Architektur

Barcelonas Untergang

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Den Hafen von Barcelona überschwemmen in den Sommermonaten Heerscharen von Touristen. © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Von Klaus Englert · 18.06.2014
Lange ist es her, dass Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele als Impuls für die Stadtentwicklung angesehen wurde. Barcelona sei darin erfolgreich gewesen, lobt der Architekturkritiker Klaus Englert.
Die Olympischen Spiele in Sotschi stellten zwei Rekorde auf: Es waren die teuersten und die am wenigsten nachhaltigen. Wladimir Putin und den Seinen gilt der Ruhm, den 340.000 Einwohnern bleiben überdimensionale Wettkampfstätten und enorme Instandhaltungskosten.
In der Millionenstadt Barcelona verstieg man sich nicht darauf, größenwahnsinnige Bauwerke zu errichten. 1986, als die katalanische Metropole den Zuschlag für die Spiele erhielt, sprach zwar noch niemand von Nachhaltigkeit.
Aber nach dem Ende der Franco-Diktatur wollten Regierungschef Felipe Gonzalez und Bürgermeister Pasqual Maragall der Welt ein anderes Spanien zeigen: Es sollte weltoffen, bürgernah und demokratisch sein. Das Rathaus löste sein Versprechen ein, eine Stadt für die Bürger zu schaffen. Noch heute profitiert Barcelona von der Infrastruktur, die damals entstanden ist.
Einstige Steinbrüche wurden in Parks umgewandelt, attraktive Plätze geschaffen - auch an den Stadträndern, zugunsten lebendiger Viertel. Die bekannteste Losung hieß: "Barcelona zum Meer hin öffnen". Deswegen wurde der Industriehafen abgebaut und der Alte Hafen öffentlich zugänglich gemacht. Maragalls populärste Entscheidung war, einen sechs Kilometer langen Strand aufschütten zu lassen, weil dies gelebte städtische Sozialdemokratie sei.
Dazu gehörte auch, Bildung bis in die ärmsten Viertel zu bringen und Stadtteil-Bibliotheken einzurichten. Kunst sollte den gesamten Stadtraum aufwerten, sogar Straßen und Plätze in entlegenen Stadtteilen. Skulpturen sollten also nicht nur vor Regierungs- oder Kulturpalästen stehen. Kaum ein Tourist weiß, dass die Werke internationaler Stars in ganz Barcelona anzutreffen, dass die Kreativen in leer stehende Fabrikhallen eingezogen sind.
Doch heute nach sechs Jahren Wirtschaftskrise ist das weltweit bewunderte "Modell Barcelona" gefährdet. Nachhaltigkeit wird dem besinnungslosen Motto "Barcelona Growth" geopfert, gefördert durch die neoliberal-regionalistische Regierung Kataloniens. Politiker und Tourismus-Experten berauschen sich an immer höheren Touristenzahlen und am Boom neu gebauter Hotels.
Proteste der Anwohner
Bei so viel Euphorie wird gerne übersehen, dass Teile des Alten Hafens, den in heißen Sommermonaten Heerscharen von Touristen überschwemmen, längst in fremden Händen sind. Seit einem Jahr ist der englische Investor Salamanca Group stolzer Eigentümer des Luxus-Jachthafens - vom Stadtparlament abgesegnet und gegen die Proteste der Anwohner.
Derweil entwickelt sich die Halbinsel Barceloneta, wo einst Fischer ihre Boote anlegten, zu einem Ressort des internationalen Jetsets. Über das kleinteilige Viertel ragt jetzt das Hotel W wie ein riesiges, emblematisches Segel empor - als blasse Kopie des legendären Burj al Arab im Reichenparadies Dubai. Die vermögenden Hotelgäste wird es kaum interessieren, dass der Hauptinvestor ausgerechnet eine Immobiliengesellschaft aus Qatar ist.
Damit nicht genug. Die Begehrlichkeiten der Qataris richten sich ebenso aufs neue Business-Viertel L'Hospitalet, wo sich das Militär des Golfstaates Jean Nouvels "Hotel Renaissance" einverleibte. Auch der verschuldete FC Barcelona hört neuerdings auf die Pfeife der arabischen Scheichs.
Man hätte es sich denken können: Jean Nouvels Torre Agbar, das strahlende Symbol des aufstrebenden Barcelona, gehört längst nicht mehr den Stadtwerken. Kürzlich ist er in amerikanischen Besitz, in den der Hotelgruppe Hyatt übergegangen.
Aus der "Stadt für alle Bürger" ist die "Stadt für ausländische Investoren" geworden.
Klaus Englert, Architekturkritiker, schreibt für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und den Hörfunk. Er war Kurator der Ausstellung "Architektenstreit. Brüche und Kontinuitäten beim Wiederaufbau in Düsseldorf" (Stadtmuseum Düsseldorf) und der Wanderausstellung von "Neue Museen in Spanien". Er schrieb die Bücher "Jacques Derrida" und "New Museums in Spain".
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Klaus Englert© privat