Arsen in Reiswaffeln

Gepuffter Snack hat schlechte Werte

Reiswaffeln gelten als gesunder Snack - auch für Babys. Doch jetzt rät auch ein Bundesinstitut dazu, den Nachwuchs nur ab und zu daran knabbern zu lassen. Die vermeintlich so gesunde Zwischenmahlzeit hat es in sich: Arsen.
Ein Kind isst eine Reiswaffel © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Udo Pollmer · 31.07.2015
Mütter drücken ihren Kindern gerne eine Reiswaffel in die Hand. Die beliebte, fett- und kalorienarme Zwischenmahlzeit hat es allerdings in sich: Arsen. Oft ist der Anteil von giftigem anorganischen Arsen in Reiswaffeln sogar höher als im Reis selbst.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung, das BfR, hat für Unruhe gesorgt: Die Behörde empfiehlt ausdrücklich, die Belastung der Menschen mit Arsen in allen Altersgruppen zu senken, aber ganz besonders bei den Reiswaffeln für Kinder. Der Grund: Reis enthält von Natur aus relativ viel Arsen. Und das ist bekanntlich bei regelmäßiger Zufuhr ungesund. Auch wenn es das BfR begrüßt, dass von der EU endlich Höchstmengen für dieses Uralt-Gift erlassen werden sollen, so lässt die Behörde doch durchblicken, dass ihr dabei nicht sonderlich wohl ist.
Im Falle von weißem Reis sei der vorgeschlagene Grenzwert von 0,2 mg/kg allenfalls geeignet, den Bürger vor hochbelasteter Ware zu schützen. Bei braunem Reis wird von der EU sogar ein noch höherer Arsen-Grenzwert wie für weißen Reis vorgeschlagen. Denn bei allen Getreidearten sind die Randschichten stärker belastet als der Mehlkern. Für parboiled Reis wird der Grenzwert abermals höher angesetzt. Parboiled Reis ist Reis, bei dem Stoffe aus der Schale mit Heißdampf auf das Korn übertragen wurden. Damit soll vor allem der Vitamin B1-Gehalt erhöht werden. Da aber heißer Dampf nicht zwischen Vitaminen und Giften unterscheiden kann, gelangen beim Parboiling gleichermaßen auch Schadstoffe auf das Reiskorn.
Arsenwerte sind Folge des Herstellungsverfahrens
Irritierend sind die hohen Arsenwerte bei Reiswaffeln, vermutlich eine Folge des Herstellungsverfahrens. Nach derzeitiger Kenntnis werden die relativ harmlosen organischen Arsenverbindungen, die ebenfalls im Reis enthalten sind, beim Puffen des Reises in gefährliches anorganisches Arsen umgewandelt. Zu allem Überfluss wird das Produkt aus unerfindlichen Gründen an kleine Kinder verfüttert – es ist derart fade, dass ich Sorge hätte, die Kleinen könnten nach dieser Erfahrung versucht sein, auch Styropor-Füllmaterial zu mampfen.
Die wichtigste Folge einer chronischen Arsenaufnahme ist Krebs, vor allem schwarzer Hautkrebs. Nach Angaben des BfR sind aber bei einer Vergiftung alle Organsysteme betroffen, vor allem Leber, Nieren und Nerven. Eine der Spätfolgen ist Diabetes. Der besonnene Verbraucher wird sich bei den Reisvarianten etwas zurückhalten, die als "gesund" gelten, wie Vollkornreis, parboiled Reis, brauner Reis und bei Kindern mit Reiswaffeln. Wer luftigen Puffreis mit Schokolade liebt, kann auch gleich zur Schokolade greifen. Die hat weniger Rückstandsprobleme, ist nahrhaft und sättigt obendrein.
Schon tauchen neue Fragen auf: Fehlen dem weißen Reis nicht wichtige Vitamine? Hat nicht polierter Reis eine gefährliche Mangelkrankheit ausgelöst, die Beriberi? Diese ist der Grund, warum heute deutsche Kinder Vollkornreis essen sollen. Doch die Beriberi-Story ist nur ein Urban Myth. In Asien ist diese Krankheit, die zur Auszehrung und zu Lähmungen führt, seit Jahrtausenden bekannt. Natürlich litten auch die europäischen Kolonialherren darunter. So starben gesunde, junge holländische Soldaten, die Schanzarbeiten verrichteten, wenige Tage nach dem Verzehr einer Reissuppe an einer typischen Beriberi.
So etwas kann keine „Mangelkrankheit" sein. Die ersten Symptome der Beriberi leiden sind Durchfall und Erbrechen – das deutet auf eine akute Vergiftung hin. Die tatsächliche Ursache ist mittlerweile aufgeklärt: Es sind Schimmelgifte, insbesondere ein Gift namens Citreoviridin, das bei nasser Witterung und feuchter Lagerung entsteht. Allerdings gibt es eine Verbindung zwischen Vitamin B1 und Beriberi: B1 hilft bei einer Vergiftung durch Reisschimmel, und damit auch geen Beriberi. Daher rührt die Mär, Beriberi sei ein Zeichen von Vitamin-B1-Mangel.
Die populäre Vorstellung, polierter Reis würde zu Vitaminmangel führen, ist blühender Unsinn. Polierter Reis enthält viermal soviel Vitamin B1 wie Muttermilch, ja selbst gekochter weißer Reis ist immer noch vitaminreicher. Wäre an der Theorie was dran, müssten Brustkinder reihenweise an Beriberi versterben. Unsere Gesundheit ist nicht durch ein Mangel an „lebenswichtigen Vitaminen" gefährdet, sondern wenn überhaupt, dann durch ein Zuviel an unerwünschten Naturstoffen wie Arsen oder Schimmelgiften. Mahlzeit!
Literatur
BfR: EU-Höchstgehalte für anorganisches Arsen in Reis und Reisprodukten durch Verzehrempfehlungen zum Schutz von Säuglingen, Kleinkindern und Kindern ergänzen. Aktualisierte Stellungnahme Nr. 017/2015 des BfR vom 06. Februar 2014
BfR: Arsen in Reis und Reisprodukten. Stellungnahme Nr. 018/2015 des BfR vom 24.06.2014
Meharg AA: Arsenic in rice - understanding a new disaster for South-East Asia. Trends in Plant Sci-ence 2004; 9: 415-417
Gilbert-Diamond G et al: Rice consumption contributes to arsenic exposure in US women. PNAS 2012 108: 20656-20660
Signes A et al: Effect of two different rice dehusking procedures on total arsenic concentration in rise. European Food Research and Technology 2008; 226: 561-567
Stone R: Arsenic and paddy rice: a neglected cancer risk? Science 2008: 321:184-185
Devesa V et al: Effect of cooking temperatures on chemical changes in species of organic arsenic in seafood. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2001; 49: 2272-2276
Souci – Fachmann – Kraut: Food Composition and Nutrition Tables. MedPharm, Stuttgart 2008
Mitteilungen der Beriberi-Studien-Kommission. Tokyo 1911
Ueno Y, Ueno I: Isolation and acute toxicity of citreoviridin. a neurotoxic mycotoxin of Penicillium cilreo-viride Biourge. Japanese Journal of Experimental Medicine 1972; 42: 91-105
Mehr zum Thema