Archetypen der Kunst
Die amerikanische Künstlerin Jo Baer gilt als Wegbereiterin des Minimalismus. Das Museum Ludwig widmet ihr als erste deutsche Institution eine Einzelausstellung. Die mit 170 Arbeiten bis dato umfangreichste Werkschau schlägt den Bogen zum aktuellen, figurativen Werk von Jo Baer.
Längst ist sie ein moderner Klassiker. Als die männlichen Minimalisten in den 60er-Jahren nur noch objekthafte Kunst gelten ließen, die Malerei als illusionistisch verteufelten, machte sie zahlreiche kleine Gemälde, oft nur 12 Zentimeter im Quadrat groß. Es waren stark reduzierte Gemälde; an Größe und an Formen. Ganz schmale farbige Streifen, hauchdünne parallele Linien neben einem schwarzen Band begrenzen das weiße Zentrum des Bildes: Eingefasste Leere, scheinbar emotionslos, menschenleer.
Jo Baer: "”Es sind Gemälde, kleine Gemälde auf Papier, nicht wirklich Zeichnungen. Ich hatte sie weggelegt, um mich daran zu erinnern, sie nicht in große Gemälde zu verwandeln, das funktioniert nicht.""
Julia Friedrich, Kuratorin der Schau im Kölner Museum Ludwig, hat diese bislang umfangreichste Schaus Jo Baers zusammengestellt:
"Das, was diese Bilder machen, ist, dass sie Licht erzeugen. Das Zentrum ist leer. Und was reflektiert, ist das Licht und zwar von der weißen Leinwand. Und dann wird das Auge vom Zentrum zu den Rändern gelegt und man sieht plötzlich, dass es nicht nur schwarz, da ist eine Farbe und die beginnt zu leben und zu leuchten, einfach dadurch, dass sie auf der einen Seite von schwarz und auf der anderen Seite von einem großen weißen Feld flankiert wird. Da passiert ganz viel in diesem Bild. Es ist nicht leer."
In der Schule war Jo Baer schon gut in naturwissenschaftlichen Fächern, erzählt sie. Studiert hat sie Malerei, Biologie und Gestaltpsychologie. Sie legt Wert darauf zu betonen, dass ihre Kunst weder Wissenschaft noch Politik ist:
"”I believe in art not propaganda.”"
Natürlich handelt ihre Kunst wesentlich von der Wahrnehmung, dem Sehen, der Ordnung der Dinge und der Welt.
Jo Baer: "Die Bilder bieten dir was, was man nicht Gefühl nennen kann. Es ist eine Art tiefere Hirnstruktur. Neurologen sagen dir, was bei romantischer und expressionistischer Kunst passiert. Das treibt dich durch die Bibliothek deiner privaten Gefühle. Das wissen sie. Aber es gibt noch was, das tiefer ist, struktureller, das ist die Suche nach Symmetrie. Wenn man das erfasst, ist es die stärkere Kunst, wenn nicht ein Unglück."
Wären ihre Sachen, ihre Bilder nicht lebendig, würde sie sie wegwerfen, sagt sie. Die Kölner Ausstellung schlägt einen materialreichen Bogen von den frühen Papierarbeiten, Gouachen, Siebdrucken zu den Gemälden. Immer sind es Archetypen der Kunst. Linien, Quadrate, Rechtecke. Aber auch Amphoren oder Zeichen aus der Frühgeschichte der Kulturen in Erdfarben. In den Gemälden ab Mitte der 70er-Jahre finden sich schematische Geschlechtsteile auf sandfarbenem Grund. Als Minimalistin war sie in den 60-ern an Ordnungen interessiert. Sie wollte malen, was sie zuvor nie gesehen hatte:
"”Wenn du Menschen hat, die gut organisiert sind, müssen sie das wegwerfen, um Kunst zu machen. Aber Leute, die chaotisch sind, so wie du und ich, bewundern das, wenn jemand einen Plan hat, weiß wo's lang geht. Ich suche einfach nach Strukturen.""
In jener Zeit las sie viel von Samuel Beckett, erzählte sie mir. Es ging ihr um das Thema der Durchdringung, der Zusammenschlüsse, der Grenzwahrnehmung und des Austauschs. Wo fängt etwas an, wo hört es auf? Das gibt es im Leben und der Kunst. Darum sind ihre Bilder auch rahmenlos. Die Linien begrenzen und ent-grenzen das Bild. Es sei eben nicht alles so klar getrennt, es gebe viel dazwischen:
"Not this and that, you don´t have Yes and No. You always have Yes and No and something in the middle.”"
Jo Baers scheinbar kopflastige Malerei handelt deshalb auch von den ungeraden Lebenswegen und der Suche nach Ordnung, den vielen Zwischenstufen. Ausstellungsmacherin Julia Friedrich zeigt erstmals zusammenhängend den Weg Jo Baers vom Konkreten über die Abstraktion zum Figürlichen und betont diese weibliche Position in der Kunst, ihre Sonderrolle als Frau damals wie heute. Die Minimalisten vertrieben das Subjekt, Jo Baer verteidigte es.
Julia Friedrich: ""Das unterscheidet sie auch von vielen anderen Minimalisten zu dieser Zeit, dass sie Hand angelegt hat. Diese Kunst hat eine Wärme. Und wenn das rüber kommt, hier in dieser Ausstellung, eben in der Gegenüberstellung mit den neuen Bildern, die extrem warm sind, weil sie auch mit einer anderen Palette gemalt sind und sehr viel weicher sind als die Bilder aus den 60er-Jahren, wenn dieser Bezug rüber kommt, dann ist schon sehr viel gewonnen mit dieser Ausstellung."
Eine bedeutende Malerin ist in der Breite ihres Schaffens wiederzuentdecken. Die Frage, ob sie geduldig sei, verneint die 83-jährige Künstlerin schmunzelnd; sorgsam sei sie: "”No, but I´m careful.”"
Informationen des Museums Ludwig über díe Ausstellung Jo Baer
Jo Baer: "”Es sind Gemälde, kleine Gemälde auf Papier, nicht wirklich Zeichnungen. Ich hatte sie weggelegt, um mich daran zu erinnern, sie nicht in große Gemälde zu verwandeln, das funktioniert nicht.""
Julia Friedrich, Kuratorin der Schau im Kölner Museum Ludwig, hat diese bislang umfangreichste Schaus Jo Baers zusammengestellt:
"Das, was diese Bilder machen, ist, dass sie Licht erzeugen. Das Zentrum ist leer. Und was reflektiert, ist das Licht und zwar von der weißen Leinwand. Und dann wird das Auge vom Zentrum zu den Rändern gelegt und man sieht plötzlich, dass es nicht nur schwarz, da ist eine Farbe und die beginnt zu leben und zu leuchten, einfach dadurch, dass sie auf der einen Seite von schwarz und auf der anderen Seite von einem großen weißen Feld flankiert wird. Da passiert ganz viel in diesem Bild. Es ist nicht leer."
In der Schule war Jo Baer schon gut in naturwissenschaftlichen Fächern, erzählt sie. Studiert hat sie Malerei, Biologie und Gestaltpsychologie. Sie legt Wert darauf zu betonen, dass ihre Kunst weder Wissenschaft noch Politik ist:
"”I believe in art not propaganda.”"
Natürlich handelt ihre Kunst wesentlich von der Wahrnehmung, dem Sehen, der Ordnung der Dinge und der Welt.
Jo Baer: "Die Bilder bieten dir was, was man nicht Gefühl nennen kann. Es ist eine Art tiefere Hirnstruktur. Neurologen sagen dir, was bei romantischer und expressionistischer Kunst passiert. Das treibt dich durch die Bibliothek deiner privaten Gefühle. Das wissen sie. Aber es gibt noch was, das tiefer ist, struktureller, das ist die Suche nach Symmetrie. Wenn man das erfasst, ist es die stärkere Kunst, wenn nicht ein Unglück."
Wären ihre Sachen, ihre Bilder nicht lebendig, würde sie sie wegwerfen, sagt sie. Die Kölner Ausstellung schlägt einen materialreichen Bogen von den frühen Papierarbeiten, Gouachen, Siebdrucken zu den Gemälden. Immer sind es Archetypen der Kunst. Linien, Quadrate, Rechtecke. Aber auch Amphoren oder Zeichen aus der Frühgeschichte der Kulturen in Erdfarben. In den Gemälden ab Mitte der 70er-Jahre finden sich schematische Geschlechtsteile auf sandfarbenem Grund. Als Minimalistin war sie in den 60-ern an Ordnungen interessiert. Sie wollte malen, was sie zuvor nie gesehen hatte:
"”Wenn du Menschen hat, die gut organisiert sind, müssen sie das wegwerfen, um Kunst zu machen. Aber Leute, die chaotisch sind, so wie du und ich, bewundern das, wenn jemand einen Plan hat, weiß wo's lang geht. Ich suche einfach nach Strukturen.""
In jener Zeit las sie viel von Samuel Beckett, erzählte sie mir. Es ging ihr um das Thema der Durchdringung, der Zusammenschlüsse, der Grenzwahrnehmung und des Austauschs. Wo fängt etwas an, wo hört es auf? Das gibt es im Leben und der Kunst. Darum sind ihre Bilder auch rahmenlos. Die Linien begrenzen und ent-grenzen das Bild. Es sei eben nicht alles so klar getrennt, es gebe viel dazwischen:
"Not this and that, you don´t have Yes and No. You always have Yes and No and something in the middle.”"
Jo Baers scheinbar kopflastige Malerei handelt deshalb auch von den ungeraden Lebenswegen und der Suche nach Ordnung, den vielen Zwischenstufen. Ausstellungsmacherin Julia Friedrich zeigt erstmals zusammenhängend den Weg Jo Baers vom Konkreten über die Abstraktion zum Figürlichen und betont diese weibliche Position in der Kunst, ihre Sonderrolle als Frau damals wie heute. Die Minimalisten vertrieben das Subjekt, Jo Baer verteidigte es.
Julia Friedrich: ""Das unterscheidet sie auch von vielen anderen Minimalisten zu dieser Zeit, dass sie Hand angelegt hat. Diese Kunst hat eine Wärme. Und wenn das rüber kommt, hier in dieser Ausstellung, eben in der Gegenüberstellung mit den neuen Bildern, die extrem warm sind, weil sie auch mit einer anderen Palette gemalt sind und sehr viel weicher sind als die Bilder aus den 60er-Jahren, wenn dieser Bezug rüber kommt, dann ist schon sehr viel gewonnen mit dieser Ausstellung."
Eine bedeutende Malerin ist in der Breite ihres Schaffens wiederzuentdecken. Die Frage, ob sie geduldig sei, verneint die 83-jährige Künstlerin schmunzelnd; sorgsam sei sie: "”No, but I´m careful.”"
Informationen des Museums Ludwig über díe Ausstellung Jo Baer