Anschlag von Nizza

Warum immer wieder Frankreich?

Nizza
Menschen trauern in Nizza nach dem Anschlag, bei dem mehr als 80 Menschen getötet wurden. © picture alliance/dpa/Foto: Cyril Dodergny
Albrecht Metzger im Gespräch mit Vladimir Balzer und Axel Rahmlow · 15.07.2016
Trotz Ausnahmezustands und massiven Sicherheitsvorkehrungen konnte erneut ein Anschlag mit mehr als 80 Toten in Nizza nicht verhindert werden. Für den Islamwissenschaftler Albrecht Metzger ist auch die koloniale Vergangenheit Frankreichs ein Grund für den Terror.
Den Anschlag mit 84 Toten hat nach Angaben der französischen Behörden der 31-jährige Mohamed Lahouaiej Bouhlel verübt. Der gebürtige Tunesier mit Wohnsitz in Nizza sei nicht als möglicher Gefährder geführt worden, sagte ein Ermittler der Pariser Staatsanwaltschaft. Er sei im Frühjahr aber wegen Bedrohung, Gewalt, Diebstahls und Sachbeschädigung zu einem halben Jahr auf Bewährung verurteilt worden.
Bisher habe sich keine terroristische Organisation zu dem Anschlag bekannt. Dennoch sagte der französische Präsident Francois Hollande, die Tat habe "einen terroristischen Charakter". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, Deutschland stehe im Kampf gegen den Terrorismus hinter Frankreich.
Der Islamwissenschaftler und Journalist Albrecht Metzger schreibt aktuell ein Buch über den Islamischen Staat. Er sagte im Deutschlandradio Kultur, wenn bei einem Attentat sehr viele Zivilisten sterben und sich bewusst Plätze ausgesucht werden, wo sich Zivilisten aufhalten, dann müsse man von einer Tat mit einem "islamistischen Hintergrund" ausgehen.
"Das ist das Markenzeichen von al-Qaida und jetzt eben auch des IS, so viele Zivilisten wie möglich zu töten und so großen Schock wie möglich zu verursachen."

Kolonialvergangenheit auch ein Motiv

Nach den Anschlägen von Paris herrscht seit Monaten Ausnahmezustand in Frankreich. Dennoch konnte der Anschlag in Nizza nicht verhindert werden. Wenn Menschen grundsätzlich fest entschlossen seien, solch eine Tat zu verüben, sei das schlecht zu verhindern, sagte Metzger. Hinzu komme, dass Frankreich als Ziel eine andere Bedeutung habe als Deutschland.
"Frankreich hat eine bittere koloniale Vergangenheit in der islamischen Welt, in Algerien besonders, aber auch in Marokko und in Syrien."
Auch wenn diese Vergangenheit 50 bis 60 Jahre her sei, schwinge das nach Meinung von Albrecht Metzger als Motiv für Anschläge unterschwellig mit.
"Mann kann Frankreich dann eher Arroganz vorwerfen, wenn Frankreich sich beteiligt an Kriegen wie zum Beispiel in Libyen 2011 oder teilweise auch in Syrien. Dann kommen diese Impulse hoch, dass Frankreich diese arrogante ehemalige Kolonialmacht ist, die es verdient hat, angegriffen zu werden."

Deutschland nicht im unmittelbaren Fokus

Deutschland sei zwar auch an Kriegen wie in Afghanistan beteiligt, aber halte sich in vielen Konflikten eher im Hintergrund, so Metzger.
Wenn er mit Menschen spreche, die Sympathie für Terrororganisationen hätten, würden sie feststellen, dass Deutschland nicht an allen Einsätzen teilnehme. In Libyen und im Irak habe sich Deutschland ausdrücklich geweigert, einen Einsatz zu unterstützen. Deutschland agiere zurückhaltender und sei skeptischer.
"Das kriegen die Leute, glaube ich, mit."
Daher stünden zunächst Akteure wie die USA und Frankreich im Fokus der Terroristen.

Über den Stand der Ermittlungen berichtete am frühen Abend unser Frankreich-Korrespondent Jürgen König:

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