Arm bis zum bitteren Ende
Seit im Jahr 2004 das Sterbegeld abgeschafft wurde, wächst die Zahl der Sozialbestattungen in Deutschland stetig an. In Berlin wird mittlerweile jede zehnte Beerdigung vom Sozialamt bezahlt. Maximal 750 Euro darf eine solche Bestattung kosten, in manchen Fällen sogar noch weniger.
Die kleine Kapelle auf dem Friedhof vor dem Halleschen Tor in Kreuzberg ist voll. Um die dreißig Männer und Frauen sind an diesem Morgen gekommen, um für ihren Kumpel Hotte zu singen und Lebewohl zu sagen. Sie kannten ihn – den obdachlosen Alkoholiker – von der Straße und dem Wohnheim, in dem er zuletzt übernachtet hat.
Das Wohnheim gehört zur Gemeinde Heiligkreuz Passion, wie auch Pfarrer Peter Storck, der die Trauerrede hält und anschließend mit allen gemeinsam quer über den Friedhof zum Grab geht. Weil Hotte keine Angehörigen hat, hätte ihm von Amts wegen nur eine Beerdigung im anonymen Sammelgrab ohne Feier zugestanden – eine so genannte ordnungsbehördliche Bestattung.
Pfarrer Peter Storck: „Dass es hier jetzt möglich war, dass Musik möglich war, dass eine Kapelle da war, dass es eine würdige Grabstelle gibt und dass auch ein Name eingraviert wird – das sind alles spendenfinanzierte Dinge, die wir organisieren und wo wir Glück haben, dass Menschen uns diese Spenden geben damit Menschen würdig beigesetzt werden.“
38 Namen in Goldbuchstaben stehen bereits auf der prächtigen, zwei Meter hohen, schwarzen Granitplatte. Hottes Name wird der 39. sein. Die Gemeinde Heiligkreuzpassion hat das alte Familiengrab 2002 gepachtet, und seitdem über 10.000 Euro Spendengelder in Restaurierung und Unterhalt gesteckt.
Storck: „Und wir haben gemerkt, dass es immer Trauergemeinden gibt, auch jenseits der Familien. Aber dass aus den letzten Bezugsgruppen, sei es in den Wohnheimen, wo die gewohnt haben oder auf der Straße oder aus dem Kiez immer Leute da sind, die auch Abschied nehmen wollen und die auch die Gräber besuchen.“
Die große Gruppe an Hottes Grab gibt Storck Recht. Nachdem ein Friedhofsmitarbeiter die Urne vorsichtig beigesetzt hat, beten alle gemeinsam das „Vater Unser“, einige sagen anschließend ein paar Worte oder legen Blumen nieder, so auch Manfred Fischer und Volker Landgreber.
Manfred Fischer: „Wenn es heißt, die Würde des Menschen ist unantastbar, dass sie dann auch in Würde beerdigt werden. Wir sind nun mal ein reiches Land und das sollte nun mal jedem möglich sein. Nicht anonym so ganz heimlich weg und dann vergessen. Ich finde das toll.“
Volker Landgreber: „Also ich finde das auf jeden Fall sehr, sehr gut, dass Leute in unserem Stand oder so was wirklich auch ehrenvoll und sinnvoll beerdigt werden. Und Hotte war halt ein sehr guter Kumpel von mir.“
Nicht alle haben so viel Glück wie Hotte. Im Schnitt ordnet das Land Berlin rund 1000 Mal im Jahr eine ordnungsbehördliche Bestattung an. Hinzu kommen über 2500 Sozialbestattungen, bei denen das Sozialamt die Kosten übernimmt.
Das Wohnheim gehört zur Gemeinde Heiligkreuz Passion, wie auch Pfarrer Peter Storck, der die Trauerrede hält und anschließend mit allen gemeinsam quer über den Friedhof zum Grab geht. Weil Hotte keine Angehörigen hat, hätte ihm von Amts wegen nur eine Beerdigung im anonymen Sammelgrab ohne Feier zugestanden – eine so genannte ordnungsbehördliche Bestattung.
Pfarrer Peter Storck: „Dass es hier jetzt möglich war, dass Musik möglich war, dass eine Kapelle da war, dass es eine würdige Grabstelle gibt und dass auch ein Name eingraviert wird – das sind alles spendenfinanzierte Dinge, die wir organisieren und wo wir Glück haben, dass Menschen uns diese Spenden geben damit Menschen würdig beigesetzt werden.“
38 Namen in Goldbuchstaben stehen bereits auf der prächtigen, zwei Meter hohen, schwarzen Granitplatte. Hottes Name wird der 39. sein. Die Gemeinde Heiligkreuzpassion hat das alte Familiengrab 2002 gepachtet, und seitdem über 10.000 Euro Spendengelder in Restaurierung und Unterhalt gesteckt.
Storck: „Und wir haben gemerkt, dass es immer Trauergemeinden gibt, auch jenseits der Familien. Aber dass aus den letzten Bezugsgruppen, sei es in den Wohnheimen, wo die gewohnt haben oder auf der Straße oder aus dem Kiez immer Leute da sind, die auch Abschied nehmen wollen und die auch die Gräber besuchen.“
Die große Gruppe an Hottes Grab gibt Storck Recht. Nachdem ein Friedhofsmitarbeiter die Urne vorsichtig beigesetzt hat, beten alle gemeinsam das „Vater Unser“, einige sagen anschließend ein paar Worte oder legen Blumen nieder, so auch Manfred Fischer und Volker Landgreber.
Manfred Fischer: „Wenn es heißt, die Würde des Menschen ist unantastbar, dass sie dann auch in Würde beerdigt werden. Wir sind nun mal ein reiches Land und das sollte nun mal jedem möglich sein. Nicht anonym so ganz heimlich weg und dann vergessen. Ich finde das toll.“
Volker Landgreber: „Also ich finde das auf jeden Fall sehr, sehr gut, dass Leute in unserem Stand oder so was wirklich auch ehrenvoll und sinnvoll beerdigt werden. Und Hotte war halt ein sehr guter Kumpel von mir.“
Nicht alle haben so viel Glück wie Hotte. Im Schnitt ordnet das Land Berlin rund 1000 Mal im Jahr eine ordnungsbehördliche Bestattung an. Hinzu kommen über 2500 Sozialbestattungen, bei denen das Sozialamt die Kosten übernimmt.
Ein Verstorbener kann auch mal ein paar Wochen im Kühlhaus liegen
Schwungvoll öffnet Bestatter Rüdiger Kußerow die schwere Edelstahltüre, betritt den garagengroßen Kühlraum. 15 Leichen liegen an diesem Vormittag hier, sorgfältig auf abwaschbaren Metallregalen neben- und übereinander gestapelt. Sie sind mit Namenschildern versehen und in wasserdichten Leichensäcken verpackt. In der Regel bleibt ein Toter vier bis acht Tage hier, erzählt Kußerow. In der Regel. Wenn das Sozialamt eine Beerdigung bezahlt, weil es zwar Angehörige gibt, diese aber kein Geld haben, dann kann ein Verstorbener auch schon mal ein paar Wochen im Kühlhaus liegen.
Kußerow: „Teilweise sind dann die Kinder unbekannt verzogen oder leben im Ausland. Und da sagt das Sozialamt, interessiert uns gar nicht, besorgen sie mal die Anschriften, schreiben sie die mal an. Und erst, wenn alles klar ist, habe ich selbst schon erlebt, sechs Kinder, sechs Wochen haben wir gewartet, bis derjenige bestattet werden darf. Ist natürlich auch psychologisch für die Angehörigen unhaltbar. Und da werden wir demnächst auch mal einen Musterprozess führen. Dass wir sagen, wenn ein Angehöriger einen Antrag stellt, dann muss das Sozialamt einfach in Vorleistung gehen.“
Den Musterprozess will Rüdiger Kußerow führen, weil er Obermeister der Innung von Berlin-Brandenburg ist und Bestatter in dritter Generation. Dem 56-Jährigen schmalen Mann, der Schnauzbart, Nickelbrille, Halbglatze und dunklen Anzug trägt, dazu freundlich lächelt, glaubt man sofort, dass es für ihn Ehrensache ist, auch eine Sozialbeerdigung so schön wie möglich zu gestalten.
Kußerow: „Das leisten wir, weil wir sagen, wir sind auch öffentlich in der Verpflichtung, die Menschen würdig zu beerdigen. Daran können sie nichts verdienen.“
750 Euro bekommt er pro Sozialbestattung. Dafür kümmert er sich um einen einfachen Sarg, Bestattungswäsche, die Überführung, Papierkram, Desinfektion, Kühlhaus, Blumenschmuck, Redner und Organist – alles in einfacher Ausführung.
Kußerow: „Es ist schon oft passiert, und das ist auch zulässig, dass die Angehörigen vielleicht auch innerhalb der Familie selbst sammeln und eine bessere Ausstattung an Blumen oder an Musik haben möchten und das darf auch verwendet werden. Ist auch grade bei unseren Migranten der Fall, dass die dann alle zusammenlegen und dann eine bessere Ausstattung bekommen.“
Ganz besonders schlimm findet auch Kußerow die ordnungsbehördlichen Bestattungen:
„In Sammelbeisetzungen werden die Urnen hier auf dem Parkfriedhof beigesetzt und wo in der Regel nicht der zuständige Pfarrer benachrichtigt wird oder die Hausgemeinschaft. Da wird einfach ein Auftrag vergeben, und erst anschließend über einen Nachlasspfleger ermittelt dann in der Wohnung, dass er den Wunsch hatte eine Erdbestattung zu bekommen. Aber das wird erst im Nachhinein geprüft, weil man schnell arbeiten will und schnell denjenigen – auf Deutsch gesagt – entsorgen möchte.“
Hotte ist so eine Entsorgung zum Glück erspart geblieben. Allerdings ist das Grab, in dem er liegt, bald voll. Nur noch ein Mensch kann hier beerdigt werden. Spenden für ein Neues werden dringend gesucht, denn der Bedarf wächst ständig im armen Berlin.