Antisemitismus auf dem Fußballplatz

Von Dieter Wulff · 13.11.2009
Der von Shoa-Überlebenden wiederbelebte jüdische Berliner Traditionsverein Tus Makkabi kann davon mehr als ein Lied singen. Immer wieder wurden seine Spieler in den vergangenen Jahren mit rassistischen und antisemitischen Schmähungen von gegnerischen Spielern oder Zuschauern konfrontiert.
Es ist einerseits dass man ein großes Publikum vorfindet und dass der Sport natürlich Emotionen weckt. Extremisten brauchen Emotionen, weil mit rein gedanklichen Dingen kann man ihnen nicht folgen.

Erklärte Gordian Meyer Plath, Referatsleiter beim brandenburgischen Verfassungsschutz kürzlich bei einer Diskussion in der Berliner Neuen Synagoge. Rechtsradikalismus und Antisemitismus habe auf deutschen Fußballplätzen eine lange Tradition, meint der Verfassungsschützer, und das werde sich sicher auch so schnell nicht ändern.

Ich fürchte dass das Problem sehr alt ist und dass es auch keinen neuen Trend gibt Der Fußball hat eine zu starke Anziehungskraft als dass das nachgelassen hätte.

Der Weltfußballverband Fifa hat zwar schon vor Jahren Antidiskriminierungsparagrafen eingeführt, nach dem Vereinen drastische Strafen drohen, wenn eigene Spieler oder Fans sich im Stadion rassistisch verhalten. Seitdem gibt es solche Vorfälle in den oberen Spielklassen nur noch ganz selten. Im Freizeit- und Amateurbereich aber, so die Beobachtung von Gordian Meyer Plath, seien die Probleme noch längst nicht im Griff.

Je höher die Liga, desto genauer wird hingeguckt und desto mehr sind solche Aktionen auch im Rückgang begriffen, ich fürchte, das Problem ist je niedriger die Liga ist. Da müssen wir mehr hingucken, da wo nicht bei jedem Spiel Polizei ist und da wo nicht die Anzahl der Zuschauer und damit der Zivilgesellschaft nicht so groß ist, da werden wir in Zukunft genauer hingucken müssen.

Der 1970 von Überlebenden der Shoa in Berlin wieder belebte jüdische Traditionsverein Tus Makkabi kann davon mehr als ein Lied singen. Immer wieder waren er und seine Spieler in den letzten Jahren mit rassistische und antisemitische Schmähungen von gegnerischen Spielern oder Zuschauern konfrontiert, meint Mario Offenberg, der Trainer der Fußballmannschaft von Tus Makkabi.

"Schwerpunktmäßig haben wir es mit verbalen Übergriffen zu tun, wenn wir auf fremden Plätzen spielen sind Dinge vorgekommen. Insofern sind das doch relativ massive Beleidigungen und Beschimpfungen."

Je erfolgreicher TUS Makkabi wurde, umso massiver wurden die antisemitischen Pöbeleien, so die Beobachtung des Trainers.

"Jetzt haben wir in den letzten Jahren nen relativ großen sportlichen Aufstieg genommen und haben jetzt, um das mal deutlich zu sagen, den Kopf mal rausgestreckt und haben uns so positioniert, dass wir in Berlins höchste Liga aufgestiegen sind, und wir haben voriges Jahr, um im Bild zu bleiben, sogar die Frechheit besessen, voriges Jahr um den Aufstieg in die Oberliga zu spielen. Und spätestens da ist es für einige ungemütlich geworden, das ist unsere Interpretation weil gerade in der Saison … dass spätestens dann sich auch diese Dinge auch angehäuft haben und klarer uns entgegengeschlagen sind."

Bereits vor zwei Jahren hatte ein Fall bundesweites Aufsehen erregt, weil ein Schiedsrichter sich geweigert hatte gegen kontinuierliche antisemitische Schmährufe von Zuschauern einzuschreiten. Stattdessen wurde ein Spieler von Tus Makkabi der sich daraufhin beschwerte von Schiedsrichter vom Platz verwiesen. Das ganze führte zu einem monatelangen Verbandsinternen Gerichtsverfahren und bundesweitem Aufsehen.

Dabei ist Tus Makkabi bei weitem nicht der einzige Verein, der mit rassistischen Angriffen zu kämpfen hat. Die Berliner türkische Fußballmannschaft TürkiyemSpor wird seit Jahren von rechtsradikalen Fans attackiert. Doch deren Beschwerden wurden vom Berliner Fußballverband immer klein geredet. Daher war man bei TürkiyemSpor dankbar, dass Tus Makkabi sich damals offensiv gegen diese ständigen Vorfälle zur Wehr setzte, erinnert sich Cetin Özaydin, der Fanbeauftragte von TürkiyemSpor.

"Als das in Altglienicke passiert ist da waren wir als Club erleichtert. Wir waren wirklich froh, dass es passiert war, denn, weil wir auch neugierig waren, was macht jetzt Tus Makkabi. Und die haben das Richtige gemacht was wir uns Jahrzehnte vorher uns nicht getraut haben. Und wenn wir was gemacht haben dann haben wir von Verbänden immer was auf die Mütze gekriegt."

Doch obwohl der Fall erhebliches Aufsehen erregt hatte und der Fußballverband aktiv geworden war, hat auch Tus Makkabi weiterhin mit antisemitischen Vorfällen zu tun, wie noch in diesem Frühjahr, erinnert sich Mario Offenberg.

"Konkret ein Fall der jetzt im Februar diesen Jahres stattgefunden hat, dass ein Spieler der gegnerischen Mannschaft, weil er mit einer gelb roten Karte bedacht worden ist, laut ausrief: ich F Punkt, Punkt, Punkt diesen Judenverein."

Der Fall war dokumentiert, es gab mehrere unabhängige Zeugen. In einem solchen Fall, erklärt Mario Offenberg, ist die verbandsinterne Rechtslage ganz eindeutig, erklärt der Trainer von Tus Makkabi und zitiert den entsprechenden Paragrafen.

"Verhalten sich Spieler, Offizielle oder Zuschauer in irgendeiner Form rassistisch oder menschenverachtend werden der betreffenden Mannschaft sofern zuortbar also alles klar und unstrittig beim ersten Vergehen drei Punkte und beim zweiten Vergehen sechs Punkte abgezogen. Werden abgezogen nicht können, werden abgezogen. Es ist nichts passiert."

Das verbandseigene Schiedsgericht hatte sich über seine eigenen Paragrafen hinweg gesetzt. In diesem Fall verzichtete Tus Makkabi dagegen Widerspruch einzulegen. Der gegnerische Club war ein Konkurrent um den möglichen Aufstieg. Ein juristisches Vorgehen hätten manche im Verband sicher als Versuch interpretiert den Konkurrenten dadurch auszuschalten, glaubt Mario Offenberg. Der Verein hoffte darauf, dass der Verband selbst tätig würde, da das Urteil ja gegen die eigenen Statuten verstoßen hatte. Der Fußballverband aber ließ es auf sich beruhen.

Man sei nun mal ehrenamtlich und könne nicht bei jedem Spiel bis in die unterste Liga präsent sein, meint Gerd Liesegang, der Vizepräsident des Berliner Fußballverbandes. Und manches, was einem selber nicht gefalle, sei eben nicht zu verhindern. Wie in dem Fall, als kürzlich in einem Stadion ein Transparent mit dem Spruch "Euer Hass macht uns erst stark" in Runenschrift entrollt wurde.

"Wir haben uns aber bei der Polizei in unserer Stadt erkundigt und die Polizei hat uns schriftlich gegeben, dass diese Schrift die da drauf steht genau wie der Inhalt trotzdem wir alle das nicht wollten, der Inhalt nicht verboten ist."

Dem aber widersprach der Verfassungsschützer vehement. Jeder Verein habe auf seinem Platz das Hausrecht und natürlich die Möglichkeit solche Provokationen zu verbieten.

Das ist immer wieder der Satz, das ist doch nicht verboten. Diese Fixierung auf das deutsche Strafrecht. Aber das hindert niemanden daran, eigene Regeln für den eigenen Bereich aufzustellen. Sie haben das in der Hand. Sie können sagen, was sie nicht wollen, und da müssen sie nicht auf das Strafrecht gucken und nach Paragrafen suchen und sagen, das war doch jetzt Volksverhetzung, nein weit unterschwelliger kann man da die Akzente setzen.