Architekt Andreas Hofer über Großsiedlungen

"Ein Gefühl von Heimat und Stolz vermitteln"

06:58 Minuten
31-geschossiges Wohnhochhaus von Walter Gropius mit 18.000 Wohnungen in Berlin.
Großsiedlung mit Negativimage: Gropiusstadt in Berlin © picture alliance / imageBROKER / Jürgen Henkelmann
Moderation: Timo Grampes · 29.04.2019
Audio herunterladen
Großsiedlungen haben keinen guten Ruf: schlechte Wohnqualität für Minderverdiener, sozialer Brennpunkt, trostloses Ambiente. Doch gerade in Zeiten von Wohnungsnot könnten sie ein städteplanerisches Revival feiern, glaubt Architekt Andreas Hofer.
Die Gropiusstadt und das Märkische Viertel in Berlin, Neuperlach in München - das sind Synonyme für gesichtslose Großstadt-Hochhaussiedlungen aus den 1960er-/70er-Jahren: Viele Menschen leben auf relativ geringem Raum - sozialer Sprengstoff inklusive. Wollen wir so etwas heute in Neuauflage wieder haben?
Die Frage ist angesichts dramatischer Wohnungsnot in Städten wie Berlin, München oder Köln keineswegs abwegig - der Schweizer Architekt Andreas Hofer, Leiter der Internationalen Bauausstellung IBA 2027 in Stuttgart, plädiert sogar ausdrücklich dafür und fordert "Mut zur Dichte" und zur "sozialen Nähe".

Wertschätzung und gute Materialien

In der Siedlung Neuperlach etwa seien die Leute von Anfang an sehr zufrieden gewesen. "Es gab Probleme, die aber gelöst wurden", betont Hofer. Und es gebe architektonische Rezepte für den Erfolg solcher Siedlungen - die an die aktuellen demografischen Entwicklungen angepasst werden müssten.
Fassade eines Wohnblocks in Neuperlach, München. 
Der Begriff "Wohnsilos" entstand mit den ersten Großsiedlungen - hier Neuperlach in München. © picture alliance / Okapia / Falck
Das bedeute: "Nicht nur für junge Familien bauen, sondern auch für Alleinstehende und Ältere." Es gebe so etwas wie gemeinschaftsfördernde Architektur - "das hat etwas mit Wertschätzung, mit guten Materialien, mit Wertigkeit zu tun. Da gibt es natürlich einen großen Unterschied zum Sozialwohnungsblock der 60er-Jahre." Es sei Aufgabe der Architekten, auch Menschen mit geringem Einkommen ein Gefühl von Heimat und auch Stolz zu vermitteln.
Zugleich müssten Siedlungsplaner von der Idee wegkommen, dass alle Wohneinheiten perfekt auf Gleichheit getrimmt seien sowie intensiv über eine gute Mischung aus Wohnen und Arbeiten nachdenken - etwa, wie die Erdgeschossflächen für Geschäfte, Kinderbetreuung, Urban Gardening oder Nachbarschafts-Treffs genutzt werden könnten.
(mkn)

Stellvertretend für Großsiedlungen stand lange - negativ besetzt - die DGB-eigene Wohnungsbaugesellschaft "Neue Heimat", die Dutzende von Trabanten-Siedlungen an Stadtränder baute (und in den 80er-Jahren durch Missmanagement und Korruption schlagzeilenträchtig pleite ging).

Die Münchner Pinakothek der Moderne zeigt noch bis 19. Mai 2019 die Ausstellung "Die Neue Heimat (1952 bis 1982)".

Mehr zum Thema