ARD-Themenwoche

"Glück ist gesund, und es ist ansteckend"

Eckart von Hirschhausen im Gespräch mit Julius Stucke · 19.11.2013
Gute Freunde sind etwa anderes als Schokolade – oder als wenn man sich im Wettkampf anstrengt und über sich hinaus wächst. Doch alles kann glücklich machen, wie Mediziner und ARD-Moderator Eckart von Hirschhausen weiß.
Julius Stucke: Wir widmen uns jetzt einem kleinen Wort, fünf Buchstaben nur, aber wenn man einmal anfängt, darüber nachzudenken, dann öffnet sich ein riesiges Feld: Glück! Glück im Kleinen, Glück im Großen, Glück im Spiel, Glück in der Liebe – von der Frage, was der Begriff eigentlich meint, ob das individuell unterschiedlich oder objektiv messbar ist - bis hin zur Frage, macht Unglücksein krank und, und, und ...
Das ist genug Stoff, um Tage zu füllen – die ARD macht das gerade und hat eine Themenwoche "Glück" im Programm. Wir haben jetzt nur etwa fünf Minuten, aber man kann ja auch mal schnell glücklich werden. Guten Morgen, Eckart von Hirschhausen!
Eckart von Hirschhausen: Guten Morgen!
Stucke: Sie sind Mediziner und Fernsehmoderator in der ARD, jetzt Themenpate dieser Glückswoche in der ARD, das Thema beschäftigt Sie seit Jahren – haben Sie denn so was wie eine kurze Definition, was ist Glück?
von Hirschhausen: In der Wissenschaft nennt sich das subjektives Wohlbefinden. Man kann es messen, indem man Menschen fragt, wie glücklich empfinden Sie sich gerade. Man kann andere fragen, für wie glücklich halten Sie die Person XY. Man kann Menschen im MRT untersuchen und sieht, welche Glückszentren im Hirn aufleuchten.
Und man kann vor allen Dingen den Gegenspieler des Glücks sehr gut messen, nämlich Stress. Zum Beispiel mit Speichelproben kann man zeigen, dass Menschen, die gemeinsam im Chor singen, glücklicher werden und mehr Oxytocin bilden.
Stucke: Welche Glückszentren im Hirn aufleuchten, kann man sehen, bei was leuchten denn bei Ihnen persönlich die Glückszentren im Hirn auf?
von Hirschhausen: Ach, natürlich, wenn man was Leckeres isst und es mit allen Sinnen isst ... Sinnlichkeit ist ein Teil des Ganzen, aber Sinn ist viel wichtiger als Schokolade. Und deswegen ist Glück im Deutschen eben auch so ein kompliziertes Unterfangen zu definieren, weil wir damit sehr, sehr unterschiedliche Dinge meinen.
Im Englischen gibt es pleasure, gibt es happiness, gibt es luck, alles wird im Deutschen in einen Topf geworfen. Und deswegen versuche ich eben auch in meinem Buch "Glück kommt selten allein" dazu aufzurufen, fünf verschiedene Arten zu unterscheiden. Etwas Spirituelles, Religiöses ist ja nicht zu vergleichen mit einem Stück Schokolade. Gute Freunde sind was anderes, als wenn man sich im Wettkampf anstrengt und über sich hinauswächst. Das alles kann aber glücklich machen.
"Wir Deutschen haben ein kleines Mentalitätsproblem"
Stucke: Glück ist – ich denke, am besten sieht man es vielleicht an dem Unterschied Glück im Spiel oder Glück in der Liebe – manchmal was Zufälliges, Glück im Spiel, und manchmal was, was man vielleicht auch planen kann, oder?
Dr. med Eckart von Hirschhausen, Mediziner, Buchautor, Kolumnist, Kabarettist, Clown Rote Nasen e.V.
Dr. med Eckart von Hirschhausen, Mediziner, Buchautor, Kolumnist, Kabarettist, Clown Rote Nasen e.V.© Deutschlandradio - Bettina Straub
von Hirschhausen: Ja, also wir Deutschen haben ein kleines Mentalitätsproblem mit dem Thema Zufriedenheit. Wir sind eine der reichsten Nationen der Welt, wir sind aber auf der Zufriedenheitsliste hinter Platz 26. Und ich erwarte ja nicht, dass mit der ARD-Themenwoche ein großer Ruck durch Deutschland geht, aber ein kleines Lächeln, das wäre schon mal schön.
Wenn wir uns zum Beispiel klarmachen, dass Glück eben nicht so sehr schicksalshaft daherkommt, dass man Glück oder Pech einfach hat, sondern das glückliche Menschen vor allem die sind, die sich für andere einsetzen, die sich ehrenamtlich engagieren, die ein engagiertes Leben im Kontakt mit anderen Menschen und mit weniger materiellen Zielen haben, ist alles sozusagen, nicht alles, aber ein großer Teil liegt in unserer Hand, und das ist eigentlich die wichtigste Botschaft: Glück kann man üben, Glück kann man können und man kann ein Leben lang reifer werden und immer wieder neue Ziele sich setzen und erreichen.
Stucke: Sie haben die hängenden Mundwinkel von uns Deutschen angesprochen, wir sind so unglücklich, obwohl es uns eigentlich gut geht. Ist das Paradoxe daran, dass uns dieses Unglück dann auch noch schlechter macht, weil es uns einfach krank macht?
von Hirschhausen: Auf alle Fälle! Glück ist gesund, und es ist ansteckend. Glückliche Menschen haben weniger Infekte, weniger Herzinfarkte, weniger Diabetes. Ich behaupte mal, dass wir uns Unglück als Nation gar nicht länger leisten können, weil wir massive Probleme haben mit Depressionen, die schlecht behandelt werden, die nicht erkannt werden, mit Burn-out, mit allem, was mit Bewegungsmangel zu tun hat, mit Rückenschmerzen, Knieproblemen bis hin zu Übergewicht.
Ich glaube, dass das alles im Kern mit der Frage zusammenhängt, was lerne ich bereits als Kind darüber, wie ich meine Stimmung selber regulieren kann. Lerne ich, mich bei Stress mehr zu bewegen oder einen Freund anzurufen, oder lerne ich vor der Glotze Chips zu essen. Das heißt, wir brauchen eigentlich ein wirkliches Umdenken und viel mehr psychologische Kompetenz in die frühen Hilfen, in die Förderung im Kleinkindalter, in den Schulen, vielleicht sogar ein eigenes Schulfach Glück.
Stucke: Und vielleicht ein Glücksministerium?
von Hirschhausen: Ja, ein kleines Beispiel, wir haben gerade die großen Koalitionsverhandlungen: Politik macht glücklich oder unglücklich. In Dänemark wird in Radwege investiert, in Deutschland in die Pendlerpauschale, damit Leute möglichst lange im Stau stehen, die weit außerhalb wohnen.
Stucke: Unsere Politik macht uns also unglücklich?
von Hirschhausen: Ja! Also, man sollte tatsächlich Gesetze daraufhin abklopfen, welche politischen Rahmenbedingungen eigentlich Glück stiften – das maßgebliche Investieren in Gesundheit, in Bildung, in Freiheit, in bürgerschaftliches Engagement, das ist in der Forschung ganz klar herausgekommen, aber in der Politik leider noch nicht ganz angekommen.
Stucke: Herr von Hirschhausen, eine ganze Woche widmet die ARD nun ihr Programm dem Thema Glück. Gibt es denn so ein, zwei Beispiele, die in Ihren Augen besonders geglückt sind?
"Gezielt drei Dinge aufschreiben, die schön waren"
von Hirschhausen: Es gibt tolle Aktionen, Anke Engelke hatte eine schöne Dokumentation. Radioeins in Berlin macht ein Buch aus den Glücksmomenten der Hörer, und ich darf auch alle Hörer jetzt auffordern, sich zu beteiligen. Auf der Seite www.daserste.de findet man einen Link, wo man seine persönlichen Glücksrezepte einsenden kann, und die landen am Freitag um 20:15 Uhr dann in meiner Sendung "Zum Glück mit Hirschhausen", die ist live.
Das heißt, bis zum Sendeende können sich alle aufgerufen fühlen und beteiligen, man kann auch seine persönlichen Glückselemente in seine Reihenfolge bringen: Was ist einem wichtiger: Freunde, Familie, gutes Tun, Humor oder Geld haben? Und damit machen wir wirklich eine interaktive Glückswoche, und ich hoffe, dass viele ein persönliches Glücksrezept mitnehmen, und dafür stehe ich am Freitag um 20:15 Uhr dann im Ersten Deutschen Fernsehen.
Stucke: Und dann noch zum Abschluss Ihre ganz kurz gefasste definitive Glücksformel für den Tag: Wie funktioniert’s am besten?
von Hirschhausen: Sich am besten morgens zu überlegen, wofür stehe ich heute auf, worauf habe ich heute Freude, wozu möchte ich beitragen, und am Abend ein kleines Dankbarkeitstagebuch führen, statt sich mit den Sorgen, mit dem Grübeln zu beschäftigen, gezielt drei Dinge aufschreiben, die schön waren, und die findet man. An jedem noch so trüben Novembertag gibt es immer drei Lichtblicke, auch in Ihrem Leben hoffentlich.
Stucke: Und für uns aufgestanden ist der Mediziner und Moderator Eckart von Hirschhausen. Danke Ihnen fürs Gespräch und einen schönen Tag!
von Hirschhausen: Sehr herzlich gern!
Stucke: "Glück", die Themenwoche in der ARD.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.