Archimedes & Co
Mit dem Aufstieg Alexander des Großen erlebten auch die antiken Wissenschaften eine wahre Blüte. Forscher wie Archimedes, Thales oder Plutarch konzentrierten sich nicht nur auf die reine Theorie, sondern stellten ihre Arbeit ebenso in den Dienst der praktischen Anwendung. Dass von diesen Erkenntnissen und Endeckungen auch Wissenschaftler wie Leonardo da Vinci oder Galileo Galilei profitieren, berichtet Lucio Russo in seiner wissenschaftsgeschichtlichen Studie "Die vergessene Revolution oder Die Wiedergeburt des antiken Wissens".
In der Badewanne fand Archimedes das nach ihm benannte Prinzip angeblich heraus. Auch wie er seine plötzliche Eingebung kommentiert hat, ist überliefert: "Heureka - Ich hab’s!" soll er gerufen haben, als ihm die Idee kam, dass schwimmende Körper eine Auftriebskraft erfahren, deren Größe vom Gewicht der durch sie verdrängten Flüssigkeitsmenge abhängt.
Doch der griechische Mathematiker und Mechaniker verließ sich nicht allein auf seine spontanen Geistesblitze. Systematisches Denken und methodische Vorgehensweise waren ihm durchaus vertraut, wie seine Schrift "Über schwimmende Körper" zeigt. Auch der praktischen Verwendbarkeit seiner Einsichten schenkte er mehr Aufmerksamkeit als die Legende von der "Kopflastigkeit" der griechischen Wissenschaft uns weismachen will.
Lucio Russo, Professor für Mathematik an der Universität Rom, ist den verwehten Spuren von Archimedes & Co in einer wissenschaftsgeschichtlichen Studie nachgegangen, die die Denker der Antike sozusagen vom Kopf auf die Füße stellt:
"Von 'antiken Wissenschaften' zu sprechen, die mehr als ein Jahrtausend, von Thales bis Simplikios umfassen, und von so unterschiedlichen Persönlichkeiten vertreten werden, wie Parmenides, Archimedes, Cato, Plutarch und Seneca, ist ebenso unsinnig, als spräche man von den 'Wissenschaften des zweiten Jahrtausends', entwickelt von Thomas von Aquin, Nostradamus, Galileo, Lavoisier, Freud und Dr. Mengele."
"Die vergessene Revolution" nennt Lucio Russo die methodische Neuorientierung, die er insbesondere im "hellenistischen Zeitalter" ausgemacht hat. In dieser an die Eroberungen Alexanders des Großen anschließenden Geschichtsperiode gewann das bis dahin auf ein paar kleine Stadtstaaten beschränkte Griechentum erstmals überregionale Bedeutung. Die damit verbundene ökonomische Expansion verlangte nach Erkenntnissen, die sich auch praktisch verwerten ließen. Die "reine" Wissenschaft verlor gegenüber der "angewandten" zunehmend an Boden.
Schon damals wurden laut Russo die meisten jener technischen Errungenschaften angedacht, die üblicherweise Forschern wie Leonardo da Vinci oder Galileo Galilei gutgeschrieben werden: Die Erneuerer der Renaissance waren also bei weitem nicht so originell wie sie uns heute erscheinen. Vielmehr haben sie den Wissensschatz der Antike nach Herzenslust geplündert, als er im 14. Jahrhundert in Gestalt von arabischen Abschriften aus Konstantinopel nach Europa zurückgelangte:
"Wie aufgeweckte Kinder, deren lebhafte Neugier durch den ersten Besuch in einer Bibliothek geweckt wurde, entdeckten die Gelehrten der Renaissance viele fesselnde Themen in den Manuskripten, besonders wenn diese auch Abbildungen enthielten: Anatomische Sektionen, die Perspektive, Zahnräder, pneumatische Apparaturen, Bronzefiguren, Kriegsmaschinen, hydraulische Geräte, Automaten und Musikinstrumente."
Lucio Russo wird in seiner historischen Schürfarbeit nicht müde, die griechischen Pioniertaten zu würdigen. Selbst der Begründer des heliozentrischen Weltbilds, Nikolaus Kopernikus, konnte sich demnach bereits auf antike Vordenker berufen. Aristarchos hieß der griechische Astronom, der bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. plausible Gründe dafür fand, dass der "Sonnenaufgang" in Wirklichkeit ein "Erdaufgang" ist, dass also nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde um die Sonne kreist.
Darüber hinaus hat der geniale Himmelsbeobachter mit erstaunlicher Genauigkeit die Entfernungen der Sonne und des Mondes von der Erde bestimmt, indem er die für irdische Dimensionen ausgedachten Gesetze der Mathematik auf das Sonnensystem anwandte. Er ging also bereits von einer Eigenschaft des Universums aus, die den Physikern noch heute Kopfzerbrechen bereitet: seiner Berechenbarkeit.
Zwar sind sie bei der Suche nach einer umfassenden "Weltformel" bisher nicht fündig geworden, aber sie befinden sich immer noch auf dem bereits in der griechischen Antike eingeschlagenen Weg. Lucio Russo fasst im Vorwort seines lesenswerten Buches zusammen, was wir den von der Geschichtsschreibung lange Zeit sträflich unterschätzten "Erfindern der Wissenschaft" verdanken:
"Das so genannte hellenistische Zeitalter brachte erstmals Wissenschaften nach unserem Verständnis: Keine Ansammlung von Fakten oder philosophischen Spekulationen, sondern den organisierten Versuch, die Natur darzustellen und diese Darstellung zur Lösung praktischer Probleme und zu einem besseren Verständnis der Natur heranzuziehen."
Lucio Russo: Die vergessene Revolution oder Die Wiedergeburt des antiken Wissens
Übersetzt von Bärbel Deninger
Springer Verlag, Heidelberg 2005
550 Seiten, 29,95 Euro
Doch der griechische Mathematiker und Mechaniker verließ sich nicht allein auf seine spontanen Geistesblitze. Systematisches Denken und methodische Vorgehensweise waren ihm durchaus vertraut, wie seine Schrift "Über schwimmende Körper" zeigt. Auch der praktischen Verwendbarkeit seiner Einsichten schenkte er mehr Aufmerksamkeit als die Legende von der "Kopflastigkeit" der griechischen Wissenschaft uns weismachen will.
Lucio Russo, Professor für Mathematik an der Universität Rom, ist den verwehten Spuren von Archimedes & Co in einer wissenschaftsgeschichtlichen Studie nachgegangen, die die Denker der Antike sozusagen vom Kopf auf die Füße stellt:
"Von 'antiken Wissenschaften' zu sprechen, die mehr als ein Jahrtausend, von Thales bis Simplikios umfassen, und von so unterschiedlichen Persönlichkeiten vertreten werden, wie Parmenides, Archimedes, Cato, Plutarch und Seneca, ist ebenso unsinnig, als spräche man von den 'Wissenschaften des zweiten Jahrtausends', entwickelt von Thomas von Aquin, Nostradamus, Galileo, Lavoisier, Freud und Dr. Mengele."
"Die vergessene Revolution" nennt Lucio Russo die methodische Neuorientierung, die er insbesondere im "hellenistischen Zeitalter" ausgemacht hat. In dieser an die Eroberungen Alexanders des Großen anschließenden Geschichtsperiode gewann das bis dahin auf ein paar kleine Stadtstaaten beschränkte Griechentum erstmals überregionale Bedeutung. Die damit verbundene ökonomische Expansion verlangte nach Erkenntnissen, die sich auch praktisch verwerten ließen. Die "reine" Wissenschaft verlor gegenüber der "angewandten" zunehmend an Boden.
Schon damals wurden laut Russo die meisten jener technischen Errungenschaften angedacht, die üblicherweise Forschern wie Leonardo da Vinci oder Galileo Galilei gutgeschrieben werden: Die Erneuerer der Renaissance waren also bei weitem nicht so originell wie sie uns heute erscheinen. Vielmehr haben sie den Wissensschatz der Antike nach Herzenslust geplündert, als er im 14. Jahrhundert in Gestalt von arabischen Abschriften aus Konstantinopel nach Europa zurückgelangte:
"Wie aufgeweckte Kinder, deren lebhafte Neugier durch den ersten Besuch in einer Bibliothek geweckt wurde, entdeckten die Gelehrten der Renaissance viele fesselnde Themen in den Manuskripten, besonders wenn diese auch Abbildungen enthielten: Anatomische Sektionen, die Perspektive, Zahnräder, pneumatische Apparaturen, Bronzefiguren, Kriegsmaschinen, hydraulische Geräte, Automaten und Musikinstrumente."
Lucio Russo wird in seiner historischen Schürfarbeit nicht müde, die griechischen Pioniertaten zu würdigen. Selbst der Begründer des heliozentrischen Weltbilds, Nikolaus Kopernikus, konnte sich demnach bereits auf antike Vordenker berufen. Aristarchos hieß der griechische Astronom, der bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. plausible Gründe dafür fand, dass der "Sonnenaufgang" in Wirklichkeit ein "Erdaufgang" ist, dass also nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde um die Sonne kreist.
Darüber hinaus hat der geniale Himmelsbeobachter mit erstaunlicher Genauigkeit die Entfernungen der Sonne und des Mondes von der Erde bestimmt, indem er die für irdische Dimensionen ausgedachten Gesetze der Mathematik auf das Sonnensystem anwandte. Er ging also bereits von einer Eigenschaft des Universums aus, die den Physikern noch heute Kopfzerbrechen bereitet: seiner Berechenbarkeit.
Zwar sind sie bei der Suche nach einer umfassenden "Weltformel" bisher nicht fündig geworden, aber sie befinden sich immer noch auf dem bereits in der griechischen Antike eingeschlagenen Weg. Lucio Russo fasst im Vorwort seines lesenswerten Buches zusammen, was wir den von der Geschichtsschreibung lange Zeit sträflich unterschätzten "Erfindern der Wissenschaft" verdanken:
"Das so genannte hellenistische Zeitalter brachte erstmals Wissenschaften nach unserem Verständnis: Keine Ansammlung von Fakten oder philosophischen Spekulationen, sondern den organisierten Versuch, die Natur darzustellen und diese Darstellung zur Lösung praktischer Probleme und zu einem besseren Verständnis der Natur heranzuziehen."
Lucio Russo: Die vergessene Revolution oder Die Wiedergeburt des antiken Wissens
Übersetzt von Bärbel Deninger
Springer Verlag, Heidelberg 2005
550 Seiten, 29,95 Euro