Anschlag auf Kriminalreporter Peter de Vries

"Die Gefahr ist immer da"

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Auf einem Pappherz neben Blumen am Tatort des Anschlags auf Peter de Vries steht: "Lieber Peter, komm zurück, unser Held, Liebling".
"Lieber Peter, komm zurück, unser Held, Liebling" - Trauerbekundungen am Tatort in Amsterdam. © imago / Richard Wareham
Annette Ramelsberger im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 07.07.2021
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Das Attentat auf den Kriminalreporter Peter de Vries in Amsterdam hat die Gefährdung von Journalisten in den Fokus gerückt. Auch Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger kennt die Angst - aber Personenschutz sei keine Lösung, sagt sie.
Der 64-jährige Kriminalreporter Peter de Vries wurde auf offener Straße in Amsterdam niedergeschossen. Zuletzt agierte er als Vertrauensperson eines wichtigen Kronzeugen im Prozess gegen einen mutmaßlichen Drogenboss. Gut möglich, dass der Anschlag auf ihn eine Warnung des organisierten Verbrechens war.

Bei der Recherche getötet

"Die Gefahr ist immer da, aber sie manifestiert sich nicht immer so deutlich", sagt Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin der "Süddeutschen Zeitung". Nicht nur in Lateinamerika würden Investigativreporter gefährlich leben, auch in Europa habe es schon vor dem Attentat auf de Vries Anschläge auf Journalisten gegeben, so auf Daphne Galizia auf Malta und auf Jan Kuciak und seine Verlobte in der Slowakei: "Die wurden getötet, als sie in Korruptionsfällen recherchierten."
Auch sie selbst habe schon beobachtet, wie Reporter eingeschüchtert wurden, sagt Annette Ramelsberger, so zum Beispiel beim Prozess gegen Beate Zschäpe:
"Ich kann mich erinnern, dass da Neonazi-Zeugen aussagten, die begleitet wurden von ganz unscheinbaren Besuchern. Die setzten sich zu uns auf die Pressetribüne, und plötzlich zischte einer einem Kollegen ins Ohr: 'Ich kenne deine Privatadresse'. Das hat den Kollegen zutiefst erschreckt, weil er bedroht wurde."

Nicht mit dem Verbrechen verbrüdern

Das Schwierige bei der Verbrechensberichterstattung sei, den richtigen Abstand zum Geschehen zu wahren, so Ramelsberger: "Distanz ist unser Beruf, und gleichzeitig müssen wir den Dingen ganz nahe sein."
Auf der einen Seite wolle sie so viel wie möglich wissen, um ein ganzes Bild zu zeichnen. "Und trotzdem dürfen wir uns nicht gemeinmachen, wir dürfen nicht Partei sein."

Bodyguards sind keine Lösung

Sich durch Bodyguards bewachen zu lassen, sei für Kriminalreporter keine Lösung, betont Ramelsberger: "Mit Personenschutz können Sie ihrem Beruf nicht mehr nachgehen."
Treffen mit Informanten an Orten, wo man nicht unbedingt gesehen werden wolle, seien mit Eskorte nicht möglich: "Kein Mensch würde sich öffnen, wenn im Hintergrund ein Polizist auf einen aufpasst. Das ist nicht vereinbar mit unserem Beruf."
(beb)
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