Anthony Josephs: "Back to the Roots"

Die Tugenden karibischer Musik

Renovierungsbedürftiger 1958er Classic Chevy auf einer Kopfsteinpflasterstrasse im Kolonialviertel von Trinidad in Kuba.
Durch Josephs Album klingt die Sonne der Karibik © imago/blickwinkel
Von Thorsten Bednarz |
"Back to the Roots", das neue Album von Anthony Joseph, ist ein überraschendes Album geworden: Ein bunter Stilmix aus Afrobeat, Blues und Jazz ist darauf zu finden, mit dem er vor allem seine Heimat Trinidad würdigt. Das ist keine Sekunde langweilig.
"Ich beginne immer mit einem Groove. Wenn ich schreibe, dann immer im Groove. Nicht unbedingt im Sinne von Funk, aber es muss einen Swing haben, eine Musikalität. Wie fließt ein Text, wo ist der Beat, der Rhythmus von einer Sache? Poesie hat viel mit Rhythmus, mit Klang und Worten zu tun. Wenn du diese drei Dinge kombinierst – den Rhythmus, den Sound, die Worte und ihre Bedeutung über das geschriebene Wort hinaus, das ist Poesie!"
Anthony Joseph glaubt nicht an den armen Poeten, der in seinem Kämmerchen auf Inspiration wartet. Der Rapper, Sänger, Poet, Romanautor, Maler und auch Hobbykoch steht mit beiden Füßen im prallen Londoner Leben. Nicht unbedingt planlos, aber doch ohne einer bestimmten Strategie zu folgen. Aus einer Idee kann ein Lied werden, ein Roman oder auch ein Bild. Hauptsache, er findet darin den jeweiligen Kosmos, nach dem die Idee verlangt.

Vielschichtig bei Musik und Texten

"Ich arbeite viel mit dem Zufall und einer Chance. Viele meiner Gedichte sind durchs Zuhören entstanden, durch das offen sein für vermeintliche Fehler, für das Unvorhersehbare. Es ist doch wie beim Kochen. Auch da musst du auf die Temperatur achten und verfolgen, was in diesem oder jenem Topf gerade passiert. Du musst dort umrühren, da brät was… Es hängt alles vom Rhythmus und dem Timing ab! Aber du kommst dabei auch in eine bestimmte Art dich auszudrücken oder zu denken und dabei bist du dann für diesen Augenblick in deiner eigenen kleinen Welt. Beim Schreiben ist es genauso. Du hast alle Elemente beisammen, jonglierst mit ihnen und bist offen dafür, was sonst noch passieren könnte und du antwortest darauf."
Ebenso vielschichtig wie die Texte ist auch die Musik des neuen Albums von Anthony Joseph. Man könnte meinen, er suche nur die grundlegenden Tugenden der karibischen Musik – die verschiedenen Rhythmen, die alten Geschichten von Geistern wie dem blauen Phantom auf dem Albumcover, die Verbundenheit mit der alten Heimat in Afrika – und katapultiert diese in ihrer pursten Form in die eklektische Gegenwart, verschmilzt diese mit neuen Formen, die auf dem scheinbar gleichen musikalischen Fundament ruhen. In erster Linie also Afrobeat, Blues und Jazz. Nur der lebensfrohe und immer spöttisch ausgelassene Calypso, der taucht in seiner Reinform dann doch nicht auf. Muss er auch gar nicht, wie Anthony Joseph erklärt.
"Ich bin Teil dieser Tradition, ich komme ja aus Trinidad. Diese Anspielungen, der Humor, die verwendeten Bilder – das alles basiert auf dem Calypso. Das ist meine Kultur, damit bin ich aufgewachsen! Aber der echte Calypso ist sehr politisch! Das ist eine revolutionäre Musik in dem Sinne, dass sie die Regierung kritisiert. Sie nimmt Dinge aufs Korn, die für die Politiker lieber im Verborgenen bleiben sollten. Die Kultur, in der ich lebe und in der ich arbeite, hat weniger diesen politischen Fokus. Der Prozess, der Anstoß für meine Arbeit ist nicht politisch, das Ergebnis hingegen schon. Viele Menschen verbinden etwas damit, verstehen die versteckten Kommentare. Aber anders als Musiker wie Lord Kitchener oder die Last Poets attackiere ich nicht. Ich schleiche mich eher aus dem Hinterhalt an."

Ein ungewöhnliches und fesselndes Album

Viele Gäste aus der internationalen Musikszene sind auf "Caribbean Roots" zu hören. Und sehr unterschiedliche, allen voran der Londoner Saxophonist Shabaka Hutchings, der im Afrobeat ebenso Zuhause ist wie im Freejazz, und der Percussionist Roger Raspail. Er spielte auf Alben von Cesaria Evora, war Teil der legendären Zouk-Band Kassav und auch schon auf Anthony Josephs Vorgängeralbum "Time" zu hören. Musikalisches Rückgrat aber ist der Bassist Andrew John, mit dem Anthony Joseph seit der Gründung seiner ersten Band vor rund 20 Jahren zusammen arbeitet.
Wie man diese Musik bezeichnen soll, auf diese Frage fehlt dem sonst so wortgewaltigen Poeten dann doch eine Antwort. Wie man sie bestverkäuflich umschreibt, in welcher Schublade man dieses ebenso ungewöhnliche wie ungemein fesselnde Album stecken soll, das interessiert ihn nicht. Und überhaupt – all diese Dinge, die sich clevere Bussinessleute in den letzten 20 Jahren haben einfallen lassen, haben für Anthony Joseph längst ihren Zenit überschritten.
"Was kommt nach all den Downloads, nach Deezer und Spotify oder iTunes? Die Leute kehren zurück zu den alten Mitteln. Sie kehren zurück zum Vinyl, gehen wieder auf Konzerte, erleben wieder Musikalität!
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