Arte-Doku "Mensch und Mond"

Geschichte einer Verzauberung

Ein hell erleuchteter Vollmond über einer Wolkendecke, umgeben von weiteren kleineren Wölkchen.
Wir Menschen sind fasziniert vom Mond. © unsplash.com/Spencer Arquimedes
Eva Maria Schötteldreier im Gespräch mit Ute Welty · 12.01.2019
Längst schon hat der Mensch ihn erschlossen, kaum noch Fragen scheinen offen. Dennoch: Die Faszination Mond bleibt. Filmemacherin Eva Maria Schötteldreier, die eine dreiteilige Doku über den Erdtrabanten gedreht hat, weiß wieso.
Ute Welty: Der Mond bringt Wölfe zum Heulen, und er bewegt. Mehrere Romane, Operetten und Comics sind über den Mond geschrieben worden, und ob als Vollmond oder als Mondsichel taucht der Mond auf auf zahllosen Gemälden. Eine dreiteilige Dokumentation über Mensch und Mond hat Eva Maria Schötteldreier gedreht. Die ist für ihre Reportagen schon mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Kölner Medienpreis und mit dem Ravensburger Familienpreis. Heute Abend laufen alle drei Teile auf Arte, und heute Morgen ist Eva Maria Schötteldreier zu Gast in "Studio 9". Herzlich willkommen!
Eva Maria Schötteldreier: Hallo, danke, dass ich da sein darf!
Welty: Es ist ja Mondjahr, denn 2019 jährt sich der Tag der ersten Mondlandung zum 50. Mal. Seitdem haben wir viel gelernt über den Erdtrabanten, und die Frage ist ja, warum all dieses Wissen nicht dazu geführt hat, dass sich der Mond entzaubert?

"Das lässt keinen kalt"

Schötteldreier: Das ist tatsächlich unglaublich, diese Faszination Mond hält einfach an, und jeder der mal ein Vollmondpicknick gemacht hat, ist einfach weiterhin begeistert. Oder letztes Jahr gab es ja die Mondfinsternis, und ich hätte das gar nicht gedacht, dass so viele Menschen unterwegs sind, um sich das anzugucken. Und wenn man dann wirklich einmal gesehen hat, wie der Mond sich aus dem Erdschatten rausschiebt und dann anfängt zu strahlen – das lässt keinen kalt. Ich weiß es nicht.
Welty: Sie nennen Ihre Dokumentation "Eine Liebe zum Mond in drei Akten". Wie unterscheiden sich die Akte voneinander?
Schötteldreier: Wir erzählen so ein bisschen eine Biografie und fangen quasi bei der Geburt des Mondes an. Erzählen, wie er dieses typische Gesicht bekommen hat, das wir ja alle so gut kennen und mit dem so viele Kinder das Malen lernen – Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht – und kommen dann von den Sagen und Legenden, die sich früher um ihn gesponnen haben, so langsam zu der wissenschaftlichen einerseits Entzauberung, die aber dann wieder ja neue Faszination gefüttert hat, als man so anfing, ihn – Galileo Galilei – mit dem Fernrohr zu betrachten.
Zwei Mitarbeiter einer schwäbischen Tischlerei betrachten ihr 3,5 Meter großes Präzisionsmodell des Mondes.
Das genaueste 3D-Modell des Mondes im Observatorium in Mekka. Gebaut von einem schwäbischen Tischler.© Dany Hunger
Dann zu sehen, was sind diese Geländestrukturen, die wir früher nur als das Gesicht kannten. Und es ist wirklich Wahnsinn, weil es geht ja immer weiter. Und jetzt sind wir gerade wieder mitten drin in einer neuen Mondbegeisterung. China ist ja gerade auf der Rückseite des Mondes - also nicht selbst gelandet, also keine Menschen - aber immerhin haben sie einen Satelliten dort hingeschickt. Es ist schon faszinierend.

Preview in Planetarien

Welty: Bedeutet eine Biografie des Mondes, dass Sie auch chronologisch erzählen?
Schötteldreier: Nein, das wollte ich eben nicht, weil ich dachte, das ist ja einfach langweilig. Sondern ich habe quasi immer Verschränkungen gesucht und habe da ganz schöne Sachen gefunden. Zum Beispiel in Münster habe ich eine Planetologin getroffen, die von der NASA gerade 2018 gekürt wurde und jetzt in einem Wissenschaftsteam ist, das Landepositionen für die nächsten Mondfahrer ausfindig machen soll. Und in Münster ist aber auch ein Exemplar von Galileo Galileis "Sternenbote" noch in der Universitätsbibliothek zu sehen. Solche Sachen habe ich einfach so verschränkt, sodass man immer von alt zu neu und umgekehrt geht, und dann natürlich auch immer wieder in der Kunst und Kultur landet. Ich habe immer versucht, dass so ein bisschen miteinander zu verbinden, und das hat ganz gut geklappt, glaube ich.
Welty: Wir werden es sehen heute Abend …
Schötteldreier: Genau. Es gab ja schon ein paar Previews, deswegen sage ich das so. Das ist jetzt nicht so selbstüberschätzend, sondern es gab vier Previews in Planetarien, und da waren die Leute einfach sehr angetan von diesem Mix..
Welty: Wie war das für Sie, diese direkte Reaktion zu erleben? Das ist ja nicht unbedingt Alltag einer Dokumentarfilmerin.
Schötteldreier: Nein, ich bin ja auch nicht so ein – genau, es war natürlich schon mal imposant, also in diesen 360-Grad-Kuppeln das zu sehen. Der Film wurde da halt projiziert in diese Kuppel, und man liegt ja quasi im Planetarium in einem sehr gemütlichen Sessel und guckt dann da hoch. Und das war schon allein deswegen ein ganz anderes Seherlebnis.
Und dann haben natürlich die Planetariumsleiter und -leiterinnen es sich auch nicht nehmen lassen, immer ein bisschen was über den Mond zu erzählen. Man ist dann erst mal hinter die, also auf die dunkle Seite des Mondes geflogen, mit den Apollo-8-Astronauten quasi, und dann gab es auch wirklich viele Fragen. Man denkt ja immer, was soll man da jetzt noch danach fragen, aber die Leute waren ganz lebendig und angetan. Das war sehr schön.
Welty: Dass Sie Astronauten und Astronomen getroffen haben für Ihren Film, das liegt auf der Hand. Aber was haben Handwerkerinnen und Friseure in einem Film über den Mond zu suchen?

Ein geschnitzter Mond aus Gomaringen

Schötteldreier: Ich muss tatsächlich sagen, ich glaube, dieser Tischlermeister aus Gomaringen, das war so das Highlight der Entdeckung. Weil es gab eine Ausstellung und einen Ausstellungskatalog mit einem wunderschönen Mond, drei Meter Durchmesser, der wirklich echt aussah. Aber diese Ausstellung gab es nicht mehr, und dann habe ich gefragt, wo kommt denn dieser Mond her, und da wurde mir halt gesagt, dass ein Tischlermeister aus Gomaringen den für ein Museum in Saudi-Arabien, in Mekka, gemacht hat.
Welty: Eine kleine Schnitzarbeit.
Schötteldreier: Keine kleine, eine winzige Schnitzarbeit, genau. Und das Verrückte war halt, dass er wirklich mit diesem Garten von diesem Lunar Reconnaissance Orbiter sein Fräsprogramm gefüttert hat. Und es gab jetzt eben noch einen Extra-Mond – also zwei sind nach Mekka in dieses Museum gegangen, und einer hängt noch in Gomaringen. Der ist für die NASA bestimmt, die den jetzt zu dem Jubiläumsjahr 50 Jahre Apollolandung dann abholen wollen. Aber er hing halt noch da, und deswegen hatten wir das Glück, da drehen zu können mit diesem sehr schönen Mond.
Welty: Viele Künstler wurden vom Mond inspiriert, und da ging es in der Vergangenheit häufig um religiöse Zusammenhänge. Welche Fragen sind es, die gegenwärtige Künstler aufwerfen?
Schötteldreier: Das Verrückte ist tatsächlich, dass viele Künstler an dem Bild, das die Wissenschaft nutzt, um Wissenschaft zu vermitteln, dass sie damit arbeiten und das sozusagen aufgreifen, also eben auch eine Mondlandung simulieren. Also Hagen Betzwieser aus Stuttgart zum Beispiel, ein Künstler, der den Geruch des Mondes nachempfunden hat und so Installationen und Events macht mit Leuten.
Welty: Gibt es dann vielleicht demnächst auch ein Mond-Parfum?
Schötteldreier: Es gibt tatsächlich diesen Mond-Smell Scratch and Sniff – man kratzt quasi auf dem Bild, und dann entfaltet sich der ganze Duft des Mondes. Es riecht allerdings nach faulen Eiern und so verbranntem Metall. Es ist schon ein extremer Duft. Ich hatte das in meiner Handtasche nach dem Dreh, und es roch irgendwie über Wochen danach. Aber irgendwie auch schön.

Die Legende von den Mondgänsen

Welty: Früher glaubten die Menschen ja, die Vögel würden zum Überwintern auf den Mond fliegen. Was ist aus diesen Mondgänsen geworden?
Schötteldreier: Das ist ganz interessant. Eine Berliner Künstlerin, Agnes Meyer-Brandis, hat sich des Themas angenommen – tatsächlich, 1600 hat man geglaubt, dass die Vögel auf dem Mond überwintern –, und hat dann ein zwölfköpfiges Astronautenteam zusammengestellt, analog zu den zwölf Menschen, die auf dem Mond waren, analog zu dem Astronautentraining, das tatsächlich die Astronauten durchlaufen, trainiert sie diese Gänse. Und daraus hat sie halt einen Film gemacht, einen Kunstfilm, und ich habe sie interviewt und wir durften Ausschnitte aus ihrem Kunstwerk zeigen, das wirklich sehr, sehr schön ist, poetisch und amüsant und verrückt.
Welty: Wie hat sich Ihre Beziehung zum Mond verändert durch diesen Film?
Schötteldreier: Ich muss sagen, ich bin kein mondfühliger Mensch. Ich gehöre nicht zu denen, die bei Vollmond nicht schlafen können oder dann dauernd unterwegs sind. Aber seitdem ich mich angefangen habe damit zu beschäftigen, gucke ich nur auf den Mond, weiß, welche Mondphase ist, und habe auch ein bisschen Angst um den Mond. In Folge drei wird halt versucht zu zeigen, was in Zukunft – was es für Pläne gerade gibt mit dem Mond. Und das sind allerlei Pläne, von Bergbau über Helium-3-Abbau und so weiter. Und dann macht man sich schon Sorgen, weil man ja auch gelernt hat, wie wichtig er für uns ist. Insofern, mein Verhältnis ist auf jeden Fall sehr innig geworden.
Welty: Dokumentarfilmerin Eva Maria Schötteldreier im "Studio 9"-Gespräch. Ich danke Ihnen!
Schötteldreier: Danke auch!
Welty: Und heute Abend läuft "Mensch und Mond" auf Arte, und zwar ab 20.15 Uhr.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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