Architektur, Macht und Geld
Architektur wird in Publikationen oft in ihrer Beziehung zur Kunstgeschichte oder als Widerspiegelung technologischen Fortschritts betrachtet. Deyan Sudjic widmet sich einer anderen Perspektive: Architektur ist "die primäre und machtvollste Form der Massenkommunikation", zugleich ein Spiegel von Macht, Machtstrategien, Machtverfestigung und der Auswirkung auf jene, die sie ausüben.
Deyan Sudjic, Jahrgang 1952, sammelt systematisch Fotografien von Reichen und Mächtigen, die sich über Architekturmodelle beugen. Auf einem ist Saddam Hussein zu sehen. Mit unverblümter Faszination betrachtet der ehemalige irakische Diktator das Modell der Moschee, die später den Namen "Mutter aller Schlachten" tragen wird.
"Die Botschaft des Zeitungsausschnitts ... ist eindeutig. Architektur ist Macht. Die Mächtigen bauen, weil eben Mächtige bauen. ... Architektur ist aber auch Ausdruck der Fähigkeiten und Entschlossenheit – und Bestimmtheit – der Mächtigen. ... Architektur wird von Politikern gezielt eingesetzt, um zu verführen, zu beeindrucken und einzuschüchtern."
Folglich widmet der Architekturkritiker der Londoner Zeitung "The Observer" viele Seiten seines Buches den Diktatoren des zwanzigsten Jahrhunderts - und deren Baumeistern. Adolf Hitler und Albert Speer, Josef Stalin und Boris Iofan sowie Benito Mussolini und Marcello Piacentini haben zeitgleich mit Hilfe der Architektur ihren persönlichen Vorlieben und politischen Zielen eine unübersehbare und mitunter noch heute sicht- und erlebbare Gestalt verliehen. So erklärt sich auch der Titel des Buches:
"Bauen ist das Mittel, durch das der Egoismus der Einzelnen in seiner reinsten Form ausgedrückt wird: Der Architekturkomplex. ... Architektur übt eine beständige Faszination auf die meisten egoistischen Personen aus, im verzweifelten Versuch, sich selbst zu glorifizieren - ein Milliardär-Museumskuratorium, die Wolkenkratzererbauer und die Landhausbesitzer."
Es müssen demnach nicht immer Politiker sein, wiewohl diese zweifellos und nach wie vor für ambitionierte Architekten als "erste Adresse" gelten. Bauen kostet Geld. Eben das und weitere erforderliche Ressourcen können demokratisch gewählte Volksvertreter ebenso bewilligen wie Reiche und anderweitig Mächtige - man denke nur an Wirtschaftsunternehmen wie DaimlerChrysler, auf deren Initiative und Finanzkraft ein Großteil der Bebauung des Potsdamer Platzes in Berlin zurückgeht.
Apropos: Wer in den 90er Jahren nach Berlin kam, gewann mancherorts den Eindruck, die Stadt sei nur eine Großbaustelle. Mittlerweile hat es den Anschein, als sei der Bautross weitergezogen - nach London. 150 Milliarden Euro werden dort in den nächsten Jahren verbaut für Flughafenterminals, Stadien und für Hochhäuser, die die höchsten in Europa sein werden. Was kommt hier zum Ausdruck?
Prinz Charles sprach von aufgeblasenen Phallussymbolen, "die mehr über das architektonische Ego als über die eigentliche Kunstfertigkeit aussagen". Auch Sudjic, inzwischen designierter Leiter des Design-Museums in London, hat für die geplante Neudefinition der Londoner City nicht viel übrig. In "Der Architekturkomplex" schießt er sich insbesondere auf den Millennium Dome ein, in seinen Augen die größte leere Geste des britischen kulturellen Lebens.
"Der Millennium Dome wurde von Tony Blair rasch zur Apotheose von New Labour, ein Propagandawerkzeug, um die neue politische Linie zu signalisieren. ... Die Regierung hielt sich die Nase zu und schüttete eine Milliarde Pfund in den giftigen Schlamm der Halbinsel, im Glauben, sie würde in Richtung Moderne marschieren. In Wahrheit hatte den Premier das normalerweise sichere Gespür für politische Ikonografie verlassen."
Es sind derlei Beispiele, die Sudjics gut verständliches Buch lesenswert machen und immer wieder Denkanstöße liefern. Kann Architektur neutral sein, gar autonom? Ist sie nicht eher Mittel zum Zweck denn Endzweck? Muss der Beruf des Architekten etwa als Bereitschaft gesehen werden, einen faustischen Pakt mit Mächtigen und Reichen einzugehen? Le Corbusier, Mies van der Rohe und Renzo Piano, um nur drei bedeutende Vertreter zu nennen, handelten nicht frei - so Sudjic.
Das könnte der Leiter der Architektur-Biennale 2002 vermutlich mit einigen seiner gesammelten Fotos auch augenfällig beweisen. Doch findet man derlei Bilder leider nicht im vorliegenden Band. Der ist nur mit 19 schwarz-weiß-Abbildungen ausgestattet. Einige mehr, dazu Grundrisse, Auszüge aus Plänen der vielen besprochenen Bauten und Detailskizzen hätten das Buch sicher teurer gemacht, aber auch umfassender, anschaulicher und noch gewinnbringender.
Deyan Sudjic:Der Architekturkomplex. Monumente der Macht
Aus dem Englischen von Karin Schreiner
Artemis & Winkler, Düsseldorf 2006
370 Seiten. 29,90 Euro.
"Die Botschaft des Zeitungsausschnitts ... ist eindeutig. Architektur ist Macht. Die Mächtigen bauen, weil eben Mächtige bauen. ... Architektur ist aber auch Ausdruck der Fähigkeiten und Entschlossenheit – und Bestimmtheit – der Mächtigen. ... Architektur wird von Politikern gezielt eingesetzt, um zu verführen, zu beeindrucken und einzuschüchtern."
Folglich widmet der Architekturkritiker der Londoner Zeitung "The Observer" viele Seiten seines Buches den Diktatoren des zwanzigsten Jahrhunderts - und deren Baumeistern. Adolf Hitler und Albert Speer, Josef Stalin und Boris Iofan sowie Benito Mussolini und Marcello Piacentini haben zeitgleich mit Hilfe der Architektur ihren persönlichen Vorlieben und politischen Zielen eine unübersehbare und mitunter noch heute sicht- und erlebbare Gestalt verliehen. So erklärt sich auch der Titel des Buches:
"Bauen ist das Mittel, durch das der Egoismus der Einzelnen in seiner reinsten Form ausgedrückt wird: Der Architekturkomplex. ... Architektur übt eine beständige Faszination auf die meisten egoistischen Personen aus, im verzweifelten Versuch, sich selbst zu glorifizieren - ein Milliardär-Museumskuratorium, die Wolkenkratzererbauer und die Landhausbesitzer."
Es müssen demnach nicht immer Politiker sein, wiewohl diese zweifellos und nach wie vor für ambitionierte Architekten als "erste Adresse" gelten. Bauen kostet Geld. Eben das und weitere erforderliche Ressourcen können demokratisch gewählte Volksvertreter ebenso bewilligen wie Reiche und anderweitig Mächtige - man denke nur an Wirtschaftsunternehmen wie DaimlerChrysler, auf deren Initiative und Finanzkraft ein Großteil der Bebauung des Potsdamer Platzes in Berlin zurückgeht.
Apropos: Wer in den 90er Jahren nach Berlin kam, gewann mancherorts den Eindruck, die Stadt sei nur eine Großbaustelle. Mittlerweile hat es den Anschein, als sei der Bautross weitergezogen - nach London. 150 Milliarden Euro werden dort in den nächsten Jahren verbaut für Flughafenterminals, Stadien und für Hochhäuser, die die höchsten in Europa sein werden. Was kommt hier zum Ausdruck?
Prinz Charles sprach von aufgeblasenen Phallussymbolen, "die mehr über das architektonische Ego als über die eigentliche Kunstfertigkeit aussagen". Auch Sudjic, inzwischen designierter Leiter des Design-Museums in London, hat für die geplante Neudefinition der Londoner City nicht viel übrig. In "Der Architekturkomplex" schießt er sich insbesondere auf den Millennium Dome ein, in seinen Augen die größte leere Geste des britischen kulturellen Lebens.
"Der Millennium Dome wurde von Tony Blair rasch zur Apotheose von New Labour, ein Propagandawerkzeug, um die neue politische Linie zu signalisieren. ... Die Regierung hielt sich die Nase zu und schüttete eine Milliarde Pfund in den giftigen Schlamm der Halbinsel, im Glauben, sie würde in Richtung Moderne marschieren. In Wahrheit hatte den Premier das normalerweise sichere Gespür für politische Ikonografie verlassen."
Es sind derlei Beispiele, die Sudjics gut verständliches Buch lesenswert machen und immer wieder Denkanstöße liefern. Kann Architektur neutral sein, gar autonom? Ist sie nicht eher Mittel zum Zweck denn Endzweck? Muss der Beruf des Architekten etwa als Bereitschaft gesehen werden, einen faustischen Pakt mit Mächtigen und Reichen einzugehen? Le Corbusier, Mies van der Rohe und Renzo Piano, um nur drei bedeutende Vertreter zu nennen, handelten nicht frei - so Sudjic.
Das könnte der Leiter der Architektur-Biennale 2002 vermutlich mit einigen seiner gesammelten Fotos auch augenfällig beweisen. Doch findet man derlei Bilder leider nicht im vorliegenden Band. Der ist nur mit 19 schwarz-weiß-Abbildungen ausgestattet. Einige mehr, dazu Grundrisse, Auszüge aus Plänen der vielen besprochenen Bauten und Detailskizzen hätten das Buch sicher teurer gemacht, aber auch umfassender, anschaulicher und noch gewinnbringender.
Deyan Sudjic:Der Architekturkomplex. Monumente der Macht
Aus dem Englischen von Karin Schreiner
Artemis & Winkler, Düsseldorf 2006
370 Seiten. 29,90 Euro.