Apache 207 veröffentlicht Debüt-EP

Der Anti-Rapper

Der Rap-Musiker Apache 207 in Feinripp und Bluejeans sitzt posierend auf einer Trittleiter und trägt Sonnenbrille.
Apache 207 gibt den Harten. Er macht Rap, in dem die Härte des so genannten Straßenraps auf den ironisch gebrochenen Kitsch von Cloud Rap trifft. © Peter Kaaden
Von Christoph Möller · 29.10.2019
Unter den Top Ten der deutschen Singlecharts sind gleich vier Stücke des Rappers "Apache 207". Innerhalb eines Jahres stieg der 22-Jährige zum Superstar auf. Teil seines Erfolges sind aber auch sexistische und homophobe Texte, sagt unser Musikkritiker.
Im Sommer des letzten Jahres war Apache 207 plötzlich da. Auf YouTube veröffentlichte er sein erstes Stück "Kleine Hure".
Gefolgt von den Blicken muskulöser Männer wird im Musikvideo eine Frau immer wieder als "kleine Hure" bezeichnet, weil sie ständig was mit anderen Männern hat. Ein Verhalten, das Apache 207 offensichtlich ziemlich uncool findet. Frauen sollen treu sein, so die Message. Eindeutig sexistische Lyrics, dazu eine tendenziell homophobe Textzeile, in der Apache singt, eine Frau sei eine Schlampe, wenn sie mit Schwulen abhängt. Das ist schon ziemlich krass.
Apaches Ästhetik ist widersprüchlich. Er gibt den Harten, der auch weiche Seiten hat: seine schulterlangen, geölten Haare, die femininen Bewegungen, seine sanfte, tiefe Stimme. In seinen konzeptuell wirkenden Videos sieht man ihn in Retro-Ästhetik in gold-glitzernden Rollschuhen, auf wackligen Kinderfahrrädern sitzen oder eine Waschmaschine ausräumen.

Falco des Deutschrap

Die 80er-Jahre-Zitate, seine Sonnenbrille, die er immer trägt, und das Spiel mit Ironie: In einigen YouTube-Kommentaren wird Apache als "Falco des Deutschrap" bezeichnet. Und das passt. Sein Gesang ist wie der von Falco unverkennbar: Er ist ein vermeintlich glatter, prolliger Dichter, in dessen Auftreten immer etwas Romantisches aufscheint. Bislang hat Apache auch keine Interviews gegeben, er gibt sich rätselhaft. Eine erfrischende, neue Figur im deutschen Rap.
Apache 207 ist gerade 22 Jahre alt geworden. Er ist aufgewachsen in Ludwigshafen-Gartenstadt. In seinen Videos erinnert er an seine Kindheit im Plattenbau. "Ghetto-Romantik", nennt er das auf Instagram. Dort postet er im August auch ein Foto, das ihn vor einem weißen Mercedes-Sportwagen zeigt. Daneben ein emotionaler Text an seine Mutter: "Ich erinner' mich als wäre es gestern gewesen, als dieses Auto an uns vorbeigefahren ist, Mama. Erinnerst du dich noch? 2009. Zu einer Zeit als du drei Euro leihen musstest von unserer Nachbarin, weil dein Sohn unbedingt Nutella essen wollte. Genau zu dieser Zeit hab ich mir geschworen, dass ich uns dieses Auto holen werde, wenn ich groß bin."

Suche nach Anerkennung

Zehn Jahre nach der Nutella-Geschichte ist Apache angekommen in der oberen Deutschrap-Liga. Er arbeitet mit Sido zusammen und hat am vergangenen Freitag seine "Platte" betitelte Debüt-EP auf dem Label des Rappers Bausa veröffentlicht. Man hört darauf, wie er nach Anerkennung strebt. Viele Stücke haben einen melancholischen Unterton. "Grey Goose" etwa ist ein sehnsuchtsvolles Lied über eine unmögliche Liebe.
Die Musik hat etwas Treibendes und erinnert an tanzbare Musikstile wie House oder Eurodance. Die Hooks sind poppig, häufig hört man akustische Gitarren über dumpfe Beats. Apache macht Rap, in dem die Härte des so genannten Straßenraps auf den ironisch gebrochenen Kitsch von Cloud Rap trifft. Er kann weiße Tennissocken in Sandalen tragen und trotzdem als harter Macker rüberkommen. Es ist genau diese Dualität des Harten und Weichen, die ihn so interessant macht.
Doch sexistische und homophobe Texte lassen dieses Spektakel schnell ganz klein werden. "Roller" heißt Apaches bekanntestes Stück. Die Lyrics thematisieren die vermeintlich männliche, motorisierte Härte als Ausdruck eines Minderwertigkeitskomplexes. Völlig absurd ist dann allerdings, dass Apache den Grund für diese gespielte Härte nur zwei Takte später mit Homosexualität erklärt, die für ihn also krankhaft ist.
Es wirkt, als hätte Apache von der deutlichen Kritik an sexistischen und homophoben Texten im Rap nichts mitbekommen. Schade, dass ein ästhetisch ungewöhnlicher und geschulter Rapper wie Apache nicht versteht, dass er sexistische Texte eigentlich gar nicht braucht, um gute Musik zu machen.
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