Arbeiten als Komparsin

Anwesend und unsichtbar

09:43 Minuten
Die Filmklappe für einen Tatort aus Köln liegt am Set.
Warten... darauf, dass die nächste Klappe schlägt: Eine der Hauptaufgaben der Komparsen und Komparsinnen. © picture alliance / dpa / Revierfoto
Henrike Meyer im Gespräch mit Mandy Schielke · 03.12.2022
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Als Komparsin beim Film bietet man bisweilen „seinen Körper für nicht so viel Geld“ dar, sagt Filmemacherin Henrike Meyer, die früher so am Set gejobbt hat. Aber die Arbeit zwischen Sichtbarkeit und dem Übersehenwerden habe auch faszinierende Seiten.
Als Komparse oder Komparsin nimmt man eine merkwürdige Rolle zwischen Sicht- und Unsichtbarkeit ein. Einerseits ist man unverzichtbar und wird doch meist übersehen.
Nach ihrem Studium begann die Filmemacherin Henrike Meyer als Komparsin zu jobben. „Ich brauchte schnell Geld, und damals hat man 55 Euro pro Tag verdient als Komparsin“, erzählt sie.
Sie spielte Friseur-Kundinnen, Polizistinnen oder Krankenpflegerinnen – und war fasziniert von der Perspektive, „innerhalb der Produktion zu sein, nicht sichtbar zu sein in den Bildern“, gleichzeitig aber viel sehen zu können. „In dem Moment war die Idee auch geboren, dass ich darüber selbst ein Projekt machen möchte.“

Unterschiedlichste Menschen treffen

In dem Filmprojekt gehe es nicht nur um die Komparseriewelt, „sondern auch um diesen Weg in so eine Arbeitswelt und die Frage, wie man heute Geld verdienen kann, wie man leben und arbeiten kann“.
Denn als Komparse verdingen sich viele unterschiedliche Menschen, „ein Querschnitt der Gesellschaft“, findet Meyer: viele Rentner, Studentinnen und Freischaffende, die sich etwas dazuverdienen möchten, Künstlerinnen, Musiker – und viele Polizisten, die für Kriminalfilme gezielt angefragt werden.

Klischeebilder für den Hintergrund

Je nachdem, was für Fotos man bei seiner Komparsen-Agentur hinterlegt habe, werde man gerne für bestimmte Rollen gebucht. Sie hatte damals kurze blonde Haare, erzählt Henrike Meyer. Ein Aussehen, dass sie offenbar für einen Komparsenjob als Polizistin prädestinierte.
Ein Freund habe einmal Fotos „im Unterhemd, verschwitzt im Sommer“ gemacht – und war „immer Gangster und hatte eher aufregende Drehs“. Nachdem er neue Fotos im Anzug, nach der Arbeit machte, sei er eher als Bankangestellter oder Jurist eingekauft worden.

Viel warten

Die Arbeit als Komparsin sei mit viel Wartezeit verbunden und nicht immer ein angenehmer Job: Bevor es den Mindestlohn gab, „hatte man schon das Gefühl, dass man mehr so ein bewegliches Möbelstück war“.
Danach hätten die Produktionen besser aufs Geld achten müssen. „Da war es ein bisschen besser.“ Aber man hätte auch viel mehr in kürzerer Zeit machen müssen.

Sexistische Sprüche

„Es gab auch Anfragen, wo man denkt, dass man seinen Körper für nicht so viel Geld darbietet.“ Als „sexy Volleyballerin, möglichst leicht bekleidet“ etwa – oder „im Hintergrund für ein SM-Party“. Wer im Vordergrund knutscht, bekommt mehr Geld.
Auch sexistische Sprüche gab es am Set. Ebenfalls vorgekommen: Dass Mitarbeiter dachten, man könne den Komparsinnen etwas erklären und sie dabei berühren. „Eigentlich möchte man sagen: Halt, stopp! Aber das ist auch schwierig, weil man so weit unten ist in dieser Hierarchie.“

Vielschichtige Perspektive

Die langen Wartezeiten waren aus Meyers Sicht allerdings das Bereichernde an dem Job. „Dass ich Zeit hatte, mit Menschen zu sprechen – was wir da für Gespräche geführt haben. Wir haben politische Diskussionen geführt, wie lebt man heute, wie verdient man sein Geld. Das war spannend, und ich glaube, dass die Perspektive von vielen Komparsinnen sehr vielschichtig ist, weil sie sich in so unterschiedlichen Jobs bewegen und diesen Austausch haben.“
Für Meyer eine „echt bereichernde“ Zeit. „Ich glaube auch, dass dieses Fremdsein auch eine Magie hat – von Gesprächen mit Leuten, die man nicht kennt und die man morgen wahrscheinlich auch nicht wiedersehen wird. Das ist etwas ganz Tolles.“
(lkn)
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