Arbeitslosigkeit

Ohne Job kein Sport?

Fitnessstudios "Hard Candy Fitness" in Berlin, Oktober 2013
Wer zahlt Gesundheitsangebote für Arbeitslose? © picture alliance / ZB / Britta Pedersen
Von Ole Schulz · 12.10.2014
Können Marathontraining oder Sportkurse das Selbstbewusstsein von Langzeitarbeitslosen stärken und damit ihre Jobchancen erhöhen? Ja, glauben Forscher und die Bundesagentur für Arbeit. Nur: Keiner will solche Gesundheitsangebote bezahlen.
An der stillgelegten Kohle-Förderbrücke "F 60" in der Niederlausitz. Die Brücke ist ein stählernes Ungetüm: Über 500 Meter lang schraubt sich die "F 60" schräg in die Luft. Der "Liegende Eiffelturm der Lausitz" wird sie darum auch genannt.
Vor dieser atemberaubenden Kulisse findet ein ganz besonderer Wettkampf statt: der "3. Aktivtag 50plus". Drei Teams treten in Disziplinen wie Zielwurf mit Kohle-Briketts, Bogenschießen, Gruppenlauf auf angeschnallten Skiern und LKW-Reifen-Rollen gegeneinander an. Als Höhepunkt gibt es ein Wettrennen oben auf der Förderbrücke.
Das Besondere daran: Die Teilnehmer sind 50 Jahre oder älter – und arbeitslos. So wie Detlef Klausch. Der korpulente 59-Jährige gehört zur Veranstalter-Mannschaft des Jobcenters Elbe-Elster:
"Leidenschaftlich bin ich Sportler. Also, ich war Mal richtiger Bogenschießer und eigentlich auch ein guter Leichtathlet, und die Verbundenheit is´, und die wird hier weiter gepflegt, und da denk´ ich mal schon, sind wir am richtigen Ort an der 'F 60'. Sie sehen ja die Eingeladenen: Wittenberg, Dessau-Anhalt – alle kommen gerne zu uns, weil auch was geboten wird. Und diejenigen, die uns betreuen bei 50plus, das ist einfach ein gutes Team."
Der "Aktivtag 50plus" gehört zum Bundesprogramm "Perspektive 50plus". 2005 wurde es vom Bundesarbeitsministerium aufgelegt, um die beruflichen Chancen älterer Arbeitsloser zu verbessern. Dafür werden die Teilnehmer individuell gefördert und qualifiziert. In Kooperation mit lokalen Partnern aus dem Gesundheitssektor stehen zudem auch sportliche Angebote im Mittelpunkt. So sollen die Betroffenen "aktiviert" und wieder "fit" für den ersten Arbeitsmarkt gemacht werden:
"Das Hauptprogramm ist eigentlich dieser Aktivtag – also diese Wettkämpfe der einzelnen Jobcenter untereinander. Und] dadurch, dass ich ja nun nicht der Schmächtigste bin, bin ich für bestimmte Disziplinen dann doch auserkoren, deshalb bin ich hier mit dabei, und das macht mir auch Spaß, und will damit mein Team stärken und bin gern unter Leuten. Man lernt Leute aus Wittenberg kennen und Dessau-Anhalt genauso."
Nach dem Mauerfall die Arbeit verloren
Die Teilnehmer kommen aus den drei Jobcentern der strukturschwachen Regionen Elbe-Elster, Wittenberg und Dessau-Roßlau. Viele haben nach dem Mauerfall ihre Arbeit verloren. So auch Thomas Pareigis. Der Wittenberger war vor der Wende als "Operator" im Rechenzentrum eines Gummiwerks tätig. Mit der modernen Computertechnik konnte das veraltete Rechenzentrum nicht mithalten – und Pareigis wurde entlassen. Durch Sport hielt sich der mittlerweile 50-Jährige fit:
"Also, wenn man arbeitslos ist, hat man zwangsläufig für Sachen Zeit, die normalerweise sehr zeitraubend sind. Und das sind zum Beispiel: Ganz in Ruhe Sport treiben, ganz in Ruhe seinen Körper in Form halten. Das sind alles so 'ne Sachen, die kannst Du nicht unbedingt machen, wenn Du jetzt acht Stunden arbeitest und abends müde bist, Dich hinlegst und eigentlich vielleicht noch Kinder im Schlepptau hast."
Erwerbslose wie Thomas Pareigis und Detlef Klausch sind allerdings eine Ausnahme. Studien zeigen stattdessen, dass Arbeitslosigkeit krank macht – vor allem, wenn sie länger andauert. Die Arbeitspsychologin Gisela Mohr von der Universität Leipzig:
"Wir haben inzwischen auch eine Vielzahl von Forschungsergebnissen, die das belegen. Wir haben einen guten Forschungsstand. Und es ist relativ deutlich abzusehen, dass Erwerbslosigkeit verursachend ist für psychische Erkrankungen und fördernd, das heißt, dass Personen durch Erwerbslosigkeit psychisch krank werden."
Und obwohl Arbeitslose mehr Zeit als Berufstätige haben, sind sie in der Regel in ihrer Freizeit nicht aktiver – und treiben auch nicht mehr Sport. Im Gegenteil:
Gisela Mohr: "Generell wissen wir aber aus der Forschung, dass erstaunlicherweise Erwerbslose, obwohl ja in der Regel mehr als acht Stunden – mit Wegezeiten und so – frei geworden sind, keineswegs unbedingt aktiver werden, als sie vorher gewesen sind. Das kann man psychologisch so erklären: Das ist ein Phänomen, dass man, wenn man freie Zeit hat, in der Regel nur das, was man vorher schon gemacht hat, weiter tut, oder intensiviert, aber relativ selten neue Tätigkeiten entwickelt. Das heißt möglicherweise kann man daraus ableiten, dass sie auch vorher schon nicht sehr aktiv gewesen sind."
Und es gibt weitere Hürden, als Arbeitsloser Sport zu treiben, vor allem in einem Verein:
"Es ist natürlich so, dass sportliche Aktivitäten mit finanziellen Ausgaben verbunden sind. Und das ist für Erwerbslose schwierig, insbesondere für die Langzeiterwerbslosen. Und sie ist mit einem sozialen Kontext verbunden, das heißt, man ist mit anderen Menschen zusammen, denen man über kurz oder lang offenbaren müsste, dass man erwerbslos ist. Das fällt vielen schwer. Und möglicherweise gibt es tatsächlich auch einen Rückzug von Aktivitäten von früher eher aktiven Erwerbslosen."
Frank Kegler, Geschäftsführer der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft "Sport für Berlin", kennt diesen Effekt:
"Ich ging früher immer davon aus, dass arbeitslose Menschen von sich aus einen Verein suchen. Ich habe die Erfahrung gemacht, und die wurde mir auch bestätigt, dass Menschen, die arbeitslos werden, sich auch aus diesem sozialen Gefüge Verein zurückziehen. Das ist natürlich dann eine Negativspirale. Das ist Scham, sehr viel Scham dabei. Man fühlt sich auch von einem Tag auf den anderen nicht mehr als gleichwertiges Mitglied – eben auch im Verein."
Sport ist auch für Arbeitslose gut
Für Hartz-IV beziehende Langzeitarbeitslose ist eine Vereinsmitgliedschaft außerdem selbst dann nur schwer bezahlbar, wenn ihnen eine Ermäßigung eingeräumt wird. Doch viele Arbeitslose bleiben zunehmend länger ohne Beschäftigung: Derzeit ist jeder dritte Erwerbslose mindestens zwölf Monate ohne Job. Der Arbeitsmarkt sei für diese Menschen "nur begrenzt aufnahmefähig", heißt es auch aus dem Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles, SPD.
Zurück beim Jobcenter-"Aktivtag" an der Förderbrücke "F 60". Moderiert wird die Veranstaltung von Spaßmacher "Adi". Seine Fernsehsendung "Mach mit, mach´s nach, mach´s besser" war in DDR ein Renner.
Es irgendwie "besser" machen, das wollen auch die Teilnehmer. Aber sie wissen: Es wird nicht leicht, in ihrem Alter wieder eine reguläre Beschäftigung zu finden. Detlef Klausch etwa hat als studierter Archivar schon mehrere Absagen bekommen. Er sei "überqualifiziert", so die Begründung.
Detlef Klausch: "Es wird immer schwieriger. Es werden eigentlich nur noch Perfektionisten gebraucht, die dann vermittelbar sind. Aber ich denke mal, mit meinen Berufen es wird schwierig sein, noch mal so richtig in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Ich hab´ jetzt mehrere Bewerbungen geschrieben, hatte zwei Vorstellungsgespräche im Landkreis. Das ist natürlich manchmal bisschen deprimierend, weil man denkt, man könnte doch als Älterer durch die Erfahrungen richtig mitmischen, aber ist gibt Bessere."
Thomas Pareigis hat dagegen sein Hobby zum Beruf gemacht – und versucht sich als Fitness-Trainer. Weil das zum Leben nicht reicht, bezieht er als "Aufstocker" ergänzende Hartz-IV-Leistungen. Noch. Denn Pareigis ist ein ehrgeiziger Einzelkämpfer und optimistisch. Seine Fitness-Kurse scheinen schon mal gut anzukommen:
Thomas Pareigis: "Genau dieses Erfolgsorientierte habe ich den Frauen oder den Männern – je nach dem, es ist eine hohe Frauenquote – auch angeboten, und die sind sehr positiv überrascht. Ich lotse euch da durch, sorge dafür, dass ihr euch wohl fühlt, und genauso ist es auch bis heute sehr gut angekommen."
Teuerer, wenn Erwerbslose dauerhaft erkranken
"Perspektive 50plus" gilt als erfolgreiches Programm der Jobcenter – rund jeder Dritte der über 50-Jährigen soll anschließend Arbeit finden. Doch das Programm läuft zum Jahresende erst einmal aus. Ob und wie es weiter geführt wird, steht noch nicht fest. Das ist in gewissem Sinne typisch: Sport für Arbeitslose sei gut, heißt es allenthalben. Nur bezahlen will solche Angebote keiner. Dabei ist längst erwiesen, dass es gesellschaftlich weniger kostet, in die Gesundheitsförderung zu investieren, als wenn Erwerbslose dauerhaft krank werden.
Arbeitspsychologin Gisela Mohr: "Wenn sie die langfristigen Kosten von chronischen psychischen Erkrankungen bedenken, auch bei den Langzeiterwerbslosen, dann sind die immens viel höher als wenn sie Präventionskurse anbieten, mit denen sie gesundheitsfördernde Effekte erreichen. Ich halte jede Maßnahme, die zur Aktivierung führt für Erwerbsloser, für sinnvoll. Erstens solange sie auf freiwilliger Basis beruht, das heißt eine Zwangsmaßnahme führt zu nichts. Natürlich muss man dann überlegen, wie man Leute dazu motiviert. Solche Aktivitäten haben erst mal eine positive körperliche Funktion, wie wir wissen. Und sie haben eben auch die Möglichkeit der sozialen Integration. Von daher halte ich jede Maßnahme, die in diese Richtung geht, für sinnvoll."
Wer länger arbeitslos ist, wird auch häufiger krank. Um die Gesundheit der Betroffenen zu fördern, haben die Bundesanstalt für Arbeit und die Gesetzlichen Krankenkassen darum bereits 2009 gemeinsam eine "Empfehlung zur Zusammenarbeit" zum Thema Arbeitslosigkeit und Gesundheit verabschiedet. Seither laufen auch verschiedene Pilotprojekte mit Erfolg. Aber es gibt noch kein bundesweites Konzept.
Gisela Mohr: "Bisher war das Problem, dass man diese Kurse zum Teil vorfinanzieren muss, was natürlich ein Erwerbsloser nicht kann. Und dann kriegt man es von der Kasse erstattet. Und das andere Problem ist natürlich, dass Erwerbslose, und wir sprechen ja bei den Langzeiterwerbslosen ja wirklich von Geringqualifizierten, von diesen Angeboten ja überhaupt erst erfahren müssen und dazu motiviert werden müssen. Und ein Stück weit brauchen sie, glaube ich, für so eine Personengruppe, auch aufsuchende Sozialarbeit, um so etwas in Gang zu setzen."
Ähnlich unbeständig wie die Angebote der Krankenkassen sind bisher oft auch die Programme der Jobcenter, bei denen entweder Sport zur "Aktivierung", wie es im Amtsdeutsch heißt, genutzt wird oder Arbeit und Fortbildungen im Sportbereich angeboten werden.
Gisela Mohr: "Es gibt viele Maßnahmen, und es gibt sie sehr verstreut und sie sind nicht institutionalisiert. Sie laufen immer wieder neu an, sie müssen immer wieder neu beantragt und wieder neu bewilligt werden, und das liegt natürlich im Argen."
Oft haben die Beschäftigungsprogramme der Jobcenter nur eine kurze Laufzeit und sind bürokratisch aufwendig. Frank Kegler von der gemeinnützigen "Sport für Berlin"-GmbH hält darum längere Projekte für sinnvoll:
"Unsere Wünsche hier aufgrund unserer Erfahrung wären: Vereinfachung der Beantragungen der Abläufe solcher Maßnahmen. Längere Tätigkeitszeiten in den Vereinen, um dort auch wirklich eine Verbindung herstellen zu lassen. Wir haben ja manchmal aufgrund bestimmter Dinge, die dort in den Jobcentern als Vorlauf sind, haben wir nur dreimonatige Einsatzzeiten. Das ist mit Sicherheit immer wieder ein Handicap. Da können wir keine Beziehung aufbauen und da können die Teilnehmer auch keine Beziehung vor Ort aufbauen. So, und diese Kurzmaßnahmen machen für alle Beteiligten sehr viel Arbeit und sind letztlich wenig erfolgsversprechend."
1.250 Euro für den Job als Platzwart
Jahrelang hat "Sport für Berlin" im Auftrag des Landessportbundes Berlin Teilnehmer der wechselnden Jobcenter-Programme auch ausgebildet, zu Übungsleitern oder Platzwarten zum Beispiel. Doch in Zeiten einer vermeintlich niedrigen Arbeitslosigkeit wurden die Qualifizierungen gestrichen. Dabei seien gerade Sportvereine Orte, an denen eine Rückkehr in die Arbeitswelt gelingen könne, meint Frank Kegler:
"Ich sehe den Nutzen für beide Seiten: Zum einen für die Teilnehmer. Sie kommen in ein in der Regel funktionierendes soziales Netzwerk, das der Verein ja durchaus darstellt. Sie werden dort an bestimmte Arbeitsabläufe gewöhnt, und sie kriegen dort in aller Regel eine Anerkennung für das, was sie dort leisten. Für die Vereine, in Berlin nahezu 100 Prozent ehrenamtlich organisiert. So, und dieses Ehrenamt wird in den letzten Jahren immer stärker beansprucht. Wir haben Alternativen zum Verein, wir haben kommerzielle Anbieter, insofern steigt der Anspruch der Mitglieder. Und in sofern können dort die Teilnehmer einen wichtigen Beitrag leisten, das Ehrenamt zu entlasten."
Auf dem Tennisgelände des "Berliner Sport-Clubs", des BSC. Hier im bürgerlichen Schmargendorf im Westen der Hauptstadt arbeitet Darius Fijal: Er ist seit einem halben Jahr als Platzwart angestellt – vermittelt durch die "Sport für Berlin" GmbH.
Darius Fijal: "Ich mach als erstes die Plätze fertig. Also morgens früh um sieben oder halb sieben, ja nach dem, fange ich an. Und bis Neun, halb Zehn müssen die Plätze fertig sein. Abziehen, Linien sauber machen, wässern, wenn´s heiß ist im Sommer. Und dann..., dann beschäftige ich mich mit dem, was alles so anfällt im grünen Bereich: Hecken schneiden, Rasen mähen, Unkraut jäten und solche Sachen halt."
Ein Jahr lang hat der gebürtige Pole hier zunächst in einer Beschäftigungsmaßnahme gearbeitet. Der ausgebildete Gärtner bewährte sich – und wurde zur Probe vom BSC übernommen, als der alte Platzwart in Rente ging. Vorher hat Fijal jahrelang von Mini- und Ein-Euro-Jobs gelebt oder Hartz-IV als "Grundsicherung" erhalten – Miete, Krankenkasse und etwa 350 Euro zum Leben. Dazu kamen 100 Euro-Nebenverdienst als Hauswart.
Darius Fijal: "Also, wo ich noch alleine gewohnt habe, es war knapp, alles knapp. Durch diesen Mini-Job konnte ich noch was dazu verdienen, und als Hauswart habe ich ja auch noch was bekommen, aber ohne diesen Mini-Job und diese Hauswartsstelle wäre es echt knapp, obwohl die Miete bezahlt und diese 350, 360 Euro waren das im Monat. Das war alles richtig knapp."
Jetzt erhält Fijal 1.250 Euro brutto für 30 Stunden als Platzwart. Das ist auch nicht viel, aber er kann davon das Notwendigste für sich, seine Frau und seinen fünfjährigen Sohn bezahlen. Größere Anschaffungen sind dagegen schwierig. Doch beschweren will sich Fijal nicht – zu froh ist er, vom Jobcenter weg zu sein:
"Unangenehm war, dass man sich ständig melden musste, diese Abhängigkeit vom Jobcenter. Und wir haben mit meiner Frau gesagt: Nein, so schnell wie möglich weg aus diesem Hartz-IV."
Fijal sagt, er hätte insofern Glück gehabt, da zum richtigen Zeitpunkt eine Stelle als Platzwart frei wurde. Andererseits mache er seine Arbeit gern – und das werde auch anerkannt.
"Mir hat das richtig Spaß gemacht, und das haben die Leute auch gesehen, und ich habe sehr viel Lob gekriegt. Und da haben die gesagt, die Anlage sieht jetzt besser aus. Und ich habe das wirklich mit Herz gemacht und mache ich immer noch. Und ich denke, dass wenn man den Job findet, der richtig Spaß macht, das ist was."
Fijal gefällt vor allem, dass er seine Tätigkeit weitgehend selbständig gestalten kann.
"Ich bin sehr zufrieden, also ich habe viel freie Hand. Die Plätze, das ist ja klar, das ist ja ein Muss. Aber danach kann ich selber entscheiden, was ich heute mache und was morgen, also sozusagen freie Hand. Das ist schon freizügig vom BSC."
Für die Sportausrüstung gibt es Geld
Darius Fijals Wiedereinstieg ins Arbeitsleben scheint gelungen – auch wenn seine wirtschaftliche Lage prekär bleibt. Dass nicht mehr Hartz-IV-Empfänger Tätigkeiten in Sportvereinen übernehmen, liegt nicht zuletzt daran, dass die Beschäftigungsmaßnahmen keine reguläre Arbeit verdrängen dürfen. Die Opposition fordert jedoch Änderungen: So wollen die Grünen einen dritten Arbeitsmarkt mit öffentlich geförderten Jobs im Sozialbereich. Und auch "Die Linke" hält einen Sektor staatlich finanzierter Beschäftigung für sinnvoll – zum Beispiel in den Vereinen.
André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Linken: "Ich könnte mir gerade im Sportbereich vorstellen – ich weiß auch, dass es solche Projekte gibt – , dass man in Vereinen zum Beispiel tätig ist. Da ist dann auch jemand da, der Kindern die Tür aufschließt, die Bälle raus gibt, den Rasen mal mäht. Das sind Sachen, die hat´s gegeben, die sind dann aber wieder zurückgenommen worden oder nicht mehr weiter finanziert worden. Und da könnte man auch über längere Zeiten sinnvolle Tätigkeit haben, und die Vereine hätten auch etwas. Ich finde das sehr gut, aber die geltenden Bestimmungen lassen das oft nicht zu beziehungsweise die Arbeitsagenturen nutzen ihre Spielräume nicht, die sie haben, bei Ermessungsspielräumen solche Stellen auch zu finanzieren."
Wenig hält André Hahn auch vom so genannten "Bildungs- und Teilhabepaket". 2011 von der damaligen schwarz-gelben Koalition eingeführt, sollte es mehr Kindern aus Hartz-IV-Familien soziale Teilhabe ermöglichen. So wird zum Beispiel die Mitgliedschaft in einem Sportverein mit zehn Euro im Monat bezuschusst, und auch für die Sportausrüstung gibt es Geld. Allerdings müssen dafür alle paar Monate seitenlange Formulare ausgefüllt werden.
André Hahn: "Viele, die eigentlich anspruchsberechtigt sind, nutzen das gar nicht. Und das ist natürlich alles auch sehr bürokratisch. Was ist mit einem Trainingslager, das abgehalten wird? Wer bezahlt dort den Aufenthalt? Möglicherweise auch die Übernachtungskosten und ähnliches, wenn sich diejenigen, das selbst nicht leisten können. Und das, was dort drinnen ist, ist natürlich insgesamt zu wenig. Also, wenn ich in bestimmten Sportarten – gerade im Kinderbereich –, wenn ich wachse, mehrere paar Schuhe brauche, dann kann ich mir von dem Geld, vielleicht ein Paar kaufen, aber nicht drei, obwohl ich sie benötige. Und insofern ist das zu gering ausgestattet und sehr bürokratisch."
Inzwischen wird das Bildungs- und Teilhabepaket zumindest stärker in Anspruch genommen als zu Beginn. Trotzdem nutzen es weiter relativ wenige. Das kritisieren auch die Sozialdemokraten. Allerdings bleibt Michaela Engelmeier, sportpolitische Sprecherin der SPD, ziemlich vage, wann und wie sie ihren Koalitionspartner CDU zu einer "Entbürokratisierung" bewegen will:
Michaela Engelmeier: "Ja wir haben das schon – zumindest kann ich Ihnen das jetzt von SPD-Seite sagen – auf der Agenda. Weil wenn wir wollen, dass die, die es eigentlich betrifft, und dass die auch daran teilhaben können, nämlich die Kinder oder auch die Familien, dann müssen wir es entbürokratisieren, und ich denke mal, da stoßen wir hoffentlich auf offene Ohren. Ja, es ist geplant langfristig."
Sein Lieblingssport ist Blasrohrschießen
"Langfristig geplant"? Sport und Arbeitslosigkeit, das scheint für die großen Parteien weiter kein wichtiges Thema zu sein. Denn die Arbeitslosen haben keine Lobby und entscheiden keine Wahlen. Doch nicht nur die Politik bleibt Antworten schuldig, auch in der Forschung gibt es noch offene Fragen. Laut Gisela Mohr sollte künftig etwa untersucht werden, wie es kommt, dass ein Teil der Erwerbslosen ein aktives und gesundes Leben führt.
Gisela Mohr: "Diese Langzeiterwerbslosen, die bei guter Gesundheit sind, wir wissen relativ wenig darüber, warum eigentlich. Möglicherweise sind das solche, die noch sportlich aktiv sind, die noch sozial integriert sind, die vielleicht in ihrer sozialen Umgebung andere Bedingungen vorfinden, und vielleicht nicht zuletzt einen Arbeitsvermittler haben, der für sie Verständnis aufbringt und wertschätzend mit ihnen umgeht. Das sind Forschungsergebnisse, die uns noch fehlen: Unter welchen Bedingungen bleiben denn Langzeitarbeitslose gesund?"
Einer wie Thomas Pareigis gehört zu dieser Gruppe: Beim "Aktivtag" in der Niederlausitz gibt er für sein Jobcenter-Team aus Wittenberg alles. Und auch sonst will er für sich noch einiges erreichen – zum Beispiel beim Blasrohrschießen, seinem Lieblingssport:
Thomas Pareigis: "Ich habe persönliche Ziele, die sehr, sehr hochgesteckt sind, und die mir auch keiner nehmen kann, wenn ich sie erreicht habe. Allerdings sind das immer so welche 'brotlosen Künste´. Das ist, was mein Vater einmal gesagt hat. Ich stehe da überhaupt nicht dazu, dass es brotlose Künste sind, weil man merkt´s insgesamt, dass sich irgendwo der Kreislauf schließt und sagt: Was ich heute gemacht habe, irgendwann kommt mir das zu Gute."
Bei den Wettkämpfen des "3. Aktivtages 50plus" schafft Pareigis´ Wittenberger Team am Ende nicht den dritten Sieg in Folge. Dann hätten sie den Pokal mit nach Hause nehmen können. Aber immerhin werden sie nach Dessau-Roßlau Zweiter. Und in der Einzelrangliste der Männer ist ein Wittenberger sogar der Beste.