Anu Tali und das Prager Radiosinfonieorchester

Mystische Klanglandschaften und Horn-Idylle

Eine schroffe Steilküste mit Wassergischt während des Sonnenuntergangs.
Die wilde Küste, hier die von den Äußeren Hebriden, war vielen Komponisten Inspirationsquell. © imago images / Nature Picture Library
Moderation: Elisabeth Hahn · 24.01.2020
Alle Komponisten des Abends haben die "Grüne Insel" geliebt. Mozart war Kinderstar in London, Felix Mendelssohn-Bartholdy war fasziniert von den Hebriden-Inseln. Britten war auch so ein "Meer-Mensch". Auch Elgar ging stundenlang an der Küste spazieren.
Mit Musik über die atemberaubende schottische Landschaft auf den Hebriden wird das Konzert im Prager Rudolfinum eröffnet. Das Naturhorn und seine klanglichen Weiterentwicklungen werden dann im Hornkonzert Nr. 3 von Wolfgang Amadeus Mozart und in der Serenade op. 31 für Tenor, Horn und Streicher ausgelotet, bevor am Schluss noch mal das große Orchester zu hören ist mit den rätselhaften "Enigma"-Variationen von Edward Elgar.

Mendelssohn als "erstklassiger Landschaftsmaler"

Am 8. August 1829 besucht Felix-Mendelssohn-Bartholdy die Fingalshöhle auf den schottischen Hebriden. Kurz darauf schreibt er seiner Familie in Berlin einen Brief, in dem er ein Thema der Hebriden-Ouvertüre skizziert. Als einer der Pioniere der Konzertouvertüre im 19. Jahrhundert setzt Mendelssohn ganz neue klangliche Maßstäbe.
"Alle meine Werke gäbe ich darum, wenn ich eine Ouverture wie die Hebriden von Mendelssohn hätte schreiben können." So lautet ein bekanntes Bonmot von Johannes Brahms. Und selbst Richard Wagner, der bekanntlich kein Fan von Mendelssohn ist, lobt den jungen Komponisten als "erstklassigen Landschaftsmaler".

Klangrevolution für das Horn

Für jeden Hornisten gehören die vier Hornkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart zum Stammrepertoire. Kein anderes Instrument, das Mozart nicht beherrschte, wurde von ihm so bedacht wie das Horn. Das liegt vielleicht auch an der lebenslangen Freundschaft mit dem Hornisten Joseph Leutgeb. Wie familiär und vertraut der Umgangston zwischen den beiden Musikern war, das zeigen unter anderem zahlreiche Briefe, in denen Mozart seinen Freund gern auch mal als "Signor Asino" – Herr Esel – bezeichnet.
In den Hornkonzerten von Mozart wird die neue Stopftechnik verwendet, mit der Anton Joseph Hampel das Hornspiel revolutioniert hat – so konnten die Spieler nämlich endlich fast durchgehend eine chromatische Tonleiter produzieren.
Der Musiker spielt bei einem Konzert in festlicher Garderobe sein Instrument.
Radek Baborák gehört zur Weltspitze unter den Hornisten.© picture alliance / dpa / Michal Dolezal
Das dritte Hornkonzert ist wahrscheinlich im Jahr 1787 entstanden. Im Mittelpunkt steht die träumerische Romanze, in der sich die ganze Klangschönheit des Instruments entfaltet. Mit diesem Mittelsatz und dem Jagdfinale ist dieses Werk zum Idealtyp des klassischen Hornkonzerts geworden.

"Nicht bedeutend, wenngleich recht unterhaltsam"

"Nicht bedeutend, wenngleich recht unterhaltsam" – so hat Britten diesen Liedzyklus in einem Brief an seine Freundin Elizabeth Mayer bezeichnet. Auf Anfrage des Hornisten Dennis Brain schreibt Britten nach seiner Heimkehr in England während der Kriegsjahre die Serenade für Tenor, Horn und Streicher op. 31. Am 15. Oktober 1943 wird sie in London uraufgeführt – mit Peter Pierce als Tenor und Dennis Brain am Horn.
Schwarz-weiß-Porträt des jungen Komponisten.
Seine Mutter verehrte die drei sogenannten großen "B": Bach, Beethoven und Benjamin Britten.© picture-alliance / dpa
Benjamin Britten verwendet in diesem Zyklus Texte aus unterschiedlichen Jahrhunderten von ganz unterschiedlichen Dichtern, darunter William Blake, Philip Sidney, William Wordsworth oder Percy Bysshe Shelley. Die Grundstimmung erinnert an romantische Topoi: Am Abend und in der Nacht ist der Mensch empfänglich für tiefere Gefühle und die göttliche Sphäre, die einerseits tröstlich ist und andererseits die eigene Vergänglichkeit offenbart.
Tod und Bedrohung sind damit ebenso verbunden wie idyllische Naturerlebnisse und Liebesgefühle. Eingerahmt wird der Liedzyklus vom Prolog und Epilog – das Horn beschwört dabei die urwüchsige Szenerie von Vollkommenheit und Unschuld.

Musikalische Knobelspiele

Im Sommer 1899 werden Edward Elgars "14 Variationen über ein Original-Thema" in London uraufgeführt – und machen den Komponisten schlagartig berühmt. Elgar etabliert sich bald als führender Komponist seines Landes.
Schon in seiner handschriftlichen Partitur notiert Elgar das Wort "Enigma" – Rätsel. Rätselhaft sind schon allein die Bezeichnungen der einzelnen Variationen. "CAE , Nimrod oder HDS-P" steht da geschrieben. Immerhin – dieses Rätsel ist längst gelöst. Die Initialen und Fantasienamen stehen für Personen aus dem Freundeskreis von Elgar. "CAE" zum Beispiel bedeutet Caroline Alice Elgar – seine Ehefrau. Mit "Nimrod" meint der Komponist seinen besten Freund August Jaeger. Die letzte Variation mit den Initialien "E.D.U." bezeichnen den Komponisten selbst.
Porträt des Komponisten an seinem Schreibtisch sitzend.
Edward Elgar erhielt 1904 die Ritterehren und wurde somit zum Sir.© picture-alliance/ dpa
Ein anderes Rätsel aber bleibt bis heute ungelöst. Elgar hat nämlich darauf hingewiesen, dass es neben dem Originalthema auch noch ein zweites geben soll. "Es ertönt zwar, wird aber nicht gespielt." Ist es eine Volksliedmelodie oder ein Chopin-Thema oder gibt es vielleicht sogar gar keins, wie Elgars bester Freund August Jaeger vermutet hat? Dieses Rätsel hat jedenfalls schon vielen Musikwissenschaftlern Kopfzerbrechen bereitet.
Aufzeichnung des Konzertes vom 20. Januar 2020 aus dem Rudolfinum Prag
Felix Mendelssohn Bartholdy
"Die Hebriden", Ouvertüre für Orchester op. 26
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Horn und Orchester Nr. 3 in Es-Dur KV 447
Benjamin Britten
Serenade für Tenor, Horn und Streicher op. 31
Edward Elgar
Variationen über ein Originalthema für Orchester op. 36 ("Enigma Variationen")

Toby Spence, Tenor
Radek Baborák, Horn

Prager Radiosinfonieorchester
Leitung: Anu Tali

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