Arabisches Schriftsteller-Treffen

Von Mona Naggar |
Beim Hay-Literaturfestival in Beirut treffen sich 39 Schriftsteller arabischer Abstammung. In Bibliotheken, Cafés und an öffentlichen Plätzen diskutieren die Autoren über neue Strömungen in der zeitgenössischen arabischen Literatur.
Rosa Yassin Youssef gehört zu der jungen Schriftstellergeneration in Syrien. Ihr neuer Roman spielt in der kanadischen Botschaft in Damaskus. Die Geschichte eines sudanesischen Flüchtlings, der auf die Entscheidung seines Einwanderungsantrages wartet.

Rosa Yassin Youssef: "Eines der Themen, das mich stark beschäftigt sind Minderheiten oder Randgruppen im Allgemeinen. Mein vorletzter Roman drehte sich auch um eine fast vergessene Gruppe in unserer Gesellschaft, um ehemalige weibliche politische Häftlinge in Syrien.

Ich denke, dieser Punkt verbindet mich mit anderen jungen arabischen Schriftstellern.
Wir schreiben über Dinge, die vorher niemanden interessiert haben. Wir setzen uns bewusst von der älteren Generation ab, die ihr Schaffen sehr stark über die noch vor 20 Jahren herrschenden ideologischen Strömungen definiert haben."

Rosa Yassin Youssef ist Teilnehmerin des Hay-Literaturfestivals in Beirut. Die neue Generation der Lyriker und Prosaisten aus Damaskus, Kairo oder Algier schert sich wenig um das klassische und moderne Erbe der arabischen Sprache. Sie scheut sich nicht die eisernen Regeln der Grammatik über Bord zu werfen. Im Vordergrund steht ihre persönliche Erfahrung. Samuel Shimon ist Herausgeber der Anthologie, die zum Festival erchienen ist. Sie präsentiert eine Auswahl der Werke der 39 nach Beirut eingeladenen Autoren:

"In den letzten zehn Jahren hat sich viel verändert in der arabischen Literaturlandschaft. Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir haben jetzt einige wichtige Literaturpreise, die vielen ein Anreiz bieten zu schreiben. Mehr Übersetzungen aus westlichen Sprachen liegen auf Arabisch vor, die natürlich nicht ohne Wirkung bleiben. Auch die Verlagsbranche hat sich weiter entwickelt. Was mich besonders freut, ist dass viele Schriftsteller sich von der Last der poetischen Sprache befreit haben."

In einer Kneipe im Westen Beiruts sitzt Yassin Adnan bei einer Flasche Bier und liest einige noch unveröffentlichte Gedichte vor. Auf den ersten Blick hat die Lyrik des Marokkaners nichts mit der Prosa von Rosa Yassin Youssef zu tun. Aber auch er grenzt sich stark von dem literarischen Schaffen früherer Jahrzehnte ab:

"Was uns prägt ist unsere Selbstbezogenheit. Jeder von uns unternimmt Reisen in sein Inneres, weit weg von der Kontrolle der Gesellschaft oder des Staates. Ich bin froh über diesen Zustand der Freiheit, den wir gerade leben. Aber diese Abnabelung bedeutet auch, dass wir keinen Einfluss haben in der Gesellschaft. Niemand hört uns zu!"

Eine besondere Stellung nimmt die Literatur aus Saudi-Arabien ein. Die literarische Szene im Königreich ist die zurzeit lebendigste in der arabischen Welt. Die junge Generation des konservativsten arabischen Landes hat den Roman als Mittel entdeckt, sich ihren Frust von der Seele zu schreiben, ihre Erfahrungen und Fantasien aufs Papier zu bringen, berühmt zu werden oder einfach nur zu schockieren. Die Tabus Sexualität, Religion und Politik werden hemmungslos gebrochen. Ein Vertreter der neuen saudi-arabischen Literatur ist Abdallah Thabit. Sein Roman heißt "Der Terroist Nummer 20".

Abdallah Thabit: "Ich beschreibe die Wandlungen, die ein junger Mann durchmacht. Er ist Mitglied einer radikalen islamistischen Gruppe und beginnt irgendwann sich Fragen zu stellen über die Ideen und Praktiken, die er lange für richtig gehalten hat. Er bekommt Selbstzweifel. Es geht um die Konflikte mit seiner engsten Umgebung, mit seiner Familie und seinen Mitstreitern."

Abdallah Thabits Roman ist in Saudi Arabien verboten. Das gilt auch für die meisten anderen Bücher saudischer Schriftsteller. Trotzdem werden ihre Werke gelesen, aus dem Ausland hineingeschmuggelt oder auf Buchmessen gekauft. Die Zensoren und Sittenwächter haben schon lange den Kampf um die Kontrolle der Gesellschaft verloren.