Antislawische Straftaten in Deutschland

Zwischen echter Bedrohung und Kreml-Propaganda

07:26 Minuten
Eine Frau bedient Kunden in einem russischen Imbiss im Berliner Bezirk Charlottenburg.
Russischer Imbiss in Berlin: Menschen, die auf irgendeine Weise mit Russland in Verbindung stehen, haben es in Deutschland zur Zeit nicht einfach. © Getty Images / Carsten Koall
Sergej Prokopkin im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 29.03.2022
Audio herunterladen
Rund 200 Straftaten gegen Menschen, die mit Russland in Verbindung gebracht werden, zählt die Polizei jede Woche. Der Antidiskriminierungstrainer Sergej Prokopkin gibt einen Einblick, wie die russischstämmige Community damit umgeht.
Das Bundeskriminalamt (BKA) zählt aktuell pro Woche rund 200 Straftaten gegen Menschen, die für russischstämmig gehalten werden.
Beleidigungen und Angriffe habe es bereits vor dem Krieg in der Ukraine gegeben, sagt Sergej Prokopkin, Jurist und Antidiskriminierungstrainer in Berlin. Nun spitze sich die Situation jedoch zu. Zudem gebe es momentan mehr Aufmerksamkeit für solche Fälle, wodurch auch mehr gemeldet würden.
Opfer sind nicht nur Menschen mit einem russischen Hintergrund. Auch Armenier oder Georgier würden angefeindet, so Prokopkin. Und selbst Menschen aus der Ukraine treffe es. Es reiche, mit Russland in Verbindung gebracht zu werden.

Das Bedürfnis nach Schutz

In der russischsprachigen Community in Berlin gebe es unterschiedlichen Perspektiven auf die Anfeindungen, berichtet er: „Es gibt einerseits natürlich das Bedürfnis, dass Menschen geschützt werden, insbesondere Kinder in Schulen und Kindergärten.“
Andererseits gebe es aber auch Stimmen, die davor warnten, auf die "Propaganda des Kreml" hereinzufallen. Aus dieser Perspektive seien die Anfeindungen Einzelfälle, und kein "flächendeckender Ausbruch von Antislawismus".
Der Kreml greife solche Fälle auf und verwende sie für die eigene Propaganda, berichtet Prokopkin. „Propaganda agiert nicht nur mit Lügen, sondern nimmt teilweise Fakten auf und vermischt sie mit Lügen, sodass alles sehr aufgebauscht wird.“ So werde dann aus Einzelfällen ein Bild vom russenfeindlichen Europa konstruiert. Und Russland sei dann natürlich die "schützende Macht“.

Wo es tatsächlich Hilfe gibt

Antislawismus gebe es bereits seit Jahrhunderten, erklärt Prokopkin. Seit dem 19. Jahrhundert sei diese besondere Ausprägung des Rassismus sehr verbreitet und werde als Ideologie für politische Kämpfe genutzt.
In seit den 1990er-Jahren sei der Antislawismus in Deutschland besonders sichtbar gewesen. Damals hätten das vor allem die russischen Migrantinnen und Migranten zu spüren bekommen, es habe Anschläge auf Unterkünfte und Körperverletzungen bis hin zu Mord und Totschlag gegeben. Die aktuellen Fälle fänden vor diesem Hintergrund statt, der eine Art fruchtbaren Boden dafür bilde.
Alle von antislawischer Diskriminierung Betroffenen könnten sich an die Polizei wenden, betont Prokopkin. Vor allem bei Straftaten sei sie die Ansprechpartnerin. Daneben gebe es außerdem Antidiskriminierungsstellen, wie etwa die Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder das Antidiskriminierungsbüro des Landes Sachsen in Leipzig.

Die russische Botschaft macht Stimmung

Dort bekämen Menschen wirklich Hilfe, sagt Prokopkin – im Unterschied zur russischen Botschaft, die zwar auch Unterstützung anbiete. Doch „worin diese Hilfe bestehen soll, ist mir immer noch nicht so ganz klar – außer, dass die Fälle aufgegriffen und weiterverbreitet werden, um eine bestimmte Stimmung zu erzeugen“.
(abr)

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Mehr zum Thema