Antisemitische Kandidaten
Was genau im Würzburger Priesterseminar vor ein paar Wochen passiert ist, ist unklar. Einer oder zwei der Kandidaten sollen im Bierkeller judenfeindliche Witze erzählt haben. Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann hat eine Kommission eingesetzt, um die Angelegenheit zu untersuchen.
Es ist mittags kurz nach zwölf, auf dem Tisch stehen Hähnchen mit Kartoffelsalat. Im Speisesaal des Würzburger Priesterseminars sitzen nur eine Handvoll der derzeit 18 Kandidaten. Die anderen sind schon in U-Haft, murmelt einer sarkastisch. Die Stimmung unter den Seminaristen sei äußerst gespannt, sagen Insider. Interviews will hier niemand mehr geben, seit eine vom Bischof eingesetzte Kommission versucht, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen einzelne Kandidaten aufzuklären.
Aber es äußern sich Verantwortliche aus Kirche und Gesellschaft:
"
- "Zunächst war ich schlicht erschüttert, fassungslos, ich konnte mir das eigentlich auch nicht vorstellen."
- "Als ich das zum ersten Mal gehört habe, war ich völlig geschockt, völlig überrascht."
- "Ich war tatsächlich sprachlos. Dass man hier offenbar rechtsradikales Gedankengut gepflegt hat, ist für mich völlig unverständlich.""
Noch steht nicht genau fest, was in Würzburg geschehen ist. Allerdings haben einzelne Seminaristen offenbar zugegeben, sie hätten antijüdische Witze erzählt. Ein Kandidat besuchte ein Konzert der Band Frei.Wild, die auch Leute mit rechtem Gedankengut anzieht. Das Konzert fand am 20. April statt, dem Geburtstag Adolf Hitlers. Außerdem steht der Verdacht im Raum, Seminaristen könnten im Bierkeller auf eben diesen Geburtstag angestoßen haben. Rechtsradikale Umtriebe unter angehenden katholischen Priestern?
Lisa Sponner studiert Theologie, sie kennt die Seminaristen aus gemeinsamen Vorlesungen:
"Ich hab da gar keine Erklärungsversuche dafür, weil ich da wirklich schockiert bin und ich das auch noch nie erlebt hab', darum hab ich keine Erklärungsversuche. Ich bin da einfach eher baff, dass das sich ereignet hat."
Aber es äußern sich Verantwortliche aus Kirche und Gesellschaft:
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- "Zunächst war ich schlicht erschüttert, fassungslos, ich konnte mir das eigentlich auch nicht vorstellen."
- "Als ich das zum ersten Mal gehört habe, war ich völlig geschockt, völlig überrascht."
- "Ich war tatsächlich sprachlos. Dass man hier offenbar rechtsradikales Gedankengut gepflegt hat, ist für mich völlig unverständlich.""
Noch steht nicht genau fest, was in Würzburg geschehen ist. Allerdings haben einzelne Seminaristen offenbar zugegeben, sie hätten antijüdische Witze erzählt. Ein Kandidat besuchte ein Konzert der Band Frei.Wild, die auch Leute mit rechtem Gedankengut anzieht. Das Konzert fand am 20. April statt, dem Geburtstag Adolf Hitlers. Außerdem steht der Verdacht im Raum, Seminaristen könnten im Bierkeller auf eben diesen Geburtstag angestoßen haben. Rechtsradikale Umtriebe unter angehenden katholischen Priestern?
Lisa Sponner studiert Theologie, sie kennt die Seminaristen aus gemeinsamen Vorlesungen:
"Ich hab da gar keine Erklärungsversuche dafür, weil ich da wirklich schockiert bin und ich das auch noch nie erlebt hab', darum hab ich keine Erklärungsversuche. Ich bin da einfach eher baff, dass das sich ereignet hat."
Wo ist der braune Sumpf?
An der Würzburger Universität kann niemand so recht verstehen, wie das möglich ist. Seit vergangenem Jahr gibt es hier sogar eine Professur für den Dialog der Religionen. Ein brauner Sumpf ist nicht auszumachen.
Johannes Krebs ist Sprecher der angehenden Pastoralreferenten, also der hauptberuflichen Laientheologen:
"Ich find, da ist eindeutig 'ne Grenze überschritten, das gehört auch in den gesamtgesellschaftlichen Kontext, wo der Antisemitismus ja auch vielleicht unterschwellig noch 'ne große Rolle spielt. Es liegt an jedem einzelnen, da Position zu beziehen und einzuschreiten, wenn solche Witze fallen. Also klar zu sagen: Hier ist 'ne Grenze überschritten."
Überschritten ausgerechnet von angehenden Kirchenmännern, die später große Verantwortung tragen sollen, die predigen und Religion unterrichten. Derzeit ist mit Blick auf die Vorwürfe von zwei bis vier Beteiligten die Rede – bei insgesamt 18 Seminaristen. Gut die Hälfte der Kandidaten stammt aus dem Erzbistum Bamberg, das seine Priester gemeinsam mit Würzburg ausbildet.
"Mehr als beschämend" findet Generalvikar Karl Hillenbrand die Vorfälle:
"Das ist ja das Schlimme und Bedauerliche, dass die kein Gesicht zeigen. Das ist so eine dumpfe und dumme Gesinnung, die sich in solchen Witzen Luft macht, und da ist es wichtig zu sagen: Es gibt eine persönliche Verantwortung für mein Reden und Ausdrucksverhalten."
Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen im Würzburger Priesterseminar? Wir sprechen mit denen, die nah dran sind und entdecken einzelne Mosaiksteinchen, die sich zu einem komplexen Bild zusammensetzen: Unter den Seminaristen gab es offenbar schon seit einiger Zeit Spannungen. Konflikte, etwa über unterschiedliche kirchenpolitische Auffassungen, wurden nur selten ausgetragen. Andeutungen, spitze Kommentare, Abschottung statt offener Diskussionskultur: Wenn die Schilderungen stimmen, ist nachvollziehbar, dass in diesem Klima rechte Gesinnungen einzelner wachsen können.
Nachdem ein Kandidat die Vorfälle nach außen getragen hatte, sind die Gräben noch tiefer, bestätigt der Würzburger Generalvikar:
"Die Stimmung ist nicht gut. Ich hab den Eindruck, dass man sich gegenseitig mit Misstrauen begegnet. Deswegen warne ich auch davor, die Dinge umzukehren – Ursache und Folgen – und Seminaristen, die unter diesen Dingen gelitten haben und sich zu Wort gemeldet haben, als Nestbeschmutzer zu bezeichnen oder ihnen mangelnde Mitbrüderlichkeit zu attestieren. Ich denk, gerade echte Mitbrüderlichkeit hat nichts mit männerbündischer Kumpanei zu tun."
Das Beispiel Würzburg zeigt: Offenbar zieht die katholische Priesterausbildung auch Menschen an, deren politische Haltung mit dem christlichen Menschenbild unvereinbar ist. Die Kandidaten, gegen die es Vorwürfe gibt, vertreten in Teilen ein traditionalistisches Kirchenbild. Das hat erst einmal nichts mit rechtem politischen Gedankengut zu tun. Allerdings war etwa der Holocaust-Leugner Richard Williamson Bischof der traditionalistischen Pius-Bruderschaft.
Hier und da könnte es also eine innere Verbundenheit geben, vermutet der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose:
"Ein Gehorsamsverständnis, das darauf abzielt, zu übernehmen, Gehorsam zu leisten, weniger zu hinterfragen. Ein Autoritätsverständnis, dass nicht auf Autoritäten setzt, denen ich als erwachsener, mündiger Mensch begegne, die ich anerkenne, mit denen ich mich aber auch auseinandersetze, sondern denen ich mich unterordne. Das ist eine Haltung, die es in manchen traditionalistisch geprägten Kreisen gibt, die sich berühren mit rechtem Gedankengut."
Hose engagiert sich im Würzburger Bündnis für Zivilcourage und im Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Der Studentenpfarrer nimmt unter Priesteramtskandidaten eine zunehmende Rückwärtsgewandtheit wahr:
"Es verändert sich was in Richtung einer konservativen, sehr auf Formalismus hin ausgerichteten Einstellung. Leute, die ängstlich darauf bedacht waren und beobachtet haben, wie sich andere verhalten. Die darauf geachtet haben, dass sich keiner falsch verhält oder regelwidrig. Also diese selbsternannten Glaubenswächter. Diese Haltung hat sich, glaube ich, verstärkt. Und das ist natürlich ein Teil eines großkirchlichen Klimas."
Johannes Krebs ist Sprecher der angehenden Pastoralreferenten, also der hauptberuflichen Laientheologen:
"Ich find, da ist eindeutig 'ne Grenze überschritten, das gehört auch in den gesamtgesellschaftlichen Kontext, wo der Antisemitismus ja auch vielleicht unterschwellig noch 'ne große Rolle spielt. Es liegt an jedem einzelnen, da Position zu beziehen und einzuschreiten, wenn solche Witze fallen. Also klar zu sagen: Hier ist 'ne Grenze überschritten."
Überschritten ausgerechnet von angehenden Kirchenmännern, die später große Verantwortung tragen sollen, die predigen und Religion unterrichten. Derzeit ist mit Blick auf die Vorwürfe von zwei bis vier Beteiligten die Rede – bei insgesamt 18 Seminaristen. Gut die Hälfte der Kandidaten stammt aus dem Erzbistum Bamberg, das seine Priester gemeinsam mit Würzburg ausbildet.
"Mehr als beschämend" findet Generalvikar Karl Hillenbrand die Vorfälle:
"Das ist ja das Schlimme und Bedauerliche, dass die kein Gesicht zeigen. Das ist so eine dumpfe und dumme Gesinnung, die sich in solchen Witzen Luft macht, und da ist es wichtig zu sagen: Es gibt eine persönliche Verantwortung für mein Reden und Ausdrucksverhalten."
Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen im Würzburger Priesterseminar? Wir sprechen mit denen, die nah dran sind und entdecken einzelne Mosaiksteinchen, die sich zu einem komplexen Bild zusammensetzen: Unter den Seminaristen gab es offenbar schon seit einiger Zeit Spannungen. Konflikte, etwa über unterschiedliche kirchenpolitische Auffassungen, wurden nur selten ausgetragen. Andeutungen, spitze Kommentare, Abschottung statt offener Diskussionskultur: Wenn die Schilderungen stimmen, ist nachvollziehbar, dass in diesem Klima rechte Gesinnungen einzelner wachsen können.
Nachdem ein Kandidat die Vorfälle nach außen getragen hatte, sind die Gräben noch tiefer, bestätigt der Würzburger Generalvikar:
"Die Stimmung ist nicht gut. Ich hab den Eindruck, dass man sich gegenseitig mit Misstrauen begegnet. Deswegen warne ich auch davor, die Dinge umzukehren – Ursache und Folgen – und Seminaristen, die unter diesen Dingen gelitten haben und sich zu Wort gemeldet haben, als Nestbeschmutzer zu bezeichnen oder ihnen mangelnde Mitbrüderlichkeit zu attestieren. Ich denk, gerade echte Mitbrüderlichkeit hat nichts mit männerbündischer Kumpanei zu tun."
Das Beispiel Würzburg zeigt: Offenbar zieht die katholische Priesterausbildung auch Menschen an, deren politische Haltung mit dem christlichen Menschenbild unvereinbar ist. Die Kandidaten, gegen die es Vorwürfe gibt, vertreten in Teilen ein traditionalistisches Kirchenbild. Das hat erst einmal nichts mit rechtem politischen Gedankengut zu tun. Allerdings war etwa der Holocaust-Leugner Richard Williamson Bischof der traditionalistischen Pius-Bruderschaft.
Hier und da könnte es also eine innere Verbundenheit geben, vermutet der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose:
"Ein Gehorsamsverständnis, das darauf abzielt, zu übernehmen, Gehorsam zu leisten, weniger zu hinterfragen. Ein Autoritätsverständnis, dass nicht auf Autoritäten setzt, denen ich als erwachsener, mündiger Mensch begegne, die ich anerkenne, mit denen ich mich aber auch auseinandersetze, sondern denen ich mich unterordne. Das ist eine Haltung, die es in manchen traditionalistisch geprägten Kreisen gibt, die sich berühren mit rechtem Gedankengut."
Hose engagiert sich im Würzburger Bündnis für Zivilcourage und im Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Der Studentenpfarrer nimmt unter Priesteramtskandidaten eine zunehmende Rückwärtsgewandtheit wahr:
"Es verändert sich was in Richtung einer konservativen, sehr auf Formalismus hin ausgerichteten Einstellung. Leute, die ängstlich darauf bedacht waren und beobachtet haben, wie sich andere verhalten. Die darauf geachtet haben, dass sich keiner falsch verhält oder regelwidrig. Also diese selbsternannten Glaubenswächter. Diese Haltung hat sich, glaube ich, verstärkt. Und das ist natürlich ein Teil eines großkirchlichen Klimas."
Verhältnis zur jüdischen Gemeinde getrübt
Die Vorfälle im Priesterseminar trüben auch das Verhältnis zur jüdischen Gemeinde. Antijüdische Witze seien keinesfalls vergleichbar mit Blondinen- oder Ostfriesenwitzen, sagt der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Josef Schuster:
"Wenn es um menschenverachtende Witze geht, insbesondere Witze, die auch noch im KZ-Milieu spielen – ich glaube, dass jüngere Menschen, die Abitur haben, die den geistlichen Beruf anstreben, dass die sich im Klaren sein müssen, dass das keine Thematik sein kann. Wenn darüber hinaus aber noch weitere rechtsradikale Vorkommnisse beobachtet wurden, dann muss ich sagen, ist das Ganze nicht mal nur belanglos einen Witz erzählt, sondern dann entspricht dies ja offensichtlich einer Ideologie."
Schuster, gleichzeitig Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sieht für die betreffenden Kandidaten keine Zukunft im Priesterseminar:
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen mit einem solchen Gedankengut dafür geeignet sein sollen, um als ausgebildete Priester Jugendliche zu unterrichten, sich vor eine Kirchengemeinde zu stellen. Dieser Gedanke ist für mich kaum erträglich. Für mich ist die Konsequenz, dass sich das Priesterseminar von diesen Seminaristen trennen muss."
Die Verantwortlichen in Würzburg und Bamberg warten derzeit auf das Ergebnis einer von der Kirche eingesetzten Untersuchungskommission. Ein Oberlandesrichter, ein Judaist und ein Theologie-Professor sollen die Vorwürfe aufklären. Dazu befragen sie sämtliche Kandidaten und die Verantwortlichen im Seminar. Kommenden Monat soll die Kommission ihren Bericht vorlegen, dann entscheiden die Bischöfe, wie es weitergeht.
Ein Ausschluss sei möglich, sagt Generalvikar Hillenbrandt:
"Es gehört zu solchen Verhaltensweisen, dass sich einzelne in einer Gruppe verstecken. Da ist zunächst mal individuelle Aufklärung der Verantwortlichkeit wichtig. Nachdem es sich nicht um Bagatellfälle handelt, muss schon die Frage gestellt werden, wenn es eben feststeht: Ist so jemand als Priester überhaupt geeignet?"
Wenn auch nur einzelne der Vorwürfe stimmen, werden wohl mindestens zwei der 18 Kandidaten das Seminar verlassen müssen. Ein viel größeres Problem für die katholische Kirche ist aber die Frage: Wie ist es möglich, dass Menschen mit rechter Gesinnung überhaupt Priester werden wollen – und tatsächlich in einem Priesterseminar aufgenommen werden?
"Wenn es um menschenverachtende Witze geht, insbesondere Witze, die auch noch im KZ-Milieu spielen – ich glaube, dass jüngere Menschen, die Abitur haben, die den geistlichen Beruf anstreben, dass die sich im Klaren sein müssen, dass das keine Thematik sein kann. Wenn darüber hinaus aber noch weitere rechtsradikale Vorkommnisse beobachtet wurden, dann muss ich sagen, ist das Ganze nicht mal nur belanglos einen Witz erzählt, sondern dann entspricht dies ja offensichtlich einer Ideologie."
Schuster, gleichzeitig Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sieht für die betreffenden Kandidaten keine Zukunft im Priesterseminar:
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen mit einem solchen Gedankengut dafür geeignet sein sollen, um als ausgebildete Priester Jugendliche zu unterrichten, sich vor eine Kirchengemeinde zu stellen. Dieser Gedanke ist für mich kaum erträglich. Für mich ist die Konsequenz, dass sich das Priesterseminar von diesen Seminaristen trennen muss."
Die Verantwortlichen in Würzburg und Bamberg warten derzeit auf das Ergebnis einer von der Kirche eingesetzten Untersuchungskommission. Ein Oberlandesrichter, ein Judaist und ein Theologie-Professor sollen die Vorwürfe aufklären. Dazu befragen sie sämtliche Kandidaten und die Verantwortlichen im Seminar. Kommenden Monat soll die Kommission ihren Bericht vorlegen, dann entscheiden die Bischöfe, wie es weitergeht.
Ein Ausschluss sei möglich, sagt Generalvikar Hillenbrandt:
"Es gehört zu solchen Verhaltensweisen, dass sich einzelne in einer Gruppe verstecken. Da ist zunächst mal individuelle Aufklärung der Verantwortlichkeit wichtig. Nachdem es sich nicht um Bagatellfälle handelt, muss schon die Frage gestellt werden, wenn es eben feststeht: Ist so jemand als Priester überhaupt geeignet?"
Wenn auch nur einzelne der Vorwürfe stimmen, werden wohl mindestens zwei der 18 Kandidaten das Seminar verlassen müssen. Ein viel größeres Problem für die katholische Kirche ist aber die Frage: Wie ist es möglich, dass Menschen mit rechter Gesinnung überhaupt Priester werden wollen – und tatsächlich in einem Priesterseminar aufgenommen werden?