Arbeitsmarkt

Erste Erfolge mit der Blue Card

Ein junger Mann vor einem Computer
Mehr Online-Angebote für Migranten © dpa / Robert B. Fishman
Von Stefan Maas · 01.08.2014
Die so genannte Blue Card soll dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken. Experten bewerten sie als guten Ansatz. Doch sie mahnen, es brauche weit mehr als die 17.000 hochqualifizierten Zuwanderer, die die blaue Karte seit ihrer Einführung vor zwei Jahren nach Deutschland geholt hat.
Berlin Kreuzberg. Ein altes Fabrikgebäude. Mittlerweile haben sich hier Architekten, Werbeunternehmen und Softwareentwickler eingerichtet. Seit zwei Wochen ist auch Ilja dabei. Der 24-Jährige ist für den Job nach Deutschland gekommen. Mit seiner Familie.
"Das haben wir zusammen entschieden. Das war nicht schwer."
Denn die Chance, eine gut bezahlte Arbeit zu finden, ist in Deutschland höher, sagt Ilja. Der junge Russe ist damit einer von etwa 17.000 Arbeitnehmern, die in den vergangenen zwei Jahren eine so genannte Blue Card beantragt haben. Mit diesem Instrument will die Bundesregierung mehr Hochqualifizierte nach Deutschland holen, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
"Also, der Ansatz ist richtig."
Auch wenn es noch Verbesserungspotenzial gebe, sagt Stefan Hardege, Referatsleiter Arbeitsmarkt und Zuwanderung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
"Wir haben das in der Vergangenheit gesehen, da waren die Regeln der Zuwanderung auf Anwerbestopp angelegt. Und jetzt hat man mittlerweile den Schwenk geschafft und geht mehr in Richtung arbeitsmarktorientierte Zuwanderung. Und hat es an der Stelle tatsächlich erleichtert. Man hat die Gehaltsgrenzen abgesenkt. Und hat die Vorrangprüfung abgeschafft. Also man muss jetzt nicht mehr gucken, gibt es einen Deutschen oder EU-Bürger, der vielleicht die Stelle eines Hochqualifizierten ausfüllen kann."
Fachkräfte haben eher den englischsprachigen Raum im Blick
Ilja ist im März ist mit einem Visum zur Arbeitssuche nach Deutschland gekommen. Als er einen Job gefunden hatte, hat er die Blue Card beantragt.
"Das war nicht schwierig, aber das braucht sehr lange Zeit, um meine Dokumente zu prüfen. Sieben Wochen, um meine Arbeitserlaubnis zu bekommen."
Diese Arbeitserlaubnis brauchen alle, die aus Drittländern, also nicht EU-Staaten, nach Deutschland kommen. Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss und ein Gehalt von mindestens 47.600 Euro im Jahr. Bei so genannten Mangelberufen, etwa bei Mathematikern, Ingenieuren oder aus dem Gesundheitsbereich, reichen schon etwas mehr als 37.000 Euro.
Ein guter Ansatz - beurteilt auch Ulf Rinne die Blue Card. Er ist Vize-Forschungsdirektor beim Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Dann folgt das Aber:
"Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann muss man zu einem anderen Ergebnis kommen. Dann muss man sagen, es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein."
Deutschland brauche angesichts seiner demografischen Entwicklung jährlich rund ein halbe Million Zuwanderer, sagt Rinne. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag spricht von 1,5 Millionen zusätzlichen Fachkräften aus dem Ausland bis 2025. Zwar sorge die schlechte wirtschaftliche Lage in Süd- und Osteuropa noch immer dafür, dass viele europäische Fachkräfte nach Deutschland kämen.
"Aber dies wird sich mittelfristig oder hoffentlich mittelfristig ändern."
Wenn die Wirtschaft in diesen Ländern wieder anziehe. Deshalb müssten deutsche Unternehmen eben die ganze Welt im Blick haben. Und da seien rund 17.000 blaue Karten in zwei Jahren keine gute Ausbeute.
"Es fehlt so eine Art Befreiungsschlag in der Vermarktung,"
findet Ulf Rinne. International müsse mehr für die Möglichkeiten geworben werden, die die Blue Card biete. Denn bislang richteten viele Fachkräfte ihren Blick eher auf den englischsprachigen Raum.
Deutschland Spitzenreiter bei Blue-Card-Vergabe
Luft nach oben? Da stimmt auch Christine Langenfeld zu. Allerdings sieht die Vorsitzende des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration die Blue Card schon heute als Erfolgsgeschichte. Zu Beginn hätte die Bundesregierung mit rund 3500 blauen Karten pro Jahr gerechnet, da seien mehr als 17.000 in zwei Jahren ein guter Anfang.
„Davon sind etwas über zwei Drittel wirklich Personen, an die die Blue Card vergeben wurde, damit sie erstmalig dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Fast alle dieser Personen haben sich auch im März 2014 noch im Land befunden, das war also kein kurzfristiger Aufenthalt."
Vor allem aber im europäischen Vergleich sei Deutschland einsamer Spitzenreiter bei der Vergabe von Blue Cards.
"Deutschland hat dieses Instrument sehr offensiv umgesetzt und integriert in seine Arbeitspolitik. Die Blue Card war ein Katalysator dafür, das deutsche Recht vollständig umzustellen. Einen Paradigmenwechsel herbeizuführen in Richtung Öffnung des Arbeitsmarktes."
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