Anwältin über Hartz IV

"Relativ viele Bescheide sind rechtswidrig"

Stempel mit der Aufschrift "Hartz IV"
Stempel mit der Aufschrift "Hartz IV" © dpa / picture alliance / chromorange
Annette Krohn im Gespräch mit Axel Rahmlow · 15.01.2019
Wenn Arbeitslose einen zumutbaren Job ablehnen oder einen Termin im Jobcenter verpassen, wird ihnen oft Hartz IV gekürzt. Für das Kürzen des Existenzminimums müsse es aber gute Gründe geben, sagt die Anwältin Annette Krohn. Sie kritisiert die Praxis.
Seit Dienstag verhandeln Richter des Bundesverfassungsgerichts, wie hart der Staat Hartz-IV-Empfänger bestrafen darf. Denn häufig wird der Regelsatz von 424 Euro im Monat gekürzt, etwa wenn ein Empfänger einen Termin verpasst – und keinen wichtigen Grund dafür hat. Das sei problematisch, sagt die Berliner Anwältin Annette Krohn im Deutschlandfunk Kultur. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit Hartz IV und den Folgen.
"Manche Menschen sind halt krank oder haben einen anderen wichtigen Grund. Es gibt im täglichen Leben auch Situationen, in denen das Auto liegen bleibt oder das Kind krank wird und Umstände, die nicht als wichtiger Grund anerkannt werden."

Erwerbsfähige Menschen fordern

Doch Sanktionen können auch notwendig sein, sagt Krohn. "Es ist in dem Moment nötig, in dem jemand erwerbsfähig ist, und sich nicht um Arbeit kümmert, sich nicht bewirbt, keine Jobangebote annimmt."
Doch wer erwerbsfähig ist und wer nicht, darüber würden die Meinungen auseinandergehen. So frage sie sich, ob Menschen mit psychischen Problemen oder einer Suchterkrankung erwerbsfähig seien, so Krohn. "Aber wenn ein junger, starker Mann einfach keine Lust hat, ist es wichtig, den zu fordern."

Anspruch auf eine "vernünftige Rechtsvertretung"

Über das Arbeitslosengeld II (ALG II) sagt sie: "Das System führt schon dazu, dass diejenigen, die nicht arbeiten, nicht verhungern und das ist der Sinn. Das Hartz-IV-System ist dazu da, diejenigen, die kein ALG I mehr kriegen und noch keine neue Arbeit haben, nicht verhungern zu lassen."
Annette Krohn arbeitete früher in einem Jobcenter. Dort habe sie gesehen, wie das Jobcenter das System sieht und anwendet: "Da fällt einem auf, dass doch relativ viele Bescheide rechtswidrig sind." Krohn ist der Meinung, auch Hartz-IV-Bezieher haben einen Anspruch auf eine "vernünftige Rechtsvertretung".

(lsc)
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