Arbeitspsychologe Bertolt Meyer

"Kann ich einer schwarzen Frau zumuten, nach Sachsen zu ziehen?"

08:52 Minuten
Gebäudekomplex der Technischen Universität Chemnitz gegenüber dem Schillerpark der Stadt in Westsachsen
Der Rassismus und die starke AfD in Sachsen besorgen Bertolt Meyer, der an der TU Chemnitz Psychologie lehrt. © dpa-Zentralbild / Wolfgang Thieme
Moderation: Korbinian Frenzel · 24.01.2020
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Völkisch-autoritäres Denken breche sich Bahn in Deutschland, sagt der Psychologie-Professor Bertolt Meyer. Das habe inzwischen auch Einfluss auf seine Arbeit an der Hochschule.
75 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur deutschen Schuld am Holocaust bekannt und versichert, dass Deutschland das jüdische Leben schützen werde. Beim Holocaust Forum in Jerusalem betonte er, die deutsche Verantwortung vergehe nicht. Es dürfe keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben. Steinmeier sprach bewusst auf Englisch und Hebräisch.
Doch Hass breitet sich wieder aus, wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 gezeigt hat. Am 2. Juni vergangenen Jahres ist der CDU-Politiker Walter Lübcke ermordet worden - mutmaßlich von einem Rechtsextremen. "Es ist eine Katastrophe", kommentiert unser Studiogast Bertolt Meyer, der an der TU Chemnitz Psychologie lehrt. Das autoritäre, völkische Denken habe sich wieder Bahn gebrochen, "angeheizt durch die Mechanismen der sozialen Medien", so Meyer.

"Rassismus ist der Markenkern der AfD"

Das hat Folgen: Er selbst habe gerade eine Doktorandenstelle in einem Forschungsprojekt ausgeschrieben und die Bewerbung einer Namibierin auf dem Tisch. Er stelle sich dabei die Frage: "Könnte ich ihr das zumuten, als schwarze Frau nach Sachsen - speziell nach Chemnitz - zu ziehen?"
In Sachsen sei die AfD besonders stark und der Markenkern dieser Partei sei seiner festen Überzeugung nach Rassismus. Daher die Zweifel an seiner Hochschulstadt: "Dass ich das allein denken muss oder gedacht habe, in Deutschland 2020, das kann doch nicht wahr sein!"

Rassisten müssen die Grenzen spüren

Der Mord an Walter Lübcke sei das "krasseste Symptom für eine Entwicklung, die so nicht sein dürfte", sagt Meyer. Es sei "total wichtig, dass Menschen die Erfahrung machen, dass sie mit bestimmten Dinge an Grenzen stoßen", sagt Meyer.
"Ich kann andere Menschen von ihrer menschenverachtenden rassistischen Ideologie vielleicht nicht abbringen. Aber ich kann ihnen die Erfahrung mitgeben, dass sie mit dieser Ideologie an Grenzen stoßen."
(huc)
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