Armin Jäger: Eindeutig verfassungsfeindliche Tendenzen bei der NPD

Armin Jäger im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese |
Nachdem in Mecklenburg-Vorpommern am Wochenende ein Zeltlager der Neonazi-Organisation "Heimattreue Deutsche Jugend" aufgelöst worden war, fordert Armin Jäger ein Verbot des Vereins und der mit ihm personell verflochtenen NPD. Ein erneuter Verbotsantrag der Partei habe gute Chancen, meint der CDU-Fraktionsvorsitzende im Schweriner Landtag. Die Beweislage sei auch ohne V-Leute eindeutig.
Hans-Joachim Wiese: Dass Zeltlager mit Lagerfeuer und Abenteuerspielen attraktiv für Kinder und Jugendliche sind, das wussten schon die Nazis mit der Hitlerjugend für ihre Zwecke zu missbrauchen. Ganz in dieser Tradition stand ein Neonazi-Zeltlager des Vereins "Heimattreue Deutsche Jugend" im mecklenburgischen Hohen Sprenz bei Güstrow, das jetzt von der Polizei aufgelöst worden ist. Dort wurden 39 Kinder und Jugendliche mit nationalsozialistischem Gedankengut regelrecht geschult, wie die Polizei mitteilte. Sie trugen einheitliche Kleidung, mussten Verhaltensweisen und Lebensformen der Nazis praktizieren. Es wurden Handtücher und Schriftstücke mit Hakenkreuzen gefunden. Am Telefon begrüße ich Armin Jäger. Er ist Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Schönen guten Tag, Herr Jäger!

Armin Jäger: Schönen guten Tag!

Wiese: Dieses Zeltlager ist offenbar kein Einzelfall?

Jäger: Nein, das ist kein Einzelfall. Aber hier ist eine besondere Kategorie zu beobachten. Denn so schamlos auf Kinder und Jugendliche einzuwirken mit rechtsextremen Gedankengut, das überrascht selbst Eingeweihte. Hakenkreuze auf Geschirrhandtüchern wäre eigentlich lächerlich, ist aber brutal schlimm, wenn man die Geschichte kennt.

Wiese: Was geschieht in diesen Zeltlagern mit den jungen Menschen? Wird dort so eine Art Gehirnwäsche an denen vollzogen?

Jäger: Das ist das, was totalitäre Systeme immer mit Kindern veranstalten, weil die am wenigsten wehrhaft sind, weil sie noch nicht die Abwehrkräfte haben, die wir Erwachsene haben sollten. Genau das wird gemacht. Man versucht sie zu indoktrinieren. Und man nutzt den kindlichen Spieltrieb, den kindlichen Abenteuertrieb, der ja völlig normal ist. Man spielt, man macht Abenteuer und dabei sondert man sein Gift ab.

Wiese: Lassen Sie uns über diese spezielle Organisation sprechen, Herr Jäger. Heimattreue Deutsche Jugend. Die nennt sich ja wohl nicht zufällig HDJ, von HJ trennt sie da nur noch das "D"?

Jäger: Ja, das ist richtig. Und das ist auch, wenn man die Geschichte dieser Einrichtung oder dieses Vereins kennt, auch so gewollt. Die Annäherung an die HJ, auch die Art und Weise, dass Uniformen getragen werden, die Art und Weise, wie man miteinander umgeht, das soll alles genau dahin führen. Und so werden dann auch die Jugendlichen von den Erwachsenen mit diesem Gedankengut, ich sage mal, versorgt. Das ist noch viel zu vornehm ausgedrückt.

Wiese: Sie, wie andere Politiker auch, fordern nun ein Verbot der HDJ. Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten solch eines Verbotsantrages?

Jäger: Wir sind hier in der sehr komfortablen Lage, dass die Polizei entsprechende Erkenntnisse hatte und entsprechende Beweisstücke auch sicherstellen konnte. Hakenkreuze sind Symbole einer verfassungsfeindlichen Organisation. Ihr Gebrauch ist deshalb verboten. Das sind Straftaten. Das Vereinsgesetz ist da ziemlich gnadenlos. Wer sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung als Verein wendet, wer gegen die Völkerverständigung eintritt, wer gegen Toleranz eintritt, der kann dem Vereinsverbot unterfallen. Es gibt also einen klaren Hinweis in der Zeitschrift dieses Vereins. Im "Funkenflug" finden Sie das: Toleranz, tolerantes Verhalten gegenüber Schwächeren wird als niedere Charaktereigenschaft, ich wiederhole, niedere Charaktereigenschaft eingestuft. Ich glaube, mit diesem Gedankengut erfüllt der Verein gut und gerne die Verbotsvoraussetzung des Vereinsgesetzes.

Wiese: Herr Jäger, es gibt enge Verbindungen zwischen der HDJ und der NPD, übrigens auch mit der verbotenen Wiking-Jugend. Wenn Sie A sagen, müssen Sie auch B sagen. Wenn Sie die HDJ verbieten wollen, müssen Sie nicht auch die NPD verbieten?

Jäger: Ich propagiere dies seit geraumer Zeit. Ich bin innerhalb der CDU bundesweit nun nicht gerade in einem großen Getümmel von Befürwortern des Verbotes, weil viele Angst haben, dass noch einmal ein Desaster passiert, wie seinerzeit 2003, als das Verfassungsgericht ein Verfahren eingestellt hat.

Ich bin der Meinung, wir sind heute in einer besseren Situation. Die Beweislage ist klar. Wir brauchen auch keine V-Leute. Wer die NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommern in ihren parlamentarischen und außerparlamentarischen Verhaltensweisen beobachtet, der kann sicher sein, dass hier ganz klar verfassungsfeindliche Tendenzen da sind.

Ich würde ein Verbot durchaus für erfolgsversprechend halten. Aber da gibt es klare Verfahren. Anders als beim Vereinsverbot muss das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Das kann nur der Deutsche Bundestag oder der Bundesrat. Und da muss man Mehrheiten finden.

Aber übrigens, die Verbindung zu der Jugendorganisation, über die wir eingangs sprachen, ist ja da. Timo Müller, Mitglied der NPD-Fraktion im Landtag, ist einer der Aktivisten dieses Vereins, den ich für verbotswürdig halte.

Wiese: Ein NPD-Verbot, Sie sagten, es ist schon einmal gescheitert, weil die Verfassungsschutzämter es versäumt hatten, ihre V-Leute aus der NPD abzuziehen. Einen Abzug der V-Leute sehen viele als größere Gefahr an, weil dadurch wichtige Informationen verloren gingen.

Jäger: Ich glaube, dass wir weit über diesen Punkt hinaus sind. Sie brauchen heute kein geheim geschütztes Material mehr. Sie können mit den veröffentlichten Reden, mit den veröffentlichten Schriftstücken der NPD ihre verfassungsfeindliche und ihre kämpferische Haltung, ihre negativ kämpferische Haltung gegenüber dem Grundgesetz nachweisen. Da gibt es so viel Zitate, die auch belegbar sind. Ich brauche kein einziges klassifiziertes Material, geheimzuhaltendes Material und damit auch keine V-Leute. Und das wissen auch alle Fachleute.