Architekturpreis

Die 22 besten Bauwerke in Deutschland

Außenaufnahme des Kunstmuseums Ravensburg
Ausgezeichnet: das Kunstmuseum Ravensburg © picture alliance / Rolf Schultes
Von Rudolf Schmitz |
Seit 2006 vergibt das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt einen Architekturpreis für die besten Bauwerke Deutschlands. Der Sieger spiegelt die Stimmungslage im Baugeschehen: keine Experimente, sondern Beständigkeit.
Der Sieger, also das beste Bauwerk in Deutschland, ist ein Kunstmuseum in Ravensburg, das mit seiner Backsteinverkleidung, den kleinen Fenstern, den kupfergefassten Dachwölbungen perfekt in die Altstadt passt. Das Stuttgarter Büro Lederer, Ragnarsdottir, Oei hat es entworfen, es ist bekannt für seine Materialsorgfalt und tektonische Expressivität.
Jórunn Ragnarsdóttir: "Uns interessiert schon lange die Frage der Nachhaltigkeit. Und diese Backsteine bringen ihre eigene Patina mit, die stammen aus einer Klosteranlage an der belgischen Grenze. Und das ist doch schön wenn dieses Material wieder eine neue Rolle einnimmt, an einem anderen Ort."
Jórunn Ragnarsdóttir spricht von dem Museum als einem maßgeschneiderten Anzug. Gemacht wurde er für eine Privatsammlung expressionistischer und gegenständlicher Kunst, das oberste Stockwerk bietet einen reizvollen Kontrast von backsteingefassten Kappendecken und weiß modernem Innenraum. Das Museum hat nicht nur die Expertenjury überzeugt, sondern auch die Bewohner der Stadt.
Ragnarsdóttir: "Das schönste Kompliment, das wir bekamen für das Gebäude, war, als ein alter Herr vor dem Haus stand und sagte, das sei ja wirklich ein gelungener Umbau. Das ist doch herrlich, dass das Gebäude nicht in einer Jahreszahl verhaftet ist, sondern es ist, als wäre es schon immer da gewesen."
Architekturhaltung: Angst vor der Zukunft
Und tatsächlich ist dieser Sieger des diesjährigen Architekturpreises, der seit 2006 vom Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt vergeben wird, symptomatisch für die augenblickliche Stimmungslage in Deutschland und das gegenwärtige Baugeschehen.
Peter Cachola Schmal, Direktor des Frankfurter Museums: "Wir sind top in Europa, uns geht so gut wie nie zuvor, und wir haben Angst vor der Zukunft, weil wir der Meinung sind, so kann‘s wahrscheinlich nicht immer weiter gehen. Irgendwann erwischt es uns und wir gehen den Bach runter. Und so sieht die Architekturhaltung aus, so sieht die Haltung der Bauherren aus. Keine Experimente, es muss halten, es soll nicht zu sehr aufregen, es soll Beständigkeit signalisieren. Also so ist die Stimmung in Deutschland und so sehe unsere Bauten zur Zeit aus."
Und tatsächlich sind die 22 besten Bauwerke, die hier mit Detailfotos, Projektbeschreibungen und Modellen gezeigt werden, insgesamt eher gediegen zu nennen. Universitäre Bauten, Erweiterungen von Bestehendem, religiöse Architekturen wie die neue Synagoge von Ulm, die Staatsbibliothek zu Berlin, nur zwei Eigenheimarchitekturen.
Geradezu aus dem Rahmen fällt da eine kleine Autobahnkirche im Siegerland, gebaut vom Frankfurter Büro Schneider/Schumacher. Außen wirkt sie wie ein apartes und spitzwinkliges Oregami, innen allerdings empfängt die Besucher ein warmer, kuppelartiger Raum mit feingliedriger Holzrippenstruktur. Die einzige spektakuläre und kühne Formsprache in dieser Ausstellung.
"Nicht die Zeit für spektakuläre Formexperimente"
Cachola Schmal: "Die ist sehr klein und die steht an der Autobahn, da braucht man ein bisschen Aufmerksamkeit, damit man überhaupt hingeht, nein, das ist nicht die Zeit für spektakuläre Formexperimente in Deutschland… Wir sind keine Jury, die sagt, wir wählen freche Experimente, wir wählen einfach das, was gut ist, und unter den eher konservativen Haltungen gibt es ja auch gute."
Und eine dieser eher konservativen, aber sehr gelungenen Architekturen ist die umgebaute Neue Galerie in Kassel, von Staab Architekten Berlin. Da tun sich sehr spannende Raumfolgen auf, ehemals verbaute Sichtachsen wurden wieder geöffnet, ein Museumsbau ist behutsam auf den neuesten Stand gebracht.
Cachola Schmal: "Auch schön ist, von Florian Nagler im Bayrischen, ein familiengeführtes Hotel, der Tannerhof, eine große langestreckte Haupthaus, wo es einzelne kleine Häuschen als Minitürmchen in der Landschaft gibt, von denen sie mehrere gebaut haben, das Stichwort heißt weiterbauen, nämlich mit dem gleichen Material, mit der gleichen Haltung. Dieses Weiterbauen ist auch eine sehr zeitgemäße Haltung."
Beständigkeit, Nachhaltigkeit, Materialsorgfalt, Weiterbauen im Bestand, Rücksicht auf die Nachbarschaften und den Stadtraum. Keine schlechte Botschaft. Wenn das die Konsequenz der deutschen Stimmungslage wäre, dann könnte man sich doch eigentlich verschraubte Glitzergurken à la Frank Gehry gut ersparen.