Filmkunst als im normalen Kinobetrieb. Dabei, meint Geiger-Kiran, sind die Kosten für Filmrechte im Moment lächerlich gering:
„Das ist alles schon fast absurd. Da kriegt man für ein paar Tausend Euro einen großen internationalen Namen, der jetzt im Wettbewerb in Berlin, Cannes auch zu finden ist, und trotzdem ist es gerade für die kleinen Verleihe ein Risiko.“
Aber die Situation für die Programmkinos ist in Deutschland im Moment so katastrophal, sogar in den Opern und Theatern sind die Zuschauereinbrüche weniger massiv, dass vielleicht gerade jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist für die Kooperation von Trigon Film und Cinemalovers.

Zeit für mehr Wagnisse?

„Wenn jetzt nicht mal mehr die französische Komödie Publikum bringt", hofft Jens Geiger-Kiran, "dann kann ich auch mal was wagen, was mir vielleicht auch als Kinomacher interessanter erscheint und kann dann vielleicht auch mal einen Film von Kiyoshi Kurosawa ins Kino bringen.“
Aber dafür muss die deutsche Programmkino-Kultur erst mal überleben. Das erscheint im Moment zweifelhafter denn je.

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