Artenvielfalt

Hoffnung für das nördliche Breitmaulnashorn

Ein Nördliches Breitmaulnashorn beschnuppert in seinem Gehege im tschechischen Zoo Dvur Kralove (Königinhof an der Elbe) einen Reisecontainer.
Das Nördliche Breitmaulnashorn gilt als so gut wie ausgestorben. © dpa picture alliance/ Zoo Dvur Kralove/Myslivecko
Von Christiane Habermalz · 31.07.2014
Die Vision der Leibniz-Forscher: Eine Bio-Datenbank, mit der ausgestorbene Wildtiere in späteren Jahren reproduziert werden können. Neuester Coup sind die Zellen der letzten drei nördlichen Breitmaulnashörner.
Hätte der Dodo in heutiger Zeit das Zeitliche gesegnet - möglicherweise hätte er noch eine Chance gehabt. Reproduktionsmediziner hätten aus den letzten Exemplaren der madegassischen Riesentauben Eizellen abgesaugt und Spermien gewonnen, über IVF-Verfahrene eine künstliche Befruchtung initiiert und die Embryos vielleicht einer Gänseleihmutter eingepflanzt.
Die hätte dann Dodo-Eier gelegt und ausgebrütet - die Art wäre gerettet. Um bedrohten Tierarten das Schicksal des Dodo zu ersparen, gibt es heute das "Frozen Ark Projekt": Wissenschaftler wie Katharina Jewgenew vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung erstellen nichts anderes als ein Back Up der Tierwelt - eine Art genetischer Sicherheitsdatenbank der Letzten ihrer Art.
"Wir hier am Haus befassen uns mit der Konservierung von Keimzellen, von Gewebe, von somatischen Zellen von Wildtieren, wir haben aber auch eine ausgesprochen große Bank von Seren von Wildtieren, aber auch von Zellen, wo man dann drauf zurückgreifen kann."
Auch Löwen- und Giraffenzellen werden konserviert
Das Material liefern Zoos aus der ganzen Welt. Immer wenn ein seltenes Wildtier stirbt, bekommen die Wissenschaftler ein Eilpäckchen mit dem Hoden- bzw. Ovariengewebe zugeschickt. Ein Kandidat ist zum Beispiel das nördliche Breitmaulnashorn. Dessen Schicksal ist eigentlich besiegelt. Nur noch drei Exemplare gibt es in Gefangenschaft in Sumatra, ein Männchen und zwei Weibchen. Das Trio ist äußerst fortpflanzungsunwillig, wer könnte es verdenken, der Erwartungsdruck ist hoch.
Wissenschaftler des Leibniz-Institutes ist es jetzt gelungen, den Tieren Spermien und Eizellen abzuzapfen, auch Körperzellen für mögliche Klonversuche. Die liegen jetzt im ewigen Eis, bis die Wissenschaft so weit ist. Für die Zukunft angelegt werden aber auch Zellen von Löwen und Giraffen - man kann ja nie wissen.
"Ich wills nicht prophezeien, aber in hundert Jahren gibt's vielleicht nur noch wenige Giraffen, und dann können wir mit dem genetischen Material zur Vergrößerung des Genpools beitragen. Es hat eben genau diesen Sinn, dass wir nicht nur die letzten ihrer Art versuchen zu retten, sondern dass wir einlagern, was wir bekommen."
Wer sammelt Zellen von unbekannten und unbeliebten Tieren?
Wunderbar, denkt der gemeine Tierliebhaber, dann wird jetzt ja vorgesorgt. Nashörner und iberische Luchse werden vielleicht doch noch gerettet, nicht in freier Wildbahn, denn auch die wird es ja in absehbarer Zeit nicht mehr geben, aber ihre Retortenbabys oder Klone könnten einst die Zoos der Welt bevölkern, als lebendes Anschauungsmaterial für eine vergangene natürliche Artenvielfalt. Aber seien wir gerecht. Was ist mit den weniger attraktiven Arten? Wer sammelt die Keimzellen der Husmanns-Brunnenschnecke, bedrohtes Weichtier des Jahres 2009? Wer hat sich um den St-Helena-Riesenohrwurm gesorgt, der seit 1967 nicht mehr gesehen wurde?
Von einer Million beschriebenen Insektenarten wurden bislang nur 2619 im Hinblick auf ihre Gefährdung gewertet - 21,7 davon Prozent stehen auf der Roten Liste. Ob die Menschheit bereit wäre, Forschungsgelder und Manpower für die Konservierung und Reproduktion von bedrohten Kerbtieren auszugeben - Schildläuse, Spinnentiere, Rüsselkäfer - wohl eher nicht. Vielleicht ist hier die Reproduktionsmedizin aber auch einfach noch nicht so weit. Bis dahin freuen wir uns für das nördliche Breitmaulnashorn.
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