Architektur der Museen

Von Volkhard App |
In der Veranstatltungsreihe „Philosophie:Kunst 2009-2011“ hat die Kulturstiftung des Buundes und der LMU München Philosophen, Kunstwerke, Künstler und Kunstbetrachter in fünf Museen in ganz Deutschland zusammengeführt. Nun war das Sprengel-Museum Hannover mit der Tagung „Kontextarchitektur“ dran.
Die Dadaisten attackierten einst die Institution Museum, diese „bürgerliche Bildungsanstalt“, und die Futuristen wollten diese Horte verhasster Tradition sogar niederbrennen. Das schreckt heute niemanden mehr. Gegenwärtig geht es um das angemessene Innen und Außen.

Dabei gibt es in der Architektur der Kunstmuseen eine enorme Bandbreite zwischen funktionaler, stilistisch eher zurückgenommener Bauweise und extravaganter Formgebung. Julian Nida-Rümelin, Philosoph und früherer Kulturstaatsminster:

„Es gibt eine internationale Debatte um den Stil der Museumsbauten. Berühmtestes Beispiel ist natürlich der gigantische Bau in Bilbao. Die Frage ist einerseits, wie viel spektakulären Stil man sich wünscht – das verstehe ich auch, dass die Städte mit ihren Museumsbauten international ausstrahlen wollen – und andererseits, wie viel Funktionalität und auch Respekt gegenüber der Kunst, die dort behaust sein soll, sein muss. Und das ist nicht immer bei allen Museumsbauten gleichermaßen gut gelungen.“

Die Kritik gegenüber Architekten, sich auf Kosten der auszustellenden Kunst profilieren zu wollen, gehört allerdings lange schon zu den Standards und machte einst auch vor Mies van der Rohe mit seiner Neuen Nationalgalerie und vor Frank Lloyd Wright mit dem Guggenheim Museum nicht Halt.

Als poetisches Moment im Leben einer Stadt bezeichnete Architekt Alessandro Mendini die Ausstrahlung außergewöhnlicher Museen. Tatsächlich sind es oft wunderbare Bauskulpturen, die kräftige urbane Akzente setzen – ín denen Ausstellungen andererseits nur schwer zu gestalten sind.

Nida-Rümelin: „Meine ganz persönliche Auffassung ist tatsächlich, dass in einigen dieser hochspektakulären Bauten – dass betrifft sogar das Jüdische Museum in Berlin, für das ich eine Mitverantwortung getragen habe, auch wenn es schon eingeweiht wurde, als ich mein Amt in Berlin übernommen hatte. Hier sind faszinierende Räume entstanden und faszinierende Baukörper in der Stadt, aber ich sehe die Praxis der Ausstellungen – wie also Kunst in die Räume kommt – dort oft nur unzureichend berücksichtigt.“

Das ganze Spektrum an baulichen Varianten hat Ulrich Winko, Professor für Architekturtheorie an der Hochschule München im Blick – und da purzeln beim Gang durch die letzten Jahrzehnte nur so die Begriffe: postmodern, dekonstruktivistisch und neo-minimalistisch. Es herrscht stilistische Pluralität im Lande und international.

Winko hat dabei Verständnis für den Versuch von Architekten, ihre Profession künstlerisch vom Gebot des bloß Dienstbaren, einer nur „angewandten“ Kunst zu emanzipieren. Sogar für das Team „coop himmelb(l)au“, das in Lyon mit einem Museum für Wissenschaft und Ethik beschäftigt ist, bricht er eine Lanze.

Die himmelblauen Akteure haben die Schaffung ausstellungsgeeigneter Räume zwar nicht kategorisch ausgeschlossen, aber doch als nachgeordnete Funktion ihrer architektonischen Kühnheiten ausgegeben. Mit solchem Denken wird womöglich eine Grenzlinie des Sinnvollen und öffentlich Wünschbaren überschritten.

Ulrich Winko: „Es ist kritikwürdig, aber von einer bestimmten Perspektive aus. Mir fällt auf, dass wir es mit der Entstehung neuer Museumstypen zu tun haben. Und dieser Typ, also Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao und das von coop himmelb(l)au in Lyon, funktioniert nach ganz anderen Kriterien.

In Lyon wird überhaupt nicht darüber diskutiert, was in dem Museum passieren soll und was man ausstellen will – sondern man möchte eine neue Identität der Stadt schaffen, man möchte soziale, politische und kulturelle Akzente mit diesem Museum verbinden. Die funktionalen Aspekte des Sammelns, Bewahrens und Ausstellens stehen bei solchen Museen sowieso im Hintergrund.“

Bestehende Museen bemühen sich auf vielfältige Art, den Betrachter mit räumlicher Erfahrung zu aktivieren und dabei neue, überraschende Korrespondenzen zwischen Kunstwerken zu ermöglichen. Als modernes Erbe gilt da das „Kabinett der Abstrakten“ mit seinen verschiebbaren Wänden und Raumteilen, das El Lissitzky in den späten Zwanzigerjahren in Hannovers Provinzialmuseum eingerichtet hatte – und das im Sprengel Museum rekonstruiert worden ist.

Der Dozent und Architekt Wilfried Kuehn plädiert mit solchen historischen Beispielen für ein neues Denken im Museum. Aber ist die Mobilisierung des Besuchers durch geschickte und überraschende räumliche Inszenierung nicht längst Alltag in vielen Häusern?

Wilfried Kuehn: „Die Kunstgeschichte denkt komplett in Einzelwerken und -Objekten. Die meisten Kuratoren sind ja Kustoden, also Sammlungsleiter und sie denken in einzelnen Sammlungsobjekten, die sie klassifizieren. Die Idee, dass diese Objekte Kontexte bilden und Räume und dass es auch mit der Rezeptionsgeschichte zu tun hat und das Museum ein Ort ist, an dem das alles verhandelt wird, das ist noch nicht allgemeine Philosophie heute.“

Eine mit ihren vielen Beispielen informative Tagung, auf der vor nicht ganz so gut besetzten Reihen gelegentlich auch Seminar- Papier raschelte. Der Museumsbau, soviel steht fest, wird wegen seines repräsentativen und programmatischen Charakters eine der attraktivsten Aufgaben für Architekten bleiben.

Kaum ein besserer Ort als das Sprengel Museum war für diese Veranstaltung denkbar, denn es erhält demnächst den für seine Sammlung dringend benötigten Anbau, die zweite Erweiterung nach 1992. Der Architekt Marcel Meili aus Zürich hat sich mit seinem ruhigen, funktionalen Vorschlag durchgesetzt.

Insgesamt drängt sich in Deutschland aber der Eindruck auf, dass die Beschäftigung mit konkreten Museumsprojekten, mit Stilen und Funktionsweisen nicht ganz soviel Zukunft hat – gilt es doch in vielen Städten erst einmal, vorhandene Institutionen vor Streichkonzerten zu schützen.

Julian Nida-Rümelin: „Ich glaube, dass wir ein paar Jahre vor uns haben, in denen einfach aus finanziellen Gründen Bescheidenheit erzwungen wird. Ich halte es für eine Fehlentwicklung, dass die Länder und Kommunen nicht mehr die Mittel haben werden, um in die Kunst zu investieren.

Ich hoffe, dass diese Zeiten nach ein paar Jahren auch wieder überwunden sind. Wenn die Bürgerschaft nicht die Möglichkeit hat, sich in den Städten über die Kunstinstitutionen zu definieren, dann geht etwas ganz Zentrales verloren. Und deshalb wäre es in meinen Augen eine große Eselei, wenn wir jetzt unter diesen Sparzwängen vor allem die Kunst zur Ader ließen.“