Art Spiegelman und Marvel-Comics

Wie politisch dürfen Superhelden sein?

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Das Foto zeigt den US-amerikanischen Comiczeichner Art Spiegelman an seinem Schreibtisch.
Dem Marvel-Verlag war Art Spiegelmans "Orange Skull"-Schurke alias Donald Trump offenbar zu heikel. © picture alliance / Everett Collection
Comic-Experte Markus Dichmann im Gespräch mit Gesa Ufer · 19.08.2019
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Der Comiczeichner Art Spiegelman sollte mit einem Essay den Superhelden-Verlag Marvel zu dessen 80. Geburtstag würdigen. Doch sein Vergleich Donald Trumps mit einem Marvel-Schurken gefiel dem Verlag offenbar nicht. Was steckt hinter der Ablehnung?
Sein Holocaust-Comic "Maus" machte ihn weltberühmt. Als erster Comizeichner überhaupt wurde Art Spiegelman, Sohn jüdischer Auschwitz-Überlebender, dafür mit dem renommierten Pulitzerpreis ausgezeichnet. Jetzt sollte Spiegelman einen Essay für den Jubiläumsband anlässlich des 80. Geburtstags des Marvel-Verlages beisteuern. In Anspielung auf den größten Widersacher des patriotischen Marvel-Superhelden Captain America, Red Skull, schrieb Spiegelmann vom "Orange Skull", der ganz Amerika heimsuche. Gemeint war mit diesem Widersacher natürlich Donald Trump, was dem Verlag offenbar zu weit ging.
Spiegelman wurde aufgefordert, die entsprechende Passage zu streichen. Begründung: Den Marvel Comics sei es weiterhin wichtig, "unpolitisch zu bleiben und Marvel werde daher nicht zulassen, dass ihre Publikationen politisch Stellung beziehen".

Als Captain America Hitler k.o. schlug

Spiegelman zog daraufhin seinen Text zurück, veröffentlichte ihn stattdessen in der britischen Tageszeitung "The Guardian" und weist nach, dass Marvel in den 30er- und 40er-Jahren sehr wohl politische Überzeugungen transportierte – wie der Journalist und Comicexperte Markus Dichmann bestätigt: Auf einem der bekanntesten Marvel-Cover während des Zweiten Weltkriegs sei zu sehen, wie Captain America Adolf Hitler k.o. schlage. Und der Widersacher Red Skull sei ein ekliger Nazi-Wissenschaftler.
Außerdem könne man heute mitnichten von einer Entpolitisierung der Comics sprechen – im Gegenteil: "Trump tauchte bisher zweimal in Marvel-Comics auf." Bei seinem ersten Auftritt versperrt seine protzige Limousine die Notaufnahme-Zufahrt eines New Yorker Krankenhauses, "bis ein Superheld namens Luke Cage – ein schwarzer Superheld – kommt und die Limousine aus dem Weg räumt. Trump droht mit Klage, der Superheld droht mit Schlägen – und Trump verzieht sich kleinlaut wieder." Seinen zweiten Auftritt in einer anderen Ausgabe absolvierte Trump als fieser, kurzbeiniger, babyhafter Riesenroboter, der eine Mauer zwischen Mexiko und Texas errichten will…

Steckt Marvels Entertainment-Chef dahinter?

Allerdings, räumt Dichmann ein, hätten beide Trump-Auftritte vor seiner Zeit als Präsident stattgefunden. Andere dagegen, wie George W. Bush oder Barack Obama, seien während ihrer jeweiligen Amtszeit in den Comics aufgetaucht. Welche Rolle spielt Isaac "Ike" Perlmutter, der Präsident von Marvel Entertainment, im Zusammenhang mit Spiegelmans Rückzug? Denn Perlmutter ist als millionenschwerer Trump-Unterstützer bekannt – und mit ein Grund dafür, dass Trump-Gegner fordern, Marvel-Comics zu boykottieren.
Dichmann hält es dennoch für voreilig, solche Schlüsse zu ziehen. "Perlmutter ist Präsident von Marvel Entertainment – nicht von Marvel Comics. Die haben ihre eigene Geschäftsführung und ihren eigenen Chefredakteur. Und wenn selbst bei einem Riesenbaby-Killerroboter nicht eingegriffen wird – warum hätte er es dann an dieser Stelle tun sollen?"
(mkn)
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