Apec-Gipfel

Auf der Suche nach einer neuen Rolle

Chinesische Wanderarbeiter auf einer Baustelle in Jiujiang, China.
Auf einer Baustelle in Jiujang: Ein asiatisch-pazifisches Freihandelsabkommen würde auch die Konjunktur in China anregen © picture alliance / dpa / Zhang Haiyan
Jörn Dosch im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 10.11.2014
Heute beginnt der Apec-Gipfel in Peking. Auf diesem steht ein asiatisch-pazifisches Freihandelsabkommen zur Diskussion. Die USA und China verfolgen allerdings sehr unterschiedliche Ansätze, erläutert der Asien-Experte Jörn Dosch von der Universität Rostock.
Korbinian Frenzel: Das 21. Jahrhundert, das ist das pazifische Jahrhundert. Das war eine Botschaft, die uns in Europa nicht so gut gefallen hat, unserem alten Europa, als Hillary Clinton zu Beginn ihrer Amtszeit als Außenministerin Europa ganz offiziell die Aufmerksamkeit entzog.
Die, die aus diesem Schlagwort vom pazifischen Jahrhundert etwas machen müssen und wollen, die treffen sich ab heute zum Gipfeltreffen der 21 Pazifikanrainerstaaten in Peking. Gastgeber ist China, und das Land, das berichtet unsere Korrespondentin Ruth Kirchner, hat für die Wahrnehmung dieser Rolle ganz augenscheinlich keine Kosten und Mühen gescheut – wie es sich geziemt für ein Land, das klar zeigen will, in der Region gibt Peking künftig den Ton an.
So weit Ruth Kirchner aus Peking, das sich mächtig herausputzt und herausgeputzt hat für diesen Apec-Gipfel. Eine wunderbare Bühne, der Vorhang ist noch offen, viele Fragen auch. Zum Interview begrüße ich Jörn Dosch. Er leitet den Lehrstuhl für internationale Politik an der Universität Rostock und hat mehrfach an verschiedenen Orten in Asien geforscht. Einen schönen guten Morgen!
Jörn Dosch: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Wenn man jetzt hört, dass China sich so stark herausputzt, kann man davon ausgehen, dieses Treffen ist wichtig für das Land. Warum?
Der Apec-Gipfel ist für China die Chance, sich international zu positionieren
Dosch: Die Apec ist eigentlich nicht eine der wichtigsten internationalen Organisationen, sie hat aber im asiatisch-pazifischen Raum über die 25 Jahre ihres Bestehens relativ hohe Bedeutung erlangt. Und für China geht es jetzt darum, diese Chance zunächst diplomatisch zu nutzen, um sich hier tatsächlich als guter Gastgeber zu präsentieren und auch ein wenig von den Problemen, die es in den letzten Jahren, ja auch in den letzten Monaten gegeben hat, zum Beispiel hinsichtlich der Territorialstreitigkeiten im südchinesischen Meer und mit Japan ein wenig abzulenken und zu demonstrieren, dass China konstruktiv denkt, dass China ein verantwortungsbewusstes Mitglied der internationalen Gemeinschaft ist, und eben mit zukunftsweisenden Plänen auch die Strukturierung internationaler Beziehungen global und regional vorantreibt.
Frenzel: Das wäre aber schon durchaus was Neues, denn wir kennen China ja gerade so aus westlicher, europäischer Perspektive als den großen stillen Player, der im Zweifel eigentlich sich lieber nicht einmischt in internationale Angelegenheiten. Findet da gerade ein Rollenwechsel statt?
Dosch: Das kann man eigentlich schon seit einiger Zeit beobachten. Es ist in der Tat so, da stimmt Ihre Einschätzung vollkommen, dass China ja nicht zu den Staaten gehört hat, die das heutige internationale System geschaffen haben. Also das Völkerrecht, wenn man zurückgehen will bis ins 19. Jahrhundert, und die Regeln und Verträge, die die internationalen Beziehungen heute bestimmen, sind von westlichen Staaten vereinbart worden.
China hat sich dem so gut, wie es geht, untergeordnet, will jetzt aber tatsächlich stärker auch aktiv an der Gestaltung internationaler Beziehungen teilhaben und nutzt daher die Möglichkeiten, die ein großer Gipfel, der natürlich auch international Beachtung findet wie eben das Apec-Treffen, dazu, um seine Position international zu stärken.
Das hat es aber auch schon bei ähnlichen Veranstaltungen in der Vergangenheit gegeben. Es gibt auch ein Äquivalent in den europäisch-asiatischen Beziehungen, das ist der asiatisch-europäische Gipfel. Auch der fand kürzlich in Peking statt, auch hier haben wir Ähnliches beobachtet, dass China eben versucht, dass die chinesische Regierung versucht, mit konstruktiven Vorschlägen die Agenda zu bestimmen und damit natürlich auch die Schlagzeilen in der Welt zu beherrschen.
Frenzel: Nun geht es da ganz konkret um Freihandelsabkommen. Wir haben gerade schon in dem Beitrag gehört, es gibt auch unterschiedliche Vorstellungen auf beiden Seiten des Pazifiks, vor allem zwischen China und den USA, zwei unterschiedliche Modelle. Wie ist denn da gerade die Stimmung? Wird man da an einem Strang ziehen, oder ist es das große Kräftemessen, wer die Hosen anhat am Pazifik?
Die Idee einer asiatisch-pazifischen Freihandelszone gibt es bereits seit 20 Jahren
Dosch: Ja, so wird es dargestellt im Moment. Man muss da, glaube ich, ein bisschen ausholen. Die Idee einer asiatisch-pazifischen Freihandelszone ist nicht neu. Die gibt es seit 20 Jahren. Die wurde erstmals vorgestellt, interessanterweise auch bei einem Apec-Gipfeltreffen, nämlich 1994 in Bogor in Indonesien. Damals übrigens auf Bestreben vor allem der USA unter Clinton.
Diese Idee wurde nicht explizit als Freihandelszone bezeichnet, lief aber darauf hinaus. Die Idee war, bis zum Jahr 2020 spätestens eben so etwas wie eine Freihandelszone im asiatisch-pazifischen Raum geschaffen zu haben. Daran hat man weiter gearbeitet, aber ohne großen Enthusiasmus, vor allen Dingen, weil dann auch die amerikanische Administration ihr Interesse daran verloren hatte.
Nun wird diese Idee wieder aufgewärmt. Man nennt das jetzt explizit eine Freihandelszone – die Zeiten haben sich auch geändert, es sind 20 Jahre ins Land gegangen. Und deshalb jetzt eben der Versuch Chinas, diese eigentlich alte Idee wieder aufzugreifen, um hier die Idee der gesamtasiatisch-pazifischen Freihandelszone voranzubringen.
Die USA haben ein anderes Konzept. Sie verhandeln seit 2008 mit elf ausgewählten Staaten des asiatisch-pazifischen Raums, hauptsächlich asiatische Staaten, Mexiko ist auch dabei auf lateinamerikanischer Seite, um hier ebenfalls Freihandelsabkommen zu erzielen, aber im bilateralen Kontext. Das heißt, dass es hier tatsächlich eine Konkurrenz der Modelle gibt, wobei man gleichzeitig aber auch feststellen muss, dass Freihandel nicht gleich Freihandel ist.
Frenzel: Da wollte ich Sie gerade fragen, Herr Dosch: Freihandel ist nicht gleich Freihandel – welcher Freihandel, welches Modell ist denn attraktiver für die beteiligten Länder? Der american way oder der chinesische?
China will die klassische Freihandelszone, die USA verhandeln bilaterale Abkommen, in denen es auch um Bürgerrechte geht
Dosch: Ja, das kommt halt drauf an, was man genau erreichen will. Eine Freihandelszone hat natürlich zunächst einmal wirtschaftliche Vorteile für die Beteiligten, ist aber auch ein politisches Instrument.
Um auf die wirtschaftspolitischen, die Außenhandelsaspekte zunächst zu sprechen zu kommen: Was China vorschlägt, ist eine einfache, klassische, traditionelle Freihandelszone, bei der es um den zollfreien Warenaustausch unter den Mitgliedern geht, also das, was wir auch hinlänglich als Freihandelszone verstehen.
Die USA verhandeln sehr komplexe Freihandelszonen, die sich eben nicht nur auf den Waren- und Güteraustausch beziehen, sondern auch sehr komplexe Bestimmungen zum Arbeitsrecht, zu Umweltstandards, zu technischen Standards, eben bis hin zu Menschen- und Bürgerrechten enthalten – das Gleiche macht übrigens auch die Europäische Union – und das sind natürlich andere, von der Qualität her andere Freihandelsabkommen, die natürlich auch schwieriger zu verhandeln sind; das zieht sich ja auch schon eine ganze Weile.
Und im Falle Chinas ist vor allem auch der politische Aspekt sehr wichtig, weil natürlich durch die Ankündigung eines solchen Vorhabens Staaten, die vielleicht ein bisschen zurückhaltend waren, was die Intensivierung ihrer Beziehungen mit China anbelangte, nun möglicherweise dazu neigen, sich China anzunähern. Und Freihandel ist ja nun mal eine frühe Stufe der Integration. Zwar der erste Schritt, aber so fangen ökonomische Integrationsprozesse normalerweise an.
Und wer sich ökonomisch in seinem Außenhandel bindet, der bindet sich zu einem gewissen Grad auch politisch. Also hier sollte man auf keinen Fall die politischen Aspekte, die politischen Aspekte, die politischen Vorteile, die sich aus einem solchen Vorhaben ergeben, unterschätzen. Das gilt auch für die USA, aber hier stehen tatsächlich zunächst einmal die wirtschaftspolitischen Aspekte im Vordergrund.
Frenzel: Die Analyse von Jörn Dosch, Professor und Leiter des Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität Rostock. Vielen Dank für das Gespräch!
Dosch: Vielen Dank, Herr Frenzel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.