Arabische Schlager im Clubgewand

Von Camilla Hildebrandt |
Natacha Atlas ist eine Ikone der Musik des Mittleren Ostens. Die anglo-ägyptische Sängerin vermischt seit mehr als einem Jahrzehnt elektronische Beats mit nordafrikanischer und arabischer Musik. Gerade ist ihr neustes Album " Ana Hina" erschienen. Darauf mixt sie sanfte Melodien von bekannten arabischen Musikern gekonnt mit Big-Band-Klängen.
Sie spricht englisch, spanisch, französisch und arabisch, ist u.a. in Brüssel und im britischen Sussex aufgewachsen und - immer in Aktion. Zwei Minuten-Interviewpause? Wunderbar. Natacha Atlas, schreibt schnell eine SMS auf ihrem Handy, die vielen silbernen Armreife bewegen sich dazu im Tipp-Takt.

"Ich fühle mich mehr anglo-ägyptisch als alles andere. Denn zwischen England und Kairo habe ich die meiste Zeit verbracht."

Spanisch - das hat Natacha Atlas, 44, rund 1 Meter 60 groß, nebenbei gelernt.

"Weil ich eine ganze Weile mit Latino-Musikern nach der Arbeit in Clubs rumgehangen habe, wo nur Spanisch gesprochen wurde. Und, weil ich in meiner Kindheit mit mehren Sprachen umgehen musste, hat mich das sehr offen gemacht für Neue Sprachen."

Die Entscheidung für die Musik - sei eigentlich gar keine gewesen, meint Natacha. Eher Zufall oder Schicksal.

"Manchmal rutscht man einfach so in etwas hinein. Die eine Sache führte zur nächsten, und plötzlich wurde ich einer Record-Company vorgestellt. Die begann mit Fusion-Music, entdeckte gerade die Musik des Mittleren Ostens und wollte sie mit moderner Musik mixen. Ich wurde der Band 'TransGlobal Underground' vorgestellt, und dann war da plötzlich meine Karriere als Sängerin."

Ihre Liebe für arabische Musik, die komme schon von den Eltern, obwohl zuhause so gut wie alles gehört wurde. Ihre Mutter, Britin, liebte zum Beispiel Led Zeppelin, ihr Vater, Marokkaner, arabische Klänge. Als Natacha 16 war, trennte sich aber die Familie. Mit der Mutter zog sie nach Sussex und besuchte dort ein Internat.

Vor allem zu dieser Zeit entdeckte sie ihre Bewunderung für Abdel Halim Hafez, einen der bekanntesten ägyptischen Sänger und Schauspieler. Er starb 1977, mit nur 47 Jahren. Auf ihrer aktuellen CD "Ana Hina" interpretiert sie zwei Lieder von ihm.

"Ich würde sagen: die Mehrheit der arabischen Frauen schauen seine Filme heute noch an und sagen: O schau, er ist so toll! Er ist das Vorbild schlechthin für Romantiker. Denn er hatte eine Freundlichkeit, die ziemlich unüblich und einzigartig war. Ich bin übrigens eine der vielen Frauen, die anfangen zu heulen, wenn sie ihn in Filmen sehen."

"Durch seine Familie -, seine Mutter hatte sizilianische Vorfahren - war er offen, brachte Modernität in seine Songs rein, wie zum Beispiel "Beny ou Benak Eih". Er war quasi ein Pionier in der Fusion-Musik."

Crossover - der Mix von arabischen Klängen mit modernen Beats - das praktiziert die Wahl-Londonerin Natacha Atlas seit dem Beginn ihrer Karriere.

"Diese Fusion ist absolut nichts Neues, ich habe es - leider - nicht erfunden. Es passierte, bevor ich geboren wurde durch Komponisten aus dem Mittleren Osten."

Genau das wolle sie mit ihrer aktuellen CD auch deutlich machen, durch die Interpretation klassischer arabischer Songs und eigener Stücke, wie dem Titelsong "Ana Hina".

"In dem Song sage ich: egal ob Seen, Berge oder Flüsse uns trennen, du wirst mich immer finden, ich bin immer hier. Und 'ich bin hier' meint, nach der ganzen Zeit bin ich immer noch da."

Eine Ausbildung als Sängerin hat Natacha nie gemacht. Aber einer ihrer Onkel aus dem ägyptischen Familienzweig war Komponist.

"Er zeigte mit die Grund-Techniken der arabischen Gesangs-Improvisation. Und dann gab es noch in meiner europäischen Familie eine Opern-Sängerin, die wirklich sehr alt war. Ein Jahr ungefähr gab sie mir Unterricht."

Peter Gabriel, Sinéad O'Connor, Les Negresses Vertes - das sind nur ein paar der musikalischen Größen, mit denen Natacha Atlas schon gearbeitet hat. Eins ihrer letzten Projekte stieß jedoch nicht nur auf Begeisterung - die Aufnahme des Liedes "Mano Suave" - "sanfte Hand", zusammen mit der jüdischen Sängerin Yasmin Levy aus Israel.

"Manche meiner ägyptischen Freunde sagten: Erzähl das niemandem hier. Das ist normal, denn was die Leute in Ägypten nicht verstehen ist, dass die Israelis viele Probleme verursacht haben, aber sie nicht zugeben wollen und sich weigern, damit umzugehen..."

"Ich will nicht 'nein' zu jemandem sagen, nur wegen seiner Religion. Aber in Israel auftreten? Nein, das ist was anderes."

Hinweis:
Natacha Atlas singt heute Abend (24.09.) in der Centralstation in Darmstadt, morgen tritt sie in der Philharmonie in Berlin auf.