Arbeitsmarkt und Klischees

Der Kampf um die jungen Talente

04:24 Minuten
Ein junge Frau sitzt zwei Frauen in einer Gesprächssituation gegenüber.
Wie gewinnen wir die wenigen Jungen? Diese Herausforderung macht Firmen nervös, meint Hans Rusinek. © Unsplash / Tim Gouw
Ein Einwurf von Hans Rusinek · 05.08.2021
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Von IT bis Handwerk: Junge Arbeitskräfte fehlen heute in vielen Bereichen. Um attraktiver für Neuzugänge zu werden, gehen Unternehmen auch Beraterunsinn auf den Leim und spalten so ihre Belegschaft, beobachtet der Arbeitsforscher Hans Rusinek.
"Ich habe keine Hoffnung für die Zukunft, wenn sie von der neuen Generation abhängig sein sollte. Die ist unerträglich, rücksichtslos und altklug", so sprach nicht etwa ein Manager letzte Woche, sondern der griechische Ackerbauer Hesiod vor 2800 Jahren.
Dass man mit der jungen Generation nicht arbeiten könne, ist ein ewiges Vorurteil. Heute führt der demografische Wandel dazu, dass dieses Vorurteil immer mehr Macht bekommt.

Schubladendenken über zukünftige Arbeitnehmer

Weil nämlich in den nächsten 30 Jahren der Anteil der arbeitenden Bevölkerung massiv sinken wird - in der EU um sieben Prozent, in China sogar um elf – und Migration bei uns nach wie vor hochrestriktiv ist, werden Unternehmen nervös: Wie gewinnen wir die wenigen Jungen?
Ihre Unsicherheit wird mit Generationsklischees bedient: Agenturen, Zukunftsforscher und andere eifrige Welterklärer überschlagen sich mit absurdem Schubladendenken über die Bedürfnisse der neuen Arbeitnehmer – statt von "Generationen" spricht man freilich von "Gens".
Die in den 80ern und 90ern geborene Gen Y, heißt es, seien arbeitsscheue Jobwechsler, man müsse sie hofieren. Die in den 00ern geborene Gen Z liebe TikTok, sei sehr empfindlich, man müsse sanft mit ihr umgehen.
Und schon will man wissen, wie die Gen Alpha, die Kinder der Gen Y, arbeiten will: Mit exzellenter Software und weitsichtigen Unternehmensstrategien. Wohlgemerkt reden wir hier von heute unter Zehnjährigen!

Veränderungsbereitschaft keine Frage des Alters

Es ist verblüffend, dass so holzschnittartig über alle möglichen Arbeitnehmer in allen möglichen Jobs geredet wird, die nichts außer dem Geburtsjahrzehnt gemeinsam haben. Leben wir nicht in einer Arbeitswelt, die für mehr Diversity und Toleranz kämpfen will und gegen Vorurteile und Stereotype?
Das Gerede von radikal anderen Arbeitsgenerationen, auf die sich Firmen anpassen müssen, ist nicht nur töricht, sondern auch gefährlich: Altersgruppen werden gegeneinander aufgebracht.
"Neuerdings scheint die Erfahrung, die ich einbringen kann, um das Neue mitzugestalten, nicht mehr zu interessieren", erzählt mir eine ältere Konzernmanagerin. Die großen Herausforderungen im 21. Jahrhundert lassen sich aber nur gemeinsam bewältigen, nicht gegeneinander. Mit frischen Ideen und wertvollen Erfahrungen.
Veränderungsbereitschaft ist keine Frage des Alters, sondern der Haltung. Wird den Alten aber suggeriert, dass sie irrelevant sind, dann erreicht eine Firma nur eines: Sie entmutigt einen Großteil der Belegschaft und schafft große Beharrungskräfte.

Schluss mit dem Generationenkonflikt im Job

Vor allem aber ist die Auffassung, dass junge Generationen ganz andere Arbeitsweisen bräuchten, empirisch falsch, wie die Arbeitspsychologen Melissa Wong und David Constanza nachweisen.
Wenn wir glauben, dass sie ganz anders gemanagt werden wollen, was Bezahlung angeht, Karriere oder Teamwork, dann ist das, was wir für stabile Generationsunterschiede halten, meist nur ein kurzlebiger Alterseffekt: Geht es einer jungen Kollegin etwa weniger um Geld und mehr darum, Dienstwagen durch Fahrräder zu ersetzen, müsste die Firma alarmiert sein, wenn dies durchgehend in der ganzen Generation der Fall wäre.
Logischer ist aber ein Alterseffekt: Die Kollegin wird älter, sie muss ein Haus abbezahlen, Karriere wird wichtiger. Bei der verkorksten Wohnpolitik wird das Haus weit draußen sein, das Auto wird interessant. Sie wird, genau wie wir alle, ziemlich wie unsere Alten!
Statt große Generationskonflikte auf der Arbeit zu finden, haben die Arbeitspsychologen aber etwas anderes Wertvolles entdeckt: Sie sahen, wie viel die verschiedenen Generationen doch gemeinsam haben. Wir alle wollen unsere Fähigkeiten entfalten, alle Anerkennung dafür bekommen, alle einen sinnvollen Beitrag für die Welt leisten. Und dafür müssen manche Vorurteile nach fast 3000 Jahren auch mal in die Mottenkiste.

Hans Rusinek beschäftigt sich mit Transformation der Wirtschaft und Zukunft der Arbeit als Forscher, Berater und Autor. Er promoviert in St. Gallen am Institut für Wirtschaftsethik zu Sinn und Arbeit. Als Berater hilft er Organisationen, ihren größeren Sinn, ihren Purpose, zu finden und zu leben. Als Autor ist er einer der Chefredakteure des Printmagazins "Transform" sowie Träger des Förderpreises für Wirtschaftspublizistik der Ludwig-Erhard-Stiftung.

© Ulrike Schacht
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